Samstag, 30. Januar 2016

Autor und Leser - eine Kommunikation

Unlängst sah ich zufällig einen Beitrag im Fernsehen, auf einem dieser Info - und Kulturkanäle. Da hatten sie in Südamerika unter anderem Tontöpfe mit keltischen Mustern, Figuren, Inschriften und Steinschleudern gefunden, die denen aus dem europäischen Raum auffallend ähnelten. Nun, sie haben keinen Beweis dafür gefunden, dass Kelten und Phönizier schon lange vor Kolumbus nach Südamerika segelten. Mich interessierte an diesem Bericht etwas anderes. Die Höhlenmalereien von Lascaux und weitere Beispiele wie die Mammutelfenbeinfiguren aus dem Lonetal fielen mir ein. Wie kommt es, dass Menschen auch nach Hunderten oder Tausenden von Jahren Botschaften hinterlassen können, die von der Nachwelt "gelesen" werden? Es kommt daher, dass der Mensch schon immer in der Lage war, von sich selbst und seinem Leben zu abstrahieren und Kunst herzustellen. Es scheint eine Frage von Urheber und Rezipient zu sein. Ein Autor ist undenkbar ohne Leser, ein Leser undenkbar ohne Autor. Wenn man sich dazu die heutige Situation von Autoren anschaut, stellen sich viele Fragezeichen auf. Vieles von dem, was man gerade zu hören und zu lesen bekommt, könnte einem die Freude am Schreiben vermiesen. Die Klagen einer Self Publisherin liegen mir noch in den Ohren. Sie stellte fest, dass sie alle drei Monate ein neues Buch auf den Markt bringen müsste, um mit dem Tempo des Marktes mitzukommen. Am Anfang stehe immer die Kurve, die vielleicht in 1-3 Tagen hoch sei und dann unweigerlich nach unten gehe. Ähnlich ist es auch mit den Verlagsbüchern im Buchhandel. Was sich nicht innerhalb eines Monats verkauft, wandert schon bald ins moderne Antiquariat. Die Kurve nimmt keine Rücksicht auf dich. Aber irgendetwas stimmt doch dabei nicht. Wer hat da was wann falsch gemacht? Die Verlage, die Autoren, die Leser, die Erfinder von immer neuen Techniken, die Buchhandlungen, die Agenten, die Online-Riesen, die Vertreter, das Feuilleton? Die Antwort, die ich mir gebe, ist folgende: Sie sind alle gleichermaßen beteiligt, weil sich (fast) alle der Entwicklung angepasst haben. Bei Denis Scheck, so wurde mir erzählt, trat kürzlich ein Autor auf, der alles noch mit der Hand schreibt und eine Wohnung voller gedruckter Bücher hat. Bie den meisten jedoch dreht sich alles, nicht nur bei Büchern, nur noch um "billig", ich nehme uns da gar nicht aus. Und bei dem Versuch aller, sich den billigsten und gleichzeitig dicksten Teil des Kuchens aus der Torte zu reißen, kann es einzig und allein darum gehen, die Gewinne daraus gerecht zu verteilen.

Gestern, an einem Frühlingstag mit wolkenlosem Himmel, hatten wir ein Aha-Erlebnis. Nach einem Spaziergang am Rand der Alb landeten wir wie schon so oft in einer unserer Lieblingsstädte, in Reutlingen. Wie immer, statteten wir auch der Buchhandlung Osiander einen Besuch ab. Ja, es ist inzwischen ein Genuss für mich, zwischen den Räucherstäbchen und Tassen auch Sessel mit lesenden Menschen zu sehen. Dabei wird es immer schwieriger für mich, in den Tausenden von gleichfarbigen Büchern etwas Ansprechendes zu finden. Meistens lande ich bei Reiseberichten und regionalen Reisebüchern. Bevor es losgehen konnte, fuhren wir mit dem Aufzug nach oben, um gewisse Örtlickkeiten aufzusuchen. Dort landeten wir aber nicht, sondern in einem Stockwerk, das wir noch nie zuvor gesehen hatten. Da lagen Tausende von Büchern in Sammelkästen, der buchhandlungseigene Flohmarkt, auf dem man Bücher zwischen ein und 10 Euro erstehen konnte. Und was habe ich dort gefunden? Alles, was ich unten schon lange nicht mehr finde. Ich fand einen Baden-Baden-Krimi von Rita Hampp, der mir sehr gut gefällt, weil ich auch was von der Umgebung und der Stadt sehe, zwei Bücher von Wulf Dorn, dessen Kommen und Gehen ich überhaupt nicht mehr mitbekommen hatte, einen Thriller des Pompeji-Autors Robert Harris sowie einen historischen Krimi von Petra Ölker. Nachdem ich vor lauter Leseverzweiflung schon auf literarische Texte aus dem 19. Jahrhundert umgeschwenkt war, bedeutet das für mich einen inneren Vorbeimarsch.

Hier noch ein leidenschaftliches Plädoyer für uns Autoren von Nina George: Schatz, wir müssen reden.

Dienstag, 19. Januar 2016

Schwarzwaldschneesturmgedanken

Zwischen Silvester und Mitte Januar gab es eine Phase, da war alles dunkel, trübe, nass, kalt und hoffnungslos. So, wie ich es aus früheren Zeiten nur im November kenne. Dazu die erdrückende politische Lage. Ja, es hatte mich erwischt, ich hatte keine Lust mehr zu feiern, irgendwohin zu fahren, richtig an meinem Roman weiterzuschreiben, etwas Gutes zu kochen oder mich mit Leuten zu treffen. Das kann ja heiter werden, dachte ich, die deutschen Winter ohne Arbeit und ohne Schreiben, wie soll man das bloß überleben? Wäre es da nicht besser, sich einen Wanst anzufressen und in einer Höhle seinen Winterschlaf zu halten? Nicht einmal in meinem Blog schaffte ich einen Eintrag. Worüber sollte ich auch schreiben? Was ein Tübinger Professor zur Überwindung der Terrorangst gesagt hat? Dass die Touristen jetzt verstärkt in den Schwarzwald reisen, weil ihnen andere Ziele zu gefährlich erscheinen? Dass ich nebenher noch mit nervigen familiären Angelegenheiten beschäftigt bin? Oder eine Große Schwarze Schreib-Blockade habe? Wer würde denn das noch lesen wollen?

Irgendwann in den letzten Tagen kam dann die Rettung durch einen orkanstarken Schneesturm im Schwarzwald. Nicht dass ein Schneesturm etwas Gutes wäre. Im Gegenteil, zunächst brachte er Bäume zum Umfallen, schoss eisige Schneekristalle vor sich her, ließ den ganzen Tag und die ganze Nacht und wieder den nächsten Tag Unmassen von Flocken zur Erde segeln, stieben und sausen, über die sich ein immer höher werdendes Leichentuch breitete. Die Büsche bekamen riesige Mützen, die Katze lief im Schnee und versuchte sich erst kreischend, dann klammheimlich in die Wohnung zu mogeln, die Nachbarn überboten sich mit Schneegeschaufel, und in den Bergen stauten sich kilometerlange Blechschlangen. Sehr viele Autofahrer landeten im Graben, andere arbeiteten sich zu den Skizentren durch, wo sie sich endlich einmal in echtem Schnee austoben durften und nicht in dem aus der Kanone. Viele Menschen murmelten im Vorbeigehen, dass man doch jetzt eigentlich auf Frühling eingestellt gewesen sei. Da haben doch schon Veilchen und Frühlingsspringkraut geblüht! Aber als all der Bockmist vorüber war, brach sich eine lang vermisste Sonne durch die Wolkendecke und verwandelte die Landschaft in eine eisig glitzernde, wundervolle Szenerie.

Ja, warum wird der Winter in der Fasnachtszeit mit Feuer und Mummenschanz ausgetrieben? Weil der Frühling die Schlafmützenzeit beendet und neues Leben bringt. Wir fangen schon mal damit an. Jeden Tag erleben wir kleine Abenteuer, machen Entdeckungen in der Nähe, die wir doch übergut zu kennen meinten, laufen, wo das gerade noch möglich ist und inspizieren die umliegenden Geschäfte und Märkte auf die Güte ihrer Waren hin. Sollten wir auf gute Lebensmittel stoßen, wird das sicher auch mit dem Kochen wieder was. Und nachdem die Sinne sich wieder halbwegs aufgestellt hatten und halbwegs einSchreiben wieder möglich war, stieß ich auf einen Beitrag von Petra van Cronenburg, in dem alles stand, was ich in diesen vergangenen toten Tagen auch gern erlebt und bewirkt hätte. Mut kann man nicht kaufen. Besser kann man einen Aufbruch nicht beschreiben.

Freitag, 8. Januar 2016

Wie Autoren heute veröffentlichen

Als ich vor knapp fünfzehn Jahren mit dem Schreiben von Romanen begann, sah die Autorenwelt noch ganz anders aus. Man schickte seine Manuskripte auf bedrucktem Papier an die Verlage und wartete im Schnitt vier Monate, bis eine Absage im Briefkasten lag. Oder auch eine Zusage, damals für meinen ersten schon per Email von einem renommierten kleineren Verlag. Den zweiten fand ich im Internet, das war ein Zweipersonenverlag. Mit beiden LektorInnen gab es lange persönliche Gespräche und ein sorgfältiges Lektorat. Beide Bücher erhielten gute Zeitungskritiken, tauchten aber in kaum einer Buchhandlung auf. Die nächsten vier Bücher erschienen in einem Verlag, den man damals noch als größeren Publikumsverlag bezeichnete. Diese historischen Romane lagen anfangs recht lange auf Stapeln in den Buchhandlungen; allerdings verkürzte sich die Verweildauer von Jahr zu Jahr. Zwischendurch noch eine Veröffentlichung bei einem kleineren lokalen Verlag. Das letzte gedruckte Verlagsbuch von mir erschien im Juni 2013.

Es begann eine neue Ära, nicht des Schreibens, aber des Veröffentlichens. Mit zwei Verlagsbüchern, deren Rechte ich zurückbekommen hatte bzw. deren E-Bookrechte ich gar nicht erst vergeben hatte, ging ich ab Herbst 2012 ins Self Publishing. 2015 folgte ein neu geschriebenes Buch. Von Amazon, dessen Konditionen für mich nicht mehr reizvoll waren, wechselte ich Ende September 2015 zu Tolino. Dort fühle ich mich bisher sehr wohl, zumal auch Sonderaktionen für meine Bücher veranstaltet wurden. Und die gute Nachricht kam nach Weihnachten: Die 70% Beteiligung der Autoren wird auch über den 31. Januar hinaus gewährt.

Jetzt habe ich mich einmal umgeschaut, wie es denn bei anderen läuft. Meines Wissens haben schon viele mir bekannte Autoren die Möglichkeit des Self Publishing genutzt. Ein Kinderbuchautor, der schon circa sechzig Bücher bei einem Verlag herausgebracht hatte, erzählt im Deutschlandradio davon, dass Autoren heute kaum noch Ansprechpartner hätten (es sei denn, sie sitzen bei einem Verlag ganz fest im Sattel oder schreiben Bestseller). Wie Autoren heute veröffentlichen.  Die meisten Bücher - wie ich auch schon bemerkte - hätten heute eine viel kürzere Überlebensdauer, nämlich zwischen vier Monaten und zwei Jahren. Die Backlist, bis vor ein paar Jahren von den Verlagen noch gepflegt, lohnt sich für sie aus Kostengründen nicht mehr. Viele Autoren müssten sich für jedes neue Buch einen neuen Verlag suchen. Thomas Fuchs, der Kinderbuchautor, hat sich eine Autorenvereinigung namens "Gegenwind" herausgesucht, in der sich die Autoren gegenseitig beim Self Publishing unterstützen. In einem anderen Bericht des Börsenblatts werden Autoren aufgeführt, die ihrer eigenen Backlist durch E-Books und Print-on-Demand einen ganz neuen Aufschwung gegeben haben. Hybridautoren.

Beide, das Interview und der Artikel, erschienen im Juni des vergangenen Jahres. Inzwischen hat sich ja einiges in der Verlags - und Bücherwelt getan. Einmal gab es das Urteil des Europäischen Gerichtshofes, nach dem die Verlage nicht berechtigt seien, Anteile aus den Verwertungsgesellschaften wie VG Wort zu beanspruchen. Im Gegenzug werden Befürchtungen laut, dass der drohende Geldverlust auf die Autoren mit niedrigeren Vorschüssen usw. abgewälzt werden könnte. Dann wurde, wie von mir schon vor einiger Zeit berichtet, vom Bundesministerium der Justiz eine Urheberrechtsnovelle eingebracht, über die im März im Bundestag diskutiert werden soll. Sie hat es sich zur Aufgabe gesetzt, die Autoren besser für ihre Arbeit zu entlohnen und ihnen nach fünf Jahren die Rechte an ihren Büchern zurückzugeben. Das hat die Autorenschaft gespalten. Es gab einen Autorenbrief an die Regierung, in dem sie beschworen wird, das Gesetz nicht durchzubringen, weil sonst die Symbiose zwischen Verlag und Autor gestört werde. Verlage könnten Autoren nicht mehr über Jahre aufbauen und keine Lizenzen ins Ausland mehr vergeben. Die Diskussion darüber ist im Autorenforum Montsegur nachzulesen. Und ich frage mich jetzt auch: Wenn es doch Praxis ist, dass renommierte Autoren sich für jedes Buch einen neuen Verlag suchen und ihre Backlist nach zwei Jahren selber herausgeben müssen, wo ist dann die Symbiose? Das Modell, das hier vertreten wird, passt wohl eher in die Zeit, die ich anfangs beschrieben hatte. Das neue Gesetz wird seine Tücken und Fallstricke haben, aber im Großen und Ganzen wird es den Autoren doch nützen, ihre Backlist und ihre eigenes Autorengeschick selber in die Hand nehmen zu können.
Eine ausführliche Beschäftigung mit dem Thema "Verdienst von Autoren" kann man auch bei Martha Sophie Marcus nachlesen: Marthas Schreibtisch.

Mittwoch, 30. Dezember 2015

Wie war das noch mit den guten Vorsätzen?

Gerade habe ich mir die Zeit genommen, die Blogs meiner freundschaftlich verbundenen NachbarInnen durchzuschauen. Und dabei ist mir eines aufgefallen (vielleicht habe ich dies und das auch einfach nur übersehen): In der ganzen Zeit, die wir hier jetzt schon so unverdrossen bloggen, gab es an jedem Jahresende, manchmal schon Mitte Dezember, einen Jahresrückblick. Auch ich hatte diesmal einen solchen Rückblick schreiben wollen, und zwar nicht so einen "Meinefünfbestenbilder-Rückblick", den Facebook seinen Nutzern offeriert. Jetzt merke ich, dass ich es nicht kann. So wie ich auch bei den Schreckensszenarien der weltweiten terroristischen Bedrohung und den täglichen Berichten über die Flüchtlingskrise oft keine Worte fand. Und doch war das Jahr 2015 auch im privaten Sektor eine Zeit der großen Umbrüche. Es gab Abschiede und deren Folgen, die bis heute nachwirken. Im Juni hatte ich eine Veröffentlichung im Self Publishing und schreibe seitdem als freie Autorin weiter, nachdem ich meinen Beruf mit Ehren an den berühmten Nagel hängen konnte. Es gab Wetterextreme bis in den Dezember hinein und neue Impulse für das Urheberrecht. Im Sommer lernte ich eine seidig glänzende weiße Katze kennen, die unaufgefordert in meine Wohnung spazierte und die ich inzwischen wieder zur "Besucherkatze" erzogen habe, die ich gar nicht mehr missen will. Statt das wachsende Angebot der digitalen Medien für mich auszuweiten, habe ich wieder angefangen, täglich die Zeitung zu lesen. An Weihnachten fing ich an - erstmalig nach mindestens fünfzehn Jahren - Vanillekipferl und Kokosmakronen zu backen, die mir auch gelungen sind. Unter anderem bekam ich ein Kästchen mit "literarischen Momenten" nebst Zettelkasten geschenkt, dazu Kalender und ein mediterran-orientalisches Kochbuch. Wie immer, habe ich mir für das neue Jahr keine guten Vorsätze ausgedacht. Oder doch?

In der heutigen Ausgabe des Blättles wird ein Psychologe namens Walter Mischel von der Columbia Universtity in New York zu eben diesem Thema interviewt. Die Frage ist, warum viele Menschen das, was sie sich vorgenommen haben, nicht auf die Dauer umsetzen können. Er begründet das mit dem "heißen" und dem "kalten" System im Gehirn. Das heiße ist das limbische System, das schon früh in der Evolution entstand. Es ist der primitive Teil mit der mandelförmigen Amygdala, die starke Emotionen, Angst und Freude hervorruft. Das kalte System befindet sich im "präfrontalen Kortex", also direkt hinter der Stirn. Damit können wir analysieren und die Folgen unseres Tuns abschätzen.  Steht man nun unter Stress, fährt dieses limbische, heiße Sytem hoch und schaltet das kalte sozusagen aus. Wenn man es schafft, sich runterzukühlen, kann das kalte System wieder greifen. Selbstkontrolle ist das Wiedereingreifen des kalten Systems. Das macht Mischel an einem ganz einfachen Beispiel deutlich: Wenn man zum Beispiel den Hunger auf Süßes kontrollieren wolle, reiche es nicht, sich zu sagen, das mache dick und man werde keinen Nachtisch im Restaurant bestellen. In dem Moment, wo das Mousse au Chocolat vom Kellner vorbeigetragen werde, sei es um einen geschehen. Nachhaltiger wäre ein konkreter "Wenn-dann-Plan". "Wenn die Frage nach dem Dessert kommt, werde ich Fruchtsalat bestellen. Oder man treibt jeden Tag zu einer bestimmten Zeit Sport, bis es "sitzt" wie das Zähneputzen. Mit solchen Strategien könne man das heiße System kontrollieren, ohne es außer Kraft zu setzen, denn es ist ja ein Kernpunkt unseres Lebens, ohne den Genuss, Freude, Liebe und Schmerz nicht möglich wären. Das Einzige, was ich mir vorgenommen habe, ist der Wunsch, wieder mehr zu kochen. Es war früher eine Leidenschaft und hat sich durch das extensive Schreiben arg reduziert. Andere Vorlieben wie Wandern, Fotografieren, Schwimmen, Lesen sind noch in genügendem Maße da, könnten aber weiter ausgebaut werden.




Donnerstag, 24. Dezember 2015

Schöne Feiertage

Vor Jahren waren wir in Gönningen/schwäbische Alb in diesem speziellen Weihnachtsgarten - und wie man sieht, gab es sogar Schnee. Hiermit wünsche ich allen meinen Lesern nah und fern entspannte Feiertage und eine gute Zeit zwischen den Jahren! Eine wie immer hektische, aber auch irgendwie entrückte Zeit.

Montag, 21. Dezember 2015

Die Wertschätzung der Verlage

Unlängst erhielt ich die erste Weihnachtskarte dieses Jahres. Und ratet mal, von wem sie kam? Von dem Lahrer Verlag, bei dem ich vor elf Jahren meinen ersten Roman veröffentlicht habe! Seit elf Jahren erhalte ich diese Weihnachtspost, und ich muss sagen, dass ich diese Geste außerordentlich schätze. Weil mir damit Wertschätzung für die einstige Zusammenarbeit gezeigt wird, auch wenn die Rechte längst wieder bei mir angekommen sind. Es gab auch keinerlei Schwierigkeit, diese Rechte zurückzuerhalten. Kurze schriftliche Bestätigung nach ein paar Jahren, E-Book war damals noch kein Thema. Eigentlich kein Wunder, dass wir an jenem Tag einen Ausflug in den Schwarzwald machten und in der festlich glänzenden Stadt Lahr landeten. Es war der gleiche Weg wie damals, durchs Kinzigtal und dann vorbei an der Ruine Geroldseck, durch tiefe Täler, über Gebirgsrücken mit rotem Fels hinunter nach Lahr. Einen ganzen Tag hatten wir dort verbracht, inklusiv Mittagessen mit der Lektorin. Und im Rückblick muss ich sagen: Es war das intensivste und nachhaltigste Veröffentlichungserlebnis meiner Laufbahn. Diese Wertschätzung habe ich bei späteren Verlagen vermisst, abgesehen vielleicht von meinem damaligen Agenten. Bei diesen Verlagen hatte ich immer das Gefühl, wenn sich die Bücher nicht so toll verkaufen wie das erste, bist du nichts mehr wert für den Verlag. Und die Ebookrechte für die am besten verkäuflichen wurden natürlich einbehalten. Vielleicht ändert sich das ja in Zukunft. Wie viele Autoren bestimmt schon mitbekommen haben, wurde am 5. Oktober 2015 eine Novelle in den Bundestag eingebracht, mit der die Rechte der Autoren verstärkt werden sollen. Zum Beispiel gäbe es dann die Möglichkeit, nach 5 Jahren (statt nach weit über 70 Jahren über den Tod des Autors hinaus) seine Rechte zurückzufordern, um sie einem anderen Verwerter anbieten zu können. Das hat jetzt zu einer heftigen Diskussion zwischen Autoren und Verlagen geführt - eine Autoreninitiative rief sogar zu einem Protestbrief an die Regierung auf, nachzulesen im öffentlichen Bereich des Autorenforums Montsegur. Ich verfolge das weiter, weil ich die Initiative des Justizministeriums für einen Schritt in die richtige Richtung halte. Und ich hoffe, dass es eine Einigung geben wird, denn Krieg haben wir schon genug auf der Welt.

Samstag, 12. Dezember 2015

Oasen

Gestern Abend wollte ich einen neuen Artikel verfassen. Er sollte von den Veränderungen handeln, die sich bei einem Individuum aufgrund der allgemeinen Schieflage der Welt und des einzenen Lebens ergeben können. Vorher schaute ich noch auf einem meiner Lieblingsblogs vorbei und sah: Da hatte jemand schon genau über dieses Thema geschrieben! Petra van Cronenburg schreibt eine Vorweihnachtsserie über Mehr Licht - "Reset" für die Welt. Anlässlich eines Computercrashs und Ausfall fast sämtlicher digitaler und analoger Kommunikatiosmöglichkeiten kommt sie zu dem Schluss, dass es der gesamten Welt gut tun würde, ab und zu mal auf einen solchen Resetknopf zu drücken. Und auch zu anderen bemerkenswerten Schlüssen, die es wert sind, nicht nur einmal gelesen zu werden. Jetzt frage ich mich, worüber ich selbst eigentlich schreiben wollte. Ja, über Veränderungen bei sich selbst, wenn man den höchst besorgniserregenden Zustand der Welt schon nicht ändern kann.Unlängst sah ich - nicht zum ersten Mal - einen Film über eine Stadt aus tausendundeiner Nacht: Marrakesch. Die Bilder dieser Landschaft und der Oase drum herum haben mich so in den Bann geschlagen, dass sie mich nicht mehr losließen. Es begann auf dem Suk, wo die Berichterstatterin Gewürze probierte, rote, gelbe, braune, ockerfarbene, Ingwer und Kardamom, Kreuzkümmel, Kurkuma und Chili, Anis und Gewürznelken, Muskatnuss, Safran und Zimt, um nur einige zu nennen. Sie fuhren mit einem Ballon über die Landschaft, hinter dem Atlasgebirge erstreckte sich die unendliche Wüste, sie besuchten prächtige Paläste, ahlten sich in luxuriösen Bädern und ruhten sich in schattigen Innenhöfen zwischen Palmen, Oleander und  Orangenbäumen aus. Dann ging es natürlich ans Essen, und das war der Hammer für mich. Ein simpler Hühnerschenkel wurde in eine Tajine gesteckt, dann immer wieder mit Arganöl beträufelt (das ist eine Nuss, die nur in Marokko vorkommt), Zitrone dazu, Zwiebeln, Knoblauch und verschiedenste Gewürze, darunter frische Kräuter wie Koriander Petersilie und Rosmarin. Was nachher herauskam, war eine duftende Köstlichkeit, die mich auf der Stelle dazu verführte, das auch probieren zu wollen. Schon am nächsten Tag machte ich es wahr, und tatsächlich, es schmeckte auch so, wie es ausgesehen hatte! Und schon war der Wunsch geboren, dort einmal hinfahren zu wollen, sofern die Reisewege es zulassen würden. Wie kann man mit Nationen, die solche Kunstwerke vollbringen, die unsere Kultur über Jahrhunderte hindurch so sehr bereichert haben, verfeindet sein und Kriege mit ihnen führen?

Es ist etwas hängen geblieben von diesen sensorischen Erlebnissen.  Die digitale Vernetzung ist auch aus meinem Leben nicht mehr wegzudenken, aber ich habe jetzt meinen keinen Resetknopf, auf den ich immer drücken kann, wenn mich die Ereignisse fortzuschwemmen drohen. Ich kann Zeitung lesen, anstatt immer nur in die viereckigen Kästen zu starren. Ich kann einen kleinen Markt in der Nähe besuchen, mit einem Gemüsestand, einem Käsewagen, eine Wursttheke und einer Bäckerei, kann etwas kaufen, das es in den Supermärkten so gar nicht mehr gibt wie Grünkohl, Steckrüben, einen riesigen Bund Karotten und Kartoffeln, an denen noch die Erde klebt. Ich kann mich fernhalten von den Massenströmen, kann in Sonne und Nebel spazierengehen auf den Höhen und in den Tälern, kann mit Menschen sprechen, habe ein halbes Dutzend Weihnachtskarten gekauft, die ich auch noch beschriften werde, ganz ungewohnt nach den digitalen Klicks der letzten Jahre, und ich kann
vor allem eins: mit allen Sinnen in der Welt sein. Den Titel habe ich jetzt in "Oasen" geändert.
                                           
                                                                

Samstag, 5. Dezember 2015

Kann man Geduld lernen?

Wer kennt das nicht: In der Schlange an der Supermarktkasse stehen, gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit, hinter einem träge dahinschleichenden Auto herfahren, das man nicht überholen kann, warten, bis das Eierwasser kocht? Ich selbst war schon immer ein extrem ungeduldiger Mensch. Ständig ging mir immer alles viel zu langsam. Du bist zu ungeduldig, wurde mir oft gesagt. Wenn mir als Kind eine Bastelei nicht sofort gelang, habe ich sie hingeschmissen. Später, als ich regelmäßig mit dem Computer arbeitete, zeigte sich das ganze Ausmaß meiner Ungeduld. Auch hier ging alles viel zu langsam, dann stürzte er auch noch ab, oder ein Text verschwand auf Nimmerwiedersehen in der Datenhölle. Da hätte ich manchmal schon am liebsten ins Sofa gebissen oder Rumpelstilzchen gespielt! Dann brauchten meine Mitmenschen, unter anderem die Verlagsmitarbeiter, immer eine Ewigkeit für Entscheidungen. Nur deswegen war ich manchmal versucht, alles hinzuschmeißen.

Die härteste Geduldsprobe war eine Kopfoperation, der ich mich vor dreißig Jahren in der Mainzer Uniklinik unterziehen musste. Da wurde ich drei Mal wieder nach Hause in den Schwarzwald geschickt und musste auch nachher noch ewige Wartezeiten über mich ergehen lassen. Damals hatte ich mmer mein Strickzeug dabei, selbst in der Intensivstation.

Auf der anderen Seite wird mir immer wieder extreme Geduld bescheinigt, besonders, was meine Arbeit mit Menschen betraf und eigentlich auch mein Schreiben betrifft. Ich möchte da einmal die Begriffe trennen. Das eine ist Langmut, das andere die kurzfristige Geduld, würde ich sagen. Dazu habe ich einen Artikel gefunden, der ein Experiment beschreibt. Alles kommt zu dem von selbst, der warten kann.  Kindergartenkinder bekamen einen Marshmallow vorgesetzt, und es wurde ihnen gesagt, dass sie ihn gleich essen könnten oder aber später, wenn der Versuchsleiter wiederkommt, dann bekämen sie noch einen. Es ist rührend zu sehen, wie die Kinder mit der Geduldsprobe umgingen. Und natürlich entwickelten sich die geduldigeren Kinder später als erfolgreicher und gesünder. Man könne als Erwachsener die Fähigkeit zur Geduld nicht grundsätzlich neu lernen, jedoch könne man sie nachbessern. Auf der anderen Seite habe die Ungeduld auch kreative und fortschrittliche Funktionen. Wäre ich nicht so ungeduldig gewesen, hätte ich nicht so viel an Geschriebenem produzieren können. Und hätte ich keinen Langmut besessen, hätte ich weder auf Verlage noch auf Agenten warten noch selber publizieren können. Und hätte meinen schönen, aber nicht leichten Job hingeschmissen. Vielleicht ist es doch die richtige Mischung?

Ach ja, es gibt ein paar Tätigkeiten, bei denen ich große Geduld zeige. Beim Zuhören. Beim Lesen. Beim Schreiben und sogar beim Kreuzworträtsellösen, womit ich meine Geduld sogar trainieren kann.

Donnerstag, 12. November 2015

Inspirierende Martinsgans

Gestern Abend war es endlich so weit: Das lang verschobene Abschiedsessen, das der Vorstand meines Verein für mich geplant hatte, fand in einem renommierten Gasthaus statt. Der 11. 11., Martinstag und Martinsgans, und Beginn der närrischen Zeit. Die Atmosphäre war sehr locker und aufgeräumt, es wurden keine Reden gehalten und keine Geschenkkörbe vergeben (das war alles schon mehrmals geschehen). Meine Funktion als Pressesprecherin bzw.-schreiberin wurde noch einmal hervorgehoben. Und so kann ich jetzt auch in dieser Sache einen Artikel für die Presse schreiben. Neben einer angeregten Diskussion des Zeitgeschehens wollten die KolleInnen natürlich auch wissen, wie es denn jetzt so sei - frei von allen Verpflichtungen. Ich sagte es so, wie es ist: dass ich eine glückliche Rentnerin sei und nichts vermisse. Dass es absolut schön ist, an Tagen wie diesen einfach oben auf der Höhe spazieren zu gehen, ohne auf die Uhr schauen zu müssen. Und zu schreiben, ergänzte eine Kollegin. Denn natürlich wussten immer alle, was ich nebenbei so trieb. Die Themen der historischen Romane, wie Kirche und Missbrauch oder die Einrichtung eines Gottesstaates haben ja durchaus einen aktuellen Bezug, wie in der Runde bemerkt wurde. Meine Schilderung der aktuellen Situation auf dem Buchmarkt rief Erstaunen hervor. Und mein so schlecht verkäuflicher Mörike wurde einerseits gelobt, andererseits hätte man ihn gern als Printausgabe von mir gekauft. Das bringt mich allerdings ins Grübeln, denn ich besitze nur noch zwei Exemplare. Auf die Frage, was ich gerade schreibe und wie es weitergeht, sprach ich nur vage von meinen Plänen, weil die noch nicht ausgereift sind. Thriller oder Krimi, Wanderbuch, auch ein Buch über die Psychiatrie im Besonderen, zusammen mit meinem Kollegen, wären möglich. Ach ja, erinnert sich jemand daran, dass es auch noch einen fertigen Krimi gibt mit dem Titel "Martinsmorde"? Da kommen auch diese Martinshörnle vor, die es an diesem Tag überall zu kaufen gibt.
Zur Situation der Autoren und der Verlage noch ein Interview mit dem Autorenberater Stefan Wendel



Sonntag, 8. November 2015

Kleine Freuden

Stromberger Weinberg im Winter
Nun haben wir den Altweibersommer doch noch einmal zurückbekommen. Und gestern juckte es uns in den Reiseschuhen, endlich mal wieder einen Ausflug in unsere Umgebung zu machen. Alles, was lange wohlbekannt war, erschien in einem völlig neuen Licht - das Nagoldtal mit seinen endlosen Windungen und den schönen alten Städten wie Wildberg, Calw und dem Badeort Liebenzell mit seinem reizollen Kurpark. Im "Kupferhammer" am Rand der Stadt Pforzheim hielten wir spontan an und genehmigten uns eine Latte Machiato im Biergarten. Dazu einen Teller mit Apfelküchle, Vanilleeis und einer Art Blaubeerkompott. Mir fiel ein, wie ich diese Küchle früher für meinenSohn hergestellt habe. Die Kerngehäuse ausstechen, die Äpfel in Scheiben schneiden und durch einen Bierteig ziehen. So werden sie richtig knusprig! Auf dem Weg nach Bauschlott stand - wetten dass! - wieder der Bauer mit seinen Kartoffeln und Gemüsen. Diesmal ging es jedoch nicht nach Maulbronn, sondern Richtung Ötisheim. Dort fanden wir einen Wanderweg, der zunächst als staatlicher Forstweg durch einen bunten Buchenwald führte. Späte Stockschwämmchen wucherten an Baumstümpfen, ein Tintling zerfloss am Wegesrand. Viele Menschen wuselten im Wald herum, nicht umsonst hieß die Gegend "Reisig", das heißt, die Leute holen sich ihre Tannenzweige und ihr Holz für daheim und für die kommenden Advents - und Weihnachtsmärkte. Der Rückweg führte durch eine Art Allee von Eichen, die zum Feld hin gebogen waren. Ich frage mich immer, warum sie zum Feld hin gebogen sind und nicht zum Wald, denn der Wind kommt doch von vorn. Dasselbe Phänomen beobachte ich am Trauf der schwäbischen Alb, wo die glattstämmigen, kleingewachsenen Buchen alle zum Abgrund hin wachsen. Auf jeden Fall ist der Stromberg eine relativ unverbaute Gegend, mit vielen Weinbergen, Feldern, Wäldern, Bächen und schönen alten Weinorten. Von so einem Ausflug komme ich immer völlig aufgetankt zurück. Ich kann mich dann in meine Bude setzen und mich über das neue Ambiente freuen, das ich geschaffen habe. Apricotfarbene Wand, neue Bilder in Rahmen. Und nach dem Wechsel nach draußen geht das Schreiben auf einmal wieder viel zügiger!

Sonntag, 18. Oktober 2015

Warum sich viele nicht abgrenzen können

Die Besucherkatze, inzwischen wohlgenährter
Aus gegebenem Anlass hatte ich den Kurs "Abgrenzen", der an diesem Wochenende im Kloster Heiligkreuztal stattfand, abgesagt. Dabei ist das Thema natürlich nach wie vor hochaktuell für mich. Auf Anhieb habe ich dazu den Artikel einer Psychologin und Psychotherapeutin gefunden, die den Komplex kurz, prägnant und übersichtlich darstellt. Abgrenzen Es lässt sich auf eine ganz einfache Formel bringen: Wer in seiner Kindheit und Jugend immer wieder Grenzüberschreitungen ausgesetzt war, wird sich auch später im Erwachsenenalter schwer abgrenzen können. Er wird auch die Grenzen anderer verletzen, weil er kein Gespür für die eigenen hat. Selbst das früher übliche "Teller aufessen" ist eine solche Grenzverletzung und alles, was einem Menschen gegen seinen Willen aufgedrückt wird. Woran merke ich, dass meine Grenzen verletzt wurden? Ich spüre Ärger, habe ein Ziehen im Bauch, fühle mich unwohl und über den Tisch gezerrt. Was hindert mich daran, mich dagegen zu wehren? In erster Linie sind es Schuldgefühle. Viele Menschen auf der Welt müssten hungern, und du isst nicht mal das, was auf deinem Teller liegt. Was, ihr feiert grundsätzlich kein Weihnachten? Dann bringe ich dir aber ein Tannenbäumchen mit, sonst ist das doch so traurig. Woran merke ich, dass ich die Grenzen anderer verletze? Wenn sie ein Gespür dafür haben, werden sie sich dagegen verwahren. Wenn nicht, werden sie alles tun, was andere von ihnen verlangen. Während meiner beruflichen Tätigkeit als Sozialtherapeutin habe ich gelernt, mich abzugrenzen. Manchmal genügt es schon, wenn man mehr Nachdruck in seine Stimme legt. Dadurch werden die wahren Gefühle sichtbar, die man in einer bestimmten Situation hat.

Zur Zeit erlebe ich eine ziemlich skurrile Art der Grenzverletzungen. Seit Wochen bekomme ich täglich Besuch von einer streunenden Katze. Anfangs wusste ich nicht, was sie eigentlich von mir wollte. Sie miaute vor der Tür, und wenn ich sie öffnete, kam sie herein geschossen und lief gleich wieder hinaus. Es dauerte eine Zeit, bis ich begriff, dass ich ihr oben auf der Terrasse meiner Nachbarin etwas in die Schüssel tun sollte. Da saßen schon zwei Katzen da, diese weiße, dünne und eine dickere schwarze. In den nächsten Tagen sprach ich mit meinen Nachbarn und erfuhr, dass sie eine Nummer im Ohr hätte und und zu einem Haus in der Nähe gehören würde. Ich solle die Katze wegjagen, wenn sie aufdringlich wird. Die Besuche wurden fortgesetzt. Die Katze miaute so herzzereißend, dass ich weich wurde, sie hereinließ und ihr draußen Reste zum Essen hinstellte. Nach dem Futtern verschwand sie sofort wieder. Jetzt war also klar, was sie wollte. Ausschlaggebend war dann der Umstand, dass ich sie morgens zusammengerollt in einem Busch fand. Jetzt war mein Mitleid vollends geweckt. Sie wurde zutraulicher, schlief auch einmal in der Wohnung, als es draußen bitter kalt war. Aber ihr Verhalten gefiel mir nicht. Sie schnurrte nicht, schleckte sich die ganze Zeit nur ab und zerkratzte mein Sofa. Ich habe ihr dann das, was ich an Katzenverträglichem da hatte, rausgestellt. Einmal kaufte ich sogar Katzenfutter. Kein gutes Arrangement, ich weiß. Ich hätte versuchen sollen, den Besitzer ausfindig zu machen. Meine Nachbarn gaben ihr nichts mehr, deshalb wurde die Belagerung meiner Tür immer stärker. Sie trappelte mit den Füßen, um den Milchfluss anzuregen. Einmal lag eine tote Spitzmaus im Garten, und einmal ohrfeigte sie die schwarze Katze barbarisch, weil die auch in meine Küche wollte. Wann immer ich eine Tür zum  Lüften öffnete, kam sie schon herein wie ein weißer Blitz, selbst spät in der Nacht. Ich glaube, dass sie es mit ihrem Verhalten in der ganzen Nachbarschaft versaut hatte, denn die Belagerungszeiten bei mir wurden immer länger. Sie sprang auf den Stuhl, miaute, sie haute mit den Pfoten gegen die Scheibe und riß mit den Zähnen an der Türfassung. Als das nichts fruchtete, sprang sie auf Fensterbrett und miaute in die Wohnung rein. Heute hatte ich die Schnauze gestrichen voll. Ich habe die Tür aufgemacht und sie angeherrscht, dass sie jezt endlich mal verschwinden solle. Das habe ich noch mal wiederholt, und erst dann hat es gewirkt. Sie trollte sich dann zur Nachbarin hinauf.

Dienstag, 13. Oktober 2015

Das Weißkittel-Drama

Es gibt auch noch ganz andere Gründe für Schreibblockaden als die Unstimmigkeit des Plots, die Angst vor Misserfolg oder der Zeitmangel wegen des Ebook-Marketings. So können es, und das bestätigen Schreiberfahrene, auch Widrigkeiten im persönlichen Umfeld sein, die einen vor dem leeren Monitor hocken lassen. Vor einiger Zeit hatte ich über die Zustände der medizinischen Versorgung vor allem auf dem Land berichtet. Da ging es um die fehlenden Praxen und die totale Überlastung der Hautärzte. Es endete damit, dass dem Patienten in der Notaufnahme des örtlichen Krankenhauses die doppelte Dosis Cortison verabreicht wurde, und schon ein paar Tage später war der ganze Spuk vorbei. Zur Nachuntersuchung hatten wir noch einen Versuch frei, in der benachbarten Bischofsstadt. Der Schuss ging ebenfalls daneben.

Nun, neue Krankheit, neue Weißkittel-Erfahrungen. In einer Universitätsstadt wie Tübingen mit ihren berühmten Unikliniken würden wir bestimmt auf der sicheren Seite sein. Wenn ich mich auch vage daran erinnerte, dass die Zahn- und Kieferklinik, zu der uns ein Not-Zahnarzt einmal schickte, abends einfach geschlossen war. Nun, die Öffnungszeit wurde auf der Homepage "bis 17.00" angegeben, so dass wir uns um Punkt drei dort einfanden. Überall mürrische Gesichter, ein ausgestreckter Zeigefinger zur Uhr: "Wir haben bloß bis 15.00 Sprechstunde!" Eine kleine Chinesin im blauen Kittel hatte dann ein Erbarmen. "Müssen hier warten, ich kläre das." Wir sollten zur BG, der berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik auf dem Berg, dort würden wir erwartet. Wurden wir aber nicht, sondern mussten zur Anmeldung. Sehr freundlich, man hörte sich die Sorgen des Patienten an. Dann mit dem Fahrstuhl, der schwer zu finden war, auf die Station. Dort hatte man von Tuten und Blasen keine Ahnung. Warten vor dem Arztzimmer. Nach zwei Stunden wollten wir gehen, aber dann wurde der Arzt angerufen (zu Notfällen unterwegs). Nochmal warten. Um 17.00 kam der Wagen mit dem Essen, genau derselbe wie anno dazual, als die Autorin noch ihr freiwilliges soziales Jahr in derTübinger Orthopädie machte. "Heute Currysuppe" stand da drauf. Jetzt ging gar nichts mehr. Als wir zum Ausgang strebten, kam der Stationsarzt plötzlich um die Ecke. Sehr freundlich, sehr kompetent, auch der Ober- und der Chefarzt. Untersuchung, diagnostische Verdachtsäußerungen. Wenn der Patient am nächsten Morgen um Punkt 8 da sei, käme er sofort dran (in der Zahnklinik), sonst müsse er bis zu 5 Stunden warten. Wegen überlanger Staus wurde es dann doch 8.15, woraufhin der Modus "Warten" wieder angesagt war. Der diensthabende Arzt hatte keine Ahnung, was er tun sollte, obwohl auf der Überweisung alles drauf stand-Computertomografie usw. Im Gegenteil, er überschüttete den Patienten mit Vorwürfen, dass er erst jetzt gekommen sei. Dabei hatten alle Ärzte das Ding nicht für etwas Ernsthaftes gehalten und zum Abwarten geraten. Horrorvorstellungen! Wie halten andere, noch viel schlimmer Kranke denn so etwas aus? Neues Spiel über Krankenhaus-Notdienst und Hausarzt. Nein, leider führt kein Weg an Tübingen vorbei. Diesmal die HNO auf dem Schnarrenberg. Und welch ein Wunder, der Patient musste eine Nummer ziehen, kam fast sofort dran, und schwupp!, hatte er einen Termin für Donnerstag zur Operation. Und die Moral von der Geschicht: Überleg dir genau, welche Krankheiten du bekommen willst! Frauen - und Zahnärzte gibt es zuhauf. Alles andere kann dir den Besuch eines Horrorfilms ersparen, in dem ein Patient stunden- und tagelang durch aseptische Flure torkelt, von abwechselnd netten und bösen Gesichtern angestarrt und belehrt wird, zusammenbricht und schließlich im Parkhaus aufwacht, aus dem er dann nicht mehr herausfindet.

Sonntag, 11. Oktober 2015

"Der eilige Gral der Ebookwelt"

In den letzten Tagen habe ich mir wiederholt überlegt, warum in letzter Zeit alles zu stagnieren scheint. Und kam zu dem Schluss, dass es nicht die Umstände sind wie der Herbst, der jetzt mit Macht und Hochnebeln angedampft kommt. Es scheint alles zu stagnieren, weil sich bei mir zu viel um die Sichtbarkeit (und damit die Vermarktung) der E-Books dreht. Das und die Veröffentlichungsprozesse haben seit Monaten meinen Schreibfluss, in dem ich eigentlich so dreizehn, vierzehn Jahre lang drin war, paralysiert. Dazu fand ich noch einen erhellenden Artikel der Plattform Sobooks vom Januar dieses Jahres. Ein Blogger namens Sascha Lobo beschreibt das Problem, wie Bücher, insbesondere Ebooks, vom Leser eigentlich gefunden werden sollen. Man kann sie ja nicht hochhalten oder sehen, wie andere Leute es lesen. Es liegt in keiner Buchhandlung oder wenn, dann nur in den digialen Regalen dieser Buchhandlungen via Tolino und anderer Distributoren. Und auch dort sind sie schwer zu entdecken, weil es keinen Stapel gibt. In den Buchhandlungen entdecke ich Bücher, wenn ich mir sehr viel Zeit nehme beim Stöbern. Wenn ich wenig Zeit habe, nehme ich die Bücher, die mir ins Auge fallen. Und darum dreht sich der Großteil des Problems, nachdem alle anderen Hürden erfolgreich genommen sind: Das Schreiben eines Buches, das Finden eines Verlages oder einer Agentur, das Lektorat, das Cover, der Klappentext. Und dann eben die Vermarktung. Das Gleiche gilt für die selbst publizierten Ebooks. Schreiben, Lektorat, Korrektorat, Cover, Klappentext. Und dann eben wieder die Vermarktung. In dem Blogartikel kommt der Autor zum Schluss, dass folgende Kriterien wichtig wären, um Bücher/ Ebooks sichtbarer zu machen:

. soziale Medien und E-Books müssen viel näher zusammenrücken: Bücher in den Newsfeed!
• die (digitale, soziale) Beziehung zwischen Autoren und Publikum ist einer der wichtigsten Schlüssel
• die Empfehlungsmöglichkeiten zwischen Lesern müssen technisch vereinfacht und qualitativ verbessert werden
• die essentiellen Diskussionen um Bücher brauchen einen organischen, nachvollziehbaren Ort
• und das E-Book braucht eine neue, zusätzliche Form des Leseerlebnisses, weil bisher Abgeschiedenheit Trumpf ist.

Das klingt plausibel. Und ich meine, so etwas schon vor Jahren bei einer meiner werten Blognachbarinnen gelesen zu haben. In den zahlreichen Kommentaren zu dem Artikel die ich quergelesen habe, kommt der Einwand: Ich lese aber im Zug und sonstwo nicht, um das Erlebnis mit anderen zu teilen! Ich will meine Ruhe haben beim Lesen. Nehmen wir einmal an, ich nehme mit meinem Buch an verschiedenen Leseforen teil und teile auch meine Erfahrungen als Leserin in solchen Foren. Dazu unternehme ich andere Aktivitäten, um mein Buch unter die Leute zu bringen. Das Ergebnis wäre eindeutig: Ich hätte noch viel weniger Zeit und Energie, neue Bücher zu schreiben. Es sei denn, ich würde das mit anderen zusammen machen. Ich will aber auch beim Schreiben meine Ruhe haben, denn sonst wäre ich ziemlich total in der digitalen Welt gefangen, was ich nicht will. Habe ich nicht immer gesagt, es gebe eine Realwelt neben der digitalen?

Ich weiß noch nicht so richtig, was ich machen werde. Ein Satz haftet mir im Gedächtnis, den ich einst bei unserer Kollegin Sabine Schäfers las: Autoren, die aufs Ranking starren. Und ich meine, Matthias Matting habe kürzlich erwähnt, dass er jemanden kenne, der nicht mehr schreiben könne vor lauter Rankinggucken. Vielleicht sollte ich alle Favoriten löschen, die sich damit befassen. Und mich in Zukunft nur noch mit den Dientleistern verbinden, die meinen Büchern die für sie maximale Sichtbarkeit verschaffen können, egal ob digital oder gedruckt.

Demnächst in den Onlineshops von Thalia, Weltbild, Hugendubel und vielen mehr: