Es drängt mich, eine
Geschichte zu erzählen, weil es eine unendliche Geschichte ist und
weil ich viel aus ihr gelernt habe und immer noch lerne. Es geht um
ein Tier, das vor einem halben Jahr urplötzlich in mein Leben
getreten ist und mich seitdem nicht mehr loslässt. Zum Hintergrund
muss ich sagen, dass ich mit Hunden aufgewachsen bin. Meine Eltern
hatten zunächst einen wilden schwarzen Dackel, später einen Collie
und weitere Collies im Lauf ihres Lebens. Letztere waren durch die
Bank lieb und gelehrig, und natürlich liebten wir Kinder sie sehr.
Als mein Sohn klein war, übernahmen wir einen Schäferdackel aus dem
Bekanntenkreis, der als „neurotisch“ bezeichnet wurde, dabei aber
mehr für Heiterkeit sorgte als für Verdrusss. Er hatte den Kopf
eines Schäferhundes, den Körper eines Dackels, Kommodenbeine und
einen gebogenen Schwanz. Vor allem aber hatte er die Seele eines
Schäferhundes, denn er ging gern auf die großen Doggen los –
wobei ihn einmal nur der Einsatz meines Stiefels vor größerem
Verbiss retten konnte. In der WG, in der ich mit einer anderen Mutter
und unseren Kindern später lebte, hatten wir ganz junge Katzen, die
noch in die Blumentöpfe kackten, aber sonst oft schnurrend auf dem
Sofa lagen. Und so waren mir alle fremden Katzen danach begegnet,
nämlich um die Beine streichend, schnurrend und völlig problemlos.
Denn auch wenn sie uns manchmal meilenweit in den Wald folgten,
gingen sie dann auch wieder nach Hause.
Diesen
Eindruck sollte ich
vollkommen revidieren. Vor etwa einem halben Jahr, im Sommer, stand
plötzlich eine weiße Katze vor meiner Terrassentür und miaute
herzerbarmend kläglich. Als ich öffnete, sauste sie herein und gleich
wieder hinaus. Das wiederholte sich einige Male. Es dauerte einige Tage,
bis ich herausgefunden hatte,
dass meine Vermieterin oben sie gefüttert hatte und die Katze nun
wollte, dass ich die Töpfe füllte, wenn die andere nicht da war. Das
habe ich nicht getan. Von der Vermieterin erfuhr ich dann, dass die
Besitzer ein paar Straßen weiter wohnten und sie versorgten und mit
ihr zum Arzt gingen, sie aber nicht in der Wohnung halten könnten.
Ich sollte bald wissen, warum nicht. Wir wurden sie nämlich nicht mehr
los.
Seit diesem Zeitpunkt sitzt sie Tag und Nacht irgendwo vor dem Haus,
und sobald irgendwo eine Tür aufgeht, rennt sie herbei und will in
die Wohnung flitzen. Im sozialen Netz wurde mir unter anderem der Rat
gegeben, sie mit kaltem Wasser zu übergießen, das würde sie
wahrscheinlich für immer vertreiben. Vielleicht wäre die Sache anders
gelaufen, wenn ich
nicht davor zurückgeschreckt wäre, es war ja Sommer und sehr heiß.
Auf jeden Fall hat diese Katze es geschafft, sich in die Herzen aller
Nachbarn einzuschleichen, sodass sie immer runder wurde und im Garten
plumpe Sprünge machte. Der Besitzer konnte sie immer noch nicht in
der Wohnung halten. Sie wurde immer offensiver, kratzte wie wild an
der Tür, sprang an den Scheiben des Fensters hoch und miaute so
markerschütternd, dass ich schließlich dem Rat einiger anderer
folgte und ihr draußen was zum Essen hinstellte, Trockenfutter und
auch Nassfutter. Dann ging sie auch wieder, war aber kurze Zeit
später wieder da. Wenn ich mal kurz lüften wollte und sie es
schaffte hereinzukommen, raste sie sofort in die Küche und trippelte
vor dem Kühlschrank herum: (ich weiß: Muttermilchproduktion fördern!).
Andere
Male schlich sie sich heimlich rein und lag dann plötzlich auf
meinem Bett. Mein Vermieter riet mir immer wieder, sie
rauszuschmeißen. Bei denen holte sie sich nur das Futter ab. Ich
schmiss sie also so lange raus, bis sie nicht mehr so unverschämt
draußen herumtobte, sondern still und friedlich, manchmal
stundenlang, vor der Tür saß und wartete. Sie schlief auch immer im
Gebüsch um das Haus, was ich an Blättern und Erdbröckchen an ihrem
Fell feststellen konnte. Die meiste Zeit des Tages verbrachte sie
abwechselnd auf einer Bank unter meinem Fenster und vor der Tür der
Vermieterin. Sobald sie drinnen was hörte, kam sie herbeimiaut. Nun,
schließlich hatte ich sie soweit, dass sie Besuche machen durfte,
auch mal auf einer Decke übernachten, wenn sie patschnass im Regen
stand – aber dann musste sie auch wieder gehen. Gefüttert habe ich
sie dann nicht mehr. Übrigens ist sie sauber, kackt nirgends hin und
ist überhaupt nicht agressiv, wenn ich sie wieder raustrage.
Im Januar kam dann der
Winter. Hm, dachte ich, bei der Kälte und dem Schnee wird sie nicht
Tag und Nacht draußen herumlungern. Pustekuchen! Sobald ich mit dem
Auto angefahren kam, lief sie mir schon entgegen, als wüsste sie,
wann ich zurückkommen würde. Dann kam der schwere Schneesturm. Sie
drosch mit den Pfoten auf die Tür ein, schrie zum Fenster herein und
schaute mich mit großen Augen flehentlich an. Ich hatte inzwischen
einen leichten Verfolgungswahn entwickelt und sah sie immer und
überall in der Wohnung herumhuschen. Ich bin noch nie gestalkt
worden, aber so musste sich das für ein Opfer anfühlen. Dabei
merkte ich immer wieder, dass sie eigentlich etwas anderes suchte als
Futter. Trotzdem ließ sie sich ungern streicheln, saß immer wieder
mit geschlossenen Augen da, strich um die Stühle und strebte zum
Kühlschrank. Jetzt wollte ich, dass sie endlich, endlich zu ihren
Leuten zuückging, ließ die Rolladen herunter und bewarf sie mit
Schnee, als sie weiter an Tür und Fenster ramenterte. Keine
Reaktion, rannte zwar weg, war aber gleich wieder da. Ich probierte es
auch mit Wasser und mit einer kleinen Ohrfeige (die hatte sie selbst
mal einer anderen Katze gegeben, die herbeigeschlichen war), mit
Schreien, Rufen und neinnein und Heben des Fußes, wenn sie
reinwollte. Darauf reagierte sie nämlich schon, lernte zum Beispiel,
nicht einfach aufs Bett oder aufs Sofa zu springen, wenn sie mal hier
war. Statt dessen versteckte sie sich hinter der Schlafzimmertür oder
unter dem Bett, damit ich sie nicht rauswerfen konnte. Ich warf sie
hinaus, es stürmte und schneite, und als ich zur Mülltonne ging und
sah, dass sie weg war, atmete ich erstmal durch. Dann traf mich der
Schlag, als ich sie auf meinem Bett liegen sah, war und trocken und zufrieden schnurrend. Ich dachte schon, sie
wäre durch die geschlossene Tür hereingekommen!
All diese Gewalttaten, für
die mich Katzenliebhaber sicher lynchen würden, haben aber ihrer
Zuneigung keinen Abbruch getan. Gestern war sie wieder hier, streckte
sich auf der Bank und schnurrte, als sie mich sah. Ich habe alle Türen
zugemacht und mich auf den Boden im Flur gesetzt. Sie guckte die
Küchentür an, starrte auf die Schlafzimmertür, legte sich hin,
stand wieder auf, strich mir um die Beine, schnurrte, trippelte,
untersuchte die Abstellkammer und fand schließlich den Karton mit
dem Trockenfutter. Den rugelte sie solange herum, bis er umfiel. Es
kam aber nichts heraus. So verlegte sie sich darauf, ein wenig an
meinen Fingern auf dem Boden herumzunagen. Dann bat ich sie zu gehen,
was sie auch tat. Heute morgen saß sie auf dem Gatter unterm
Briefkasten eingeklemmt und miaute mir ins Schlafzimmer hinein, nur
weil sie die Wasserspülung gehört hatte. Am Mittag habe ich mir
überlegt, dass Liebe ja auch bei Katzen sicher durch den Magen geht.
Ob die Reste der Fischstäbchen, die ich aus purer Faulheit gegessen
hatte (immerhin die von Iglu, denen haben sie im Fernsehen noch die
beste Güte verpasst) sie vielleicht abschrecken würden? Und
tatsächlich, sie verschmähte sie wie auch die anderen Katzen, die
öfter draußen vorbeikommen und wieder verschwinden. Vorhin war sie
wieder da und schaute mir erwartungsvoll entgegen. Ich brauchte ihr
nur die Fischstäbchen zu zeigen, damit sie schleunigst Reißaus
nahm! Fazit: Diese Katze ist mir
sehr ans Herz gewachsen, ich finde sie unheimlich süß, wie man
unschwer meinen Schilderungen entnehmen kann. Ich möchte aber, dass
sie meine Grenzen respektierten lernt! Und ich glaube, dass ich
selten einen so langen Blogartikel geschrieben habe.
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