Unlängst sah ich zufällig einen Beitrag im Fernsehen, auf einem dieser Info - und Kulturkanäle. Da hatten sie in Südamerika unter anderem Tontöpfe mit keltischen Mustern, Figuren, Inschriften und Steinschleudern gefunden, die denen aus dem europäischen Raum auffallend ähnelten. Nun, sie haben keinen Beweis dafür gefunden, dass Kelten und Phönizier schon lange vor Kolumbus nach Südamerika segelten. Mich interessierte an diesem Bericht etwas anderes. Die Höhlenmalereien von Lascaux und weitere Beispiele wie die Mammutelfenbeinfiguren aus dem Lonetal fielen mir ein. Wie kommt es, dass Menschen auch nach Hunderten oder Tausenden von Jahren Botschaften hinterlassen können, die von der Nachwelt "gelesen" werden? Es kommt daher, dass der Mensch schon immer in der Lage war, von sich selbst und seinem Leben zu abstrahieren und Kunst herzustellen. Es scheint eine Frage von Urheber und Rezipient zu sein. Ein Autor ist undenkbar ohne Leser, ein Leser undenkbar ohne Autor. Wenn man sich dazu die heutige Situation von Autoren anschaut, stellen sich viele Fragezeichen auf. Vieles von dem, was man gerade zu hören und zu lesen bekommt, könnte einem die Freude am Schreiben vermiesen. Die Klagen einer Self Publisherin liegen mir noch in den Ohren. Sie stellte fest, dass sie alle drei Monate ein neues Buch auf den Markt bringen müsste, um mit dem Tempo des Marktes mitzukommen. Am Anfang stehe immer die Kurve, die vielleicht in 1-3 Tagen hoch sei und dann unweigerlich nach unten gehe. Ähnlich ist es auch mit den Verlagsbüchern im Buchhandel. Was sich nicht innerhalb eines Monats verkauft, wandert schon bald ins moderne Antiquariat. Die Kurve nimmt keine Rücksicht auf dich. Aber irgendetwas stimmt doch dabei nicht. Wer hat da was wann falsch gemacht? Die Verlage, die Autoren, die Leser, die Erfinder von immer neuen Techniken, die Buchhandlungen, die Agenten, die Online-Riesen, die Vertreter, das Feuilleton? Die Antwort, die ich mir gebe, ist folgende: Sie sind alle gleichermaßen beteiligt, weil sich (fast) alle der Entwicklung angepasst haben. Bei Denis Scheck, so wurde mir erzählt, trat kürzlich ein Autor auf, der alles noch mit der Hand schreibt und eine Wohnung voller gedruckter Bücher hat. Bie den meisten jedoch dreht sich alles, nicht nur bei Büchern, nur noch um "billig", ich nehme uns da gar nicht aus. Und bei dem Versuch aller, sich den billigsten und gleichzeitig dicksten Teil des Kuchens aus der Torte zu reißen, kann es einzig und allein darum gehen, die Gewinne daraus gerecht zu verteilen.
Gestern, an einem Frühlingstag mit wolkenlosem Himmel, hatten wir ein Aha-Erlebnis. Nach einem Spaziergang am Rand der Alb landeten wir wie schon so oft in einer unserer Lieblingsstädte, in Reutlingen. Wie immer, statteten wir auch der Buchhandlung Osiander einen Besuch ab. Ja, es ist inzwischen ein Genuss für mich, zwischen den Räucherstäbchen und Tassen auch Sessel mit lesenden Menschen zu sehen. Dabei wird es immer schwieriger für mich, in den Tausenden von gleichfarbigen Büchern etwas Ansprechendes zu finden. Meistens lande ich bei Reiseberichten und regionalen Reisebüchern. Bevor es losgehen konnte, fuhren wir mit dem Aufzug nach oben, um gewisse Örtlickkeiten aufzusuchen. Dort landeten wir aber nicht, sondern in einem Stockwerk, das wir noch nie zuvor gesehen hatten. Da lagen Tausende von Büchern in Sammelkästen, der buchhandlungseigene Flohmarkt, auf dem man Bücher zwischen ein und 10 Euro erstehen konnte. Und was habe ich dort gefunden? Alles, was ich unten schon lange nicht mehr finde. Ich fand einen Baden-Baden-Krimi von Rita Hampp, der mir sehr gut gefällt, weil ich auch was von der Umgebung und der Stadt sehe, zwei Bücher von Wulf Dorn, dessen Kommen und Gehen ich überhaupt nicht mehr mitbekommen hatte, einen Thriller des Pompeji-Autors Robert Harris sowie einen historischen Krimi von Petra Ölker. Nachdem ich vor lauter Leseverzweiflung schon auf literarische Texte aus dem 19. Jahrhundert umgeschwenkt war, bedeutet das für mich einen inneren Vorbeimarsch.
Hier noch ein leidenschaftliches Plädoyer für uns Autoren von Nina George: Schatz, wir müssen reden.
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