Dienstag, 27. Juli 2010

Sachbuch oder Krimi?



Das frage ich mich in diesen Tagen, und vielleicht wird es sich der eine oder andere Leser auch schon gefragt haben: Was schreibt die Autorin als Nächstes? So viel sei verraten: Sie beschäftigt sich immer noch mit dem Bodensee, von Meersburg geht es jetzt zur Insel Reichenau. Das ist jedoch Schauplatz von beidem ... Der Schmetterling, ein Schwalbenschwanz, den ich nach einer atemlosen Jagd auf einer Wacholderheide der Alb aufnahm, soll über die Wartezeit hinweghelfen.

Sonntag, 25. Juli 2010

Ver-rückte Autoren

Das, was Petra van Cronenburg auf meinen letzten Eintrag in ihrem Blog beantwortet bzw. den umstehenden bunten Autorenhäusern zugerufen hat, ist mir wie aus der Seele geflogen.
Auch ich würde heute jedem, der veröffentlichen will, empfehlen, sich erst einmal auszutoben, so wie man sich austobt, bevor man sich "ewig" bindet. Heutzutage sind das ja die Junggesellenabschiede, die diese Funktion übernehmen. Vielleicht kann ich noch mal kurz-und sehr subjektiv-zusammenfassen, wie ich diese ganzen Phasen erlebt habe. Ich erinnere mich genau, dass ich früher sozusagen"mit glühenden Ohren und fliegendem Atem" schrieb. Es war - und ist -ein besonderer Rausch, ein Glücksgefühl, das aus dem Bauch kommt, wahrscheinlich vom Solarplexus, den ich an dieser Stelle vermute. Es warf mich, für die Dauer des Schreibens, immer aus der Realität, und das ging weiter, bis ich mir Orte aussuchte, die mich wieder dorthin zurückbrachten, Cafés zum Beispiel, die ich vor meiner Arbeit am Nachmittag besuchte. Als Übergang schrieb ich auch dort. Während der Romane war ich immer halb weggetreten, weil ich mir neue Szenen ausdachte. Dann wurde ich manchmal gefragt: Wo bist du denn grad? Naja, in der Provence...in einer anderen Stadt, in einer anderen Zeit.

Mein erster Roman war unfertig, als ich ihn aus lauter Ungeduld schon anbot.
Die Lektoren von Klett-Cotta gaben mir wertvolle Hinweise und fanden ihn auch teilweise sehr schön. Da habe ich mich noch mal gewaltig auf den Hosenboden gesetzt und ihn fertig geschrieben. Aufgrund des Exposés hat ihn der vierte oder fünfte Verlag genommen-und mit dem Lektorat ihn in drei Monaten zusammen mit mir auf Hochglanz gebracht. Erst heute waren wir bei einem Ausflug in Lahr, wo dieses Lektorat seinen Anfang nahm. Bevor ich den Vertrag bekam, hatte ich schon den zweiten Roman angefangen. Es ist also, wie es der geneigte Leser schon ahnen wird, eine Geschichte der Ungeduld und der "kreativen Fülle". Dieser zweite Roman wurde sofort von einem anderen kleinen Verlag genommen, wieder ein Treffen, wieder ein Lektorat. Nur standen die Bücher nicht in den Buchhandlungen, wie ich zerknirscht bemerkte.

Eigentlich wollte ich mal weg von den historischen Romanen -und schrieb einen Gegenwartsroman mit Vergangenheitsbezug. Darin war aber nun wieder-vertrackt-ein historischer Roman verborgen, mit dem ich schließlich bei einer Agentur landete. Mithilfe dieser Agentur kamen zwei Bücher für fast ein Jahr in die Buchhandlungen und verkauften sich sehr gut. (Der dritte steht noch aus). Das hat meinem Schreiberego natürlich sehr gut getan. Dass der historische Roman langsam das Ende der Fahnenstange erreichen würde, wusste ich ziemlich bald, denn der Markt war übersättigt. Das ist der Moment, in dem ich mich gerade befinde. Die Schere, die es noch zu knacken gilt, heißt: Genrewechsel sei schwer und ohne Pseudonym fast nicht zu schaffen! Deshalb probiere ich gerade so viel herum mit Kalendern und Anthologie und Baden-Württemberg-Projekt. Das Gefühl des Solarplexus kam übrigens mit meiner "Pilgerin" zurück, weil ich mir das Thema ganz allein ausgesucht und ohne Verlagsaussicht geschrieben habe. Da dachte ich nicht: oh, diese exotischen Schauplätze gehen aber nicht, oh je, was werden sie zu den Landschaftsbeschreibungen sagen, ui, da ist ja ein Fantasy-Element drin-nein, ich habe gedacht, wenn das jemand liest, dann liest er es gern. Ebenso war es mit dem Letzten, dem Florenz-Roman. Der war wieder so ganz meiner. (Aber e i n e n Roman konnte ich nicht schreiben, weil das 18. Jahrhundert "nicht geht". Jetzt geht gar nichts mehr mit Historischen, seltsamer Ausgang eines millionenfachen Geschäfts!) Und ich relativiere meine Aussage: Der Traum vom Schreiben ist ausgeträumt in: Falsche Träume und falscher Rat können in den Frust führen, wenn nicht gar in den Burnout. Ab und zu ist Innehalten angesagt und eine Bilanzierung des Erreichten. Und ob das noch mit dem, womit man angetreten ist, zusammengeht und harmoniert.

Samstag, 24. Juli 2010

Des Schreibens Ruf an uns wird niemals enden!

Eigentlich ist er ja ausgeträumt, der Traum vom Schreiben, den ich einmal hatte. Was war das für ein Traum? Es war der Traum vom eigenen Buch. Ob man, wenn man mehrere Bücher veröffentlicht hat, noch weitere Träume hegt? Wollte ich berühmt werden, viel Geld verdienen? Nein, eigentlich nicht. Ich wollte, dass das, was ich geschaffen hatte, gewürdigt wird. Und das will ich immer noch. Jetzt, nach diesen Veröffentlichungen, geht es mehr denn je darum, was ich weiter mit meinem Schreiben erreichen will. Und wie ich mit meinen Ressourcen umgehen kann, um weiter das schreiben zu können, was ich schreiben möchte.
Den ersten Schritt habe ich schon getan: Ich bin zur Freiluftschriftstellerei meiner früheren Tage und zum grünen Notizbuch zurückgekehrt. Als nächstes musste ich entscheiden, welchem Ruf welchen Projektes ich als Erstes folge.
Es hat sich, vor einer Woche und heute, in einer Buchhandlung entschieden.
Es gibt da jetzt eine eigene Wand mit Schwabenkrimis. Ich hielt einen Thriller in der Hand und einen Regionalkrimi, der bei uns in der Nähe spielt. Legte sie zurück und kaufte zwei Bücher
"Schwaben. Eine Lese-Verführung"und
"Neue Geschichten und Gedichte aus Baden-Württemberg".
Oh ja, ich würde liebend gern auch mal solche Krimis und Thriller schreiben.
Sie sehen einfach cool aus, wie sie so da stehen, und insbesondere die Krimis sind so dünn, keine 180 Seiten, vermute ich. Aber das momentane Projekt hat sich in den Vordergrund geschoben. Das passt zum Sommer, passt zu unseren Ausflügen, und lesend und reisend gewinne ich immermehr hinzu, was dann Grundlage auch für Geschichten und Romane sein kann. Also bewege ich mich ständig nicht nur im Roman-, sondern auch im Sachbuchgebiet, was dann ja so ganz sachlich auch nicht wird. Schließlich und endlich müssen dafür gute Fotos rausgesucht, von den analogen und Dias gescannt werden. Das ist dann eine schöne Arbeit für Herbst und Winter, und dann ist vielleicht auch Zeit für den nächsten Roman.
Zweitens wirkt das Schreiben, wenn man nicht unter Abgabedruck steht und sich vom Warten auf einen Verlag nicht mehr beirren lässt, auch gut auf die Psyche. Da habe ich es wirklich schön im Augenblick, ich weiß. Wenn mal nach Wochen der Hitze drei Tage Regen angsagt ist, dann kann man sich wie unter eine Dusche hinausstellen, sich runterkühlen und sich sagen: Wie war das doch herrlich, als wir mal -bei trockenem Wetter und gemäßigtem Sonnenschein- in der Wutachschlucht wanderten und in der "Scheffellinde" einkehrten. War da nicht was mit dem Viktor von Scheffel? Ein Gedicht von ihm stand an der Wirtsstubenwand, wie oft er hierher gewandert sei, und eine Liebe war auch da, dann fallen mir Säckingen, der Trompeter und der Kater Hittigeigei ein und das Scheffelschlösschen in Radolfzell am Bodensee. Das kann ich alles verwenden, alles noch einmal besuchen, wenn ich es will, muss es aber nicht. Ja, so kann Schreiben sein.
Dazu kommt die Titelsuche, aber auch sie ohne Krampf. Wozu braucht die einen Titel, wenn sie nicht mal einen Verlag hat, könnte man sich jetzt fragen. Und am Schluss bestimmt ja eh der Verlag den Titel, oft auch das Cover. (Im Übrigen könnte ich mir schon Verlage vorstellen, in deren Programm das Buch dann passen könnte).
Also, nehmen wir mal den Arbeitstitel: "Hinter den sieben Bergen" zum Beispiel, das sagt alles und nichts. Dahinter ist was, aber was? Bei Google sehe ich, dass im Märchen die "Sieben Berge" in Niedersachsen gemeint seien. Außerdem sei das ein Synonym für "hinterwäldlerisch." Upps. Was könnte man noch nehmen? Literarische Streifzüge gibt es zuhauf, alles abgeklappert, historische ebenso, kulinarische sowieso. Fundorte serienweise. Wander-, Rad-, Städteführer. Unterwegs. Fenster zu ...äh, zu was? Szenen? "Berg, Wolke, Wasser und Stein" hieß mal ein Titel einer meiner Geschichten. Ist doch egal, ich weiß ja, was ich schreiben will, und falls es je zu einem Buch kommt, wird der Verlag schon wissen, wie er es betiteln wird.

Freitag, 23. Juli 2010

Kopfreisen




Meersburg, die Traumstadt am Bodensee (Bilder von Anfang Juli)








Wird Zeit, dass ich mich mal wieder blicken lasse!
Ja, es war schön, es war eine tolle Reise-nach Meersburg am Bodensee, im September, wenn die Rebstöcke voll mit Trauben hängen und der See so richtig schön heraufblaut. Eine Kostprobe:

"Sieh drunten auf dem See im Abendrot
Die Taucherente hin und wieder schlüpfend;
Nun sinkt sie nieder wie des Netzes Lot,
Nun wieder aufwärts mit den Wellen hüpfend;
Seltsames Spiel, recht wie ein Lebenslauf!
Wir beide schaun gespannten Blickes nieder;
Du flüsterst lächelnd: immer kömmt sie auf -
Und ich, ich denke, immer sinkt sie wieder!"

Annette von Droste-Hülshoff, Die Schenke am See








Was ich geschrieben habe? Eine Kurzgeschichte, kurze Erzählung über die Dichterin am Bodensee, ähnlich der "Zwischen Abgrund und Apfelbaum" über Mörikes Reise zu Justinus Kerner in Weinsberg. War wie ehedem. Weitere Kopfreisen folgen.

Samstag, 17. Juli 2010

Sommerloch zum Letzten oder: Sex in der Wüste

Ich habe jetzt lange gezögert, meinen Lesern noch mehr Aufmerksamkeit abzuverlangen und ihnen auch noch eine Textpobe zum Lesen zu präsentieren. Ich selber schrecke sehr schnell zurück, wenn jemand in seinem Blog Textproben vorstellt. Es ist einfach zuviel, was man da zum Lesen bekommt! Auf der anderen Seite lebt jeder Autor von Aufmerksamkeit und Kommunikation. Nichts ist schlimmer, als wenn ich als Autorin durch die Welt gehe und niemand nimmt auch nur irgendeine Notiz von mir!
Man ist täglich eigentlich mindestens zwei Stunden damit beschäftigt, seinen Blog einigermaßen interessant zu gestalten und denen anderer und vielleicht auch noch einem Forum halbwegs zu folgen. Dabei bleibt das eigene Schreiben auf der Strecke. Aber das ist eine Ambivalenz: Man weicht damit dem Schreiben aus. Probiert sich, spielerisch. Ich stelle jetzt den Text ein, der von Hitzegraden und Familienkonflikten handelt, die eigentlich keine Science Fiction mehr sind, sondern geradezu schmerzhaft und hitzig Teil unserer gegenwärtigen Kultur. Auch wenn sich seit dem Jahr 2004 die Kommunikationsmöglichkeiten auf Familenmonitore in der Wohnung erweitert haben könnten, mit denen man kommuniziert ... Mit diesem Beitrag
möchte ich mich für ein paar Tage verabschieden.

Sex in der Wüste

Aus der Küche schlug mir die Hitze wie ein Gluthauch der Hölle entgegen. Niemand war zu sehen bis auf eine Kakerlake, die schnell unter dem Spültisch verschwand. Ich holte das aluverpackte Essen aus der Mikrowelle, schleppte mich schwitzend hinüber zu meinem Zimmer, stellte die Schale auf den Computertisch und riss die Verpackung auf. Ah, Königsberger Klopse mit Reis und Gemüse. Das hatte meine Mutter damals noch selbst gekocht; sie machte immer verschlagenes Eigelb dran und einen Schuss Weißwein. Ich klickte auf mein Postfach und passte auf, dass ich mich nicht mit der dicken, weißen Soße bekleckerte.
„Hi, Mom“, stand in der ersten Mail. „Was gibt’s bei dir heute zu essen?“
Ich schob mir ein Stück Klops in den Mund, bevor ich die Antwort schrieb.
„Hi, Sohnemann. Königsberger Klopse. Und wie sieht es bei euch aus?“
Vor dem Abschicken drückte ich auf „Allen antworten.“ Während ich wartete, trommelte ich mit den Fingern einen Wirbel auf den PC-Tisch.
„Bei mir gab’s Monsterburger und Pommes“,schrieb mein Sohn Thomas. „Wenn ich mit meinem Lehrer fertig gechattet habe, schau ich mir den Oldie - Film mit Humphrey Bogart und Lauren Bacell an.“
„Ich hab einen Salat aus dem Kühlfach gegessen.“ Das kam von meiner Tochter Erika.
„Im Kino oder im PC?“, schrieb ich an Thomas.
„Ihr mit euren Dickmachern.“, antwortete Erika. „Und immer sitzt ihr vorm Computer. Ich bin wenigstens in der Tanzstunde.“
„Im Puter“, ließ Thomas wissen.
„Du solltest zur Abwechslung mal die Küche putzen, Erika. Modell Mama hat ausgedient!“
Darauf kam keine Antwort mehr. Jetzt schrieb meine Mutter.
„Evelyn, ich muss doch sehr bitten. Könntest du nicht mal wieder selber kochen?“
„Mutter, du weißt doch ... ich habe einen dringenden Auftrag zu erledigen. Die Konkurrenz schläft nicht.“
Wieder trommelte ich mit den Fingern auf dem PC-Tisch herum. Da war die nächste Mail von meiner Mutter.
„Du arbeitest zu viel.“
Das Blut stieg mir in den Kopf.
„Du hast doch auch bis 75 gearbeitet“, hämmerte ich in die Tastatur. „Und dich liften lassen, damit du noch eine Stelle kriegst!“
Für eine Sekunde erhellte ein Blitz das Zimmer. Was war denn das? Gewitter hatte es schon seit Jahren nicht mehr gegeben, und Atombomben gehörten der Vergangenheit an.
„Einen Mann täte ich schon noch kriegen. Seit zehn Jahren schreiben mein Nachbar und ich uns Emails.“
„Ja, Mutti, hast ja Recht.“
„Den Garten solltest du dringend wässern!“
„Das Wasser ist seit langem rationiert, hast du das vergessen? Die Strafen sind immens hoch.“
„Ich muss mal.“
„Mutti, du drückst einfach auf den Knopf, auf den mit dem Pott. Dann erledigt sich das von selbst.“
Mein Blick fiel aus dem halb offenen Fenster in den Garten. Da standen Dattelpalmen, Zistrosen, Oleanderbüsche und Olivenbäume. Auf der Straße fuhr ein Junge mit blonder Elvis-Tolle auf einem Einrad vorbei. Die heiße Luft vibrierte über dem Beet mit den Atischocken und Auberginen. Außer dem durchdringenden Zirpen der Grillen war nichts zu hören.
„Hallo, Evelin.“ Das war Christian, mein Ehemann. „Ich zerfließe vor Hitze; konnte nichts essen. Erinnerst du dich noch an diese herrlichen Sommer, als das Thermometer selten über 35 Grad kletterte?“
„Ja, das waren noch Zeiten. Wann war das noch? 2005, glaube ich.“
„Also 20 Jahre her. Es kommt mir vor, als wären wir solange nicht miteinander im Bett gewesen. *g*.“
„Liebling“, gab ich zurück. „Erinnerst du dich an den Song ‚Sex in der Wüste’? ‚Jeder denkt das eine, doch dafür ist’s zu heiß.’Aber der nächste Winter kommt bestimmt.*fettgrins*“

Mein T-Shirt klebte mir am Rücken. Ich schaute abermals aus dem Fenster. Über dem Horizont hatten sich Blumenkohlwolken gebildet. Ein Grollen war in der Ferne zu hören. Tatsächlich ein Gewitter. Der Himmel hatte sich schwefelgelb verfärbt; mit hoher Geschwindigkeit strebten massige Wolken heran, tintenblau, erst allmählich, dann immer schneller ins Schwarze übergehend. Das Grollen wurde lauter, einzelne Blitze zuckten. Ein Wind erhob sich, schüttelte die Bäume im Garten, wurde stärker, peitschte Blätter und Staub durch die Luft. Es gab einen einzigen, überstarken, entsetzlichen Knall, der mir fast das Trommelfell platzen und das Haus in seinen Grundfesten erzittern ließ. Ein Geruch nach Schwefel zog durchs Haus. Die Maus reagierte nicht mehr, der Computer leuchtete gelborange, bevor das Bild gurgelnd in sich zusammenfiel. Draußen rauschte der Regen nieder. Thomas stürzte ins Zimmer. Seine kamelbraune Beatlemähne fiel ihm in die Stirn.
„Mom, mein Computer ist komplett abgestürzt!“
„Meiner auch. Komm schnell, wir müssen nach Oma sehen, die hat ein schwaches Herz.“
Wir stürzten zum Zimmer meiner Mutter und rissen die Tür auf. Omas Laptop lag stumm auf ihrem Bett, das von Überwachungsgeräten mit unzähligen Knöpfen und einem Hebekran umgeben war. Aus dem Bad hörte ich Stimmen. Mein Mann stand neben der Wanne, in die sich meine Mutter mit ihrem Rollstuhl geflüchtet hatte. Christian war eben dabei, den Duschhahn zuzudrehen. Der Seidenslip meiner Tochter Erika blitzte unter dem superkurzen, weißen Rock hervor, während sie die Beine der alten Dame mit einem lila Badetuch abtrocknete.
„Wieso musstest du jetzt duschen, Mutter?“, rief ich. „Du weißt doch, es ist bei Strafe ...“
Sie schüttelte ihre nassen Haare, die stellenweise grün gefärbt waren.
„Ich fühlte mich genauso vertrocknet wie die Pflanzen draußen“, sagte sie mit piepsiger Stimme.
„Du hättest mir doch eine Email schreiben können.“
„Das hätte mir zu lange gedauert“, murmelte meine Mutter. „Und überhaupt ...“
„Was überhaupt?“
„Ach, nichts.“
Ein Windstoß klatschte den Regen gegen die Fensterscheiben; er prasselte mit solcher Gewalt herunter, dass die Palmen sich bogen wie wildgewordene Staubwedel. Blätter wirbelten durch die Luft.
„Mir hängt das alles ...“, begann meine Mutter und brach ab. Sie nahm ihren Bademantel vom Wannenrand, wickelte sich hinein, setzte ihren Rollstuhl in Gang, fuhr über die eingebaute Rampe aus der Badewanne heraus und rollte in ihr Zimmer. Wir folgten ihr stumm, unfähig, einen Finger zu rühren.
„Oma“, sagte Erika und versuchte den Rollstuhl festzuhalten. „Wo willst du hin?“
Meine Mutter öffnete die Tür zur Terrasse und fuhr in das nasse Inferno hinein.
„Mutter“, schrie ich verzweifelt, „Wo willst du hin?“
Thomas legte seine Hand auf meinen Arm.
„Lass sie, Mom“, meinte er.
Meine Mutter war innerhalb von Sekunden klitschnass. Das Wasser lief in Bächen von ihren Haaren, ihren Schultern und dem Rollstuhl herab. Unter den immer wieder aufzuckenden Blitzen, den Donnerschlägen hindurch, von herumfliegenden Zweigen und Blättern getroffen, fuhr sie die Garageneinfahrt hinab, auf den Gehweg der Straße und in das Grundstück des Nachbarn hinein.

©Christa Schmid-Lotz, 2004

Mittwoch, 14. Juli 2010

Das verschollene Thriller-Exposé

Möchten Sie wissen, liebe Leser und Leserinnen, warum ich hier so viel blogge und herumplappere? Weil ich noch nicht zu dem Punkt vorgedrungen bin, an dem ich wirklich weitermachen, weiterschreiben kann. Ich stelle mir das ein wenig so vor wie die Angsttriebe, die von Bäumen gebildet werden, denen es auf irgend eine Art an den Kragen geht. Und wenn ich nicht schreibe, ist mir eine wesentliche Grundlage entzogen. Und: Was wird aus meinem letzten Historischen Florenz-Roman? Heute habe ich geschaut, wie lange es im Jahr 2008 gedauert hat, bis der letzte vermittelt war. Etwa zweieinhalb Monate, und zwar nur für das Exposé. Bis Mitte August müsste ich Bescheid bekommen haben. Ich glaube auch, dass ich einen Schritt weitergekommen bin. Warum zieht mich der Bodensee so magisch an, habe ich mich gefragt. Antwort: Weil ich schon seit Jahren fasziniert von dieser Gegend bin (ich habe mal eine Kur in Allensbach gemacht) und weil fast alle meine Romane zu ihm hin oder an ihm vorbeiführen. Auch bei den Recherchen für mein "Großes Regionalprojekt" bin ich nicht daran vorbeigekommen. Und der variationsreiche "Thriller" hat natürlich ebenfalls damit zu tun, ohne ein Regionalkrimi oder -Thriller im üblichen Sinn zu sein.
Jetzt habe ich mir einfach mal einen Tritt gegeben, nachdem ein schönes Gewitter niedergegangen ist, und habe mich meinen Dateien genähert. Auf die fast vergessenen "Offenen Schubladen" geklickt. Und was sehe ich da? Ein fast fertiges Exposé für ebendiesen Roman! Ohne Gedärm, das auch Bäuchen quillt und ohne Blut, das aus Halsschlagadern sprudelt. Ein paar Fliegen könnten allerdings schon eine Rolle spielen, in einem fernen Land, in dem ich schon einmal war ...Wenn dieses Exposé funktioniert, hätte ich weite Strecken davon schon fertig, müsste also nicht jahrelang recherchieren, sondern könnte mich zwischendurch immer wieder einer Einheit des anderen Werkes widmen-und anfangen an dem Ort, der alles bündelt: Dem Bodensee.

Das Grauen im Sommer 2010

Da ich, wie schon an anderer Stelle erwähnt, nur noch heißes Stroh im Kopf habe und das Thermometer schon wieder über die gefährliche Marke hinaus ist, habe ich mal blind nach den beliebtesten Büchern des letzten Jahres geforscht, mit anderen Worten, den Bestsellern.. Reiner Zeitvertreib, denn geordnetes Schreiben ist nicht mehr möglich. Die von mir erwähnte "Chemie des Todes" wird dort auch so angepriesen: Man müsse einen starken Magen haben, um das unbeschadet zu überstehen. Es ist alles voller Grauen und Blut, einschließlich der Vampire. Ein Kind wird an die verwesende Leiche seiner Verwandten gekettet. Die harmlosesten sind noch die Alpen- und Allgäu-Krimis (einen Fall von Kluftinger habe ich mal gelesen). Woher kommt dieser ungeheure Blutdurst? Sind die Leser zu abgestumpft, um immer stärkere Reize zu brauchen? Inzwischen glaube ich etwas ganz anderes. Sie brauchen Märchen. Märchen sind grausam. Das, was die Märchen verschweigen, wird heute als Bestseller gekauft-da läuft einem das kalte Gruseln den Rücken hinunter, nicht nur bei tropischen Temperaturen!

Samstag, 3. Juli 2010

"Ich bin dann mal offline"-ein Trend

Im Börsenblatt vom Mai ist mir ein aufschlussreicher Artikel über die neuen Trends bei Büchern begegnet. Man braucht sich also nicht mehr auf den beschwerlichen Weg nach Santiago de Compostela zu machen oder einen Massai heiraten, sondern kann aus erster Hand Selbsterfahrungen verfolgen, die, wenn es alle nachahmten, wohl zu einer weltweiten Pattsituation führen würden. Wir kennen das ja: Es braucht nur der Strom auszufallen, und schon stehen wir ziemlich hilflos im Finstern.Was haben wir eigentlich gemacht, bevor es Computer, Handy und Co. gab? Man kann sich das heute kaum noch vorstellen. Ich habe bestimmt viel mehr telefoniert und Briefe geschrieben. Und morgens die Zeitung gelesen. Wir saßen zusammen, zu Hause, im Garten oder in der Kneipe und haben miteinander geredet. An der Uni gab es große
Veranstaltungen, landauf, landab Demonstrationen. Das gibt es zwar auch heute noch, jedoch sind der PC und andere Medien längst zu einer alles entscheidenden Größe geworden. Ob wir das uns nicht längst schon selbst gesagt haben? Aber Hand aufs Herz: Würde es uns leicht fallen, ein halbes Jahr auf all das zu verzichten? Oder für immer? Nein, wird jetzt der eine oder andere sagen, kann ich mir nicht leisten, ich hänge beruflich davon ab. Ich auch. Die Alternative heißt, sowohl wie auch beim Schreiben: Papierberge oder bequeme Emails. Meine letzten zehn Jahre basieren auf Emails, ganze Konflikte wurden monatelang damit ausgetragen.
Ich finde es also löblich, wenn sich Autoren dieses Themas annehmen. Vielleicht trägt es sogar zur Rettung des Buchhandels bei, denn wenn wir keine Mails mehr haben, müssen wir doch etwas anderes lesen. Ich frage mich nur, wie dieser Trend -zu Selbstversuchen meine ich-weitergehen wird. Ein paar schöne Titel könnte ich mir vorstellen: Mein Jahr als Vampir. Wie ich zum Mörder wurde. Meine Drogen und ich. Gesundes Kochen mit Genfood uswsf.:-)

Donnerstag, 1. Juli 2010

Mein erster Scheck von der VG Wort!

Der gute alte Briefkasten ist, trotz elektronischen Postfaches, immer noch ein heiliger Ort. Stets öffne ich ihn mit großer Ehrfurcht. Wenn heute das Knöllchen nicht kommt, kommt es wohl nicht mehr. Doch es war ein einziger, ein amtlicher Brief darin. Und dann hielt ich mit großer Freude meinen ersten Scheck von VG Wort in der Hand-Bibliothekstantiemen. Das muss gefeiert werden! Sechs Jahre habe ich darauf gewartet, und im letzten Herbst mich dann noch einmal dort gemeldet mitsamt Pseudonym.
Warum ein so kleiner Anlass ein Grund zu so großer Freude ist? Ich hatte immer gedacht, man hätte mich vergessen. Aber es dauert wohl einfach seine Zeit, und ich bin mehr denn je der Überzeugung, dass man als Autor mehr Geduld haben muss als andere.