Sonntag, 28. Februar 2016

Ein Tag im Leben eines Self Publishers



Eigentlich wollte ich nicht schon wieder einen Artikel verfassen, aber beim Surfen nach Amazon Publishing bin ich auf eine richtig witzige Glosse gestoßen. Da spricht ein Autor kleiner, feiner Verlage von seinem Werdegang und wie es ihm dann mit dem Self Publishing erging. Beide Links stelle ich hier einfach mal ein und kommentiere sie dann mit eigenen Erfahrungen.
Warum Self Publisher nicht die schlechteren Autoren sein müssen.
Ein Tag im Leben eines Self Publishers
Auch wenn es satirisch eindeutig überspitzt ist, kann man sich als Autor mit Verlags- und Self Publishing-Erfahrungen durchaus darin wiederfinden. Es gab ja in der Pionierzeit des Self Publishing die bahnbrechenden Verschenkaktionen. Sie verhalfen einigen selbst Publizierenden zu hunderttausenden von verkauften Büchern mit Einzug in die Verlagswelt. Später waren es dann die Rabattaktionen, die getreu der Philosophie der Buchpiraten die Preise immer mehr verkommen ließen und die Ware Buch zu einem fast kostenlosen Gemeingut zu machen drohte. Bekanntlich habe auch ich es probiert und bin mit der Backlist zumindest eines Verlagstitels auch fast zwei Jahre gut damit gefahren, Rankinggucken inklusive.

Warum scheinen sich Autoren so wohl zu fühlen, wenn ihre Rankings nach oben gehen? Parallel dazu, wenn ihre Bücher in den Buchhandlungen liegen und sich auch gut verkaufen? Müssen sie alle vom Schreiben leben? Sind sie einfach nur geldgeil? Nein. Ich glaube, dass es hier um Wertschätzung der Arbeit geht. Ein Steigen des Rankings verursacht Wohlbefinden, ein Abfallen der Kurve Disharmonie und sinkende Schreibmotivation. Wozu soll ich denn noch schreiben, wenn es doch keiner lesen will? Oder wenn es keiner mehr findet in der Bücherflut? Man muss es benennen: Auch für mich sind die Goldgräberzeiten des SP vorüber. Gott sei`s gelobt und getrommelt hat sich bekanntlich die Tolino-Bücherallianz (April 2015) begründet. Sie will Amazon Flagge zeigen, unterstützt Autoren bei Marketingaktionen und wächst so ganz allmählich aus den Kinderschuhen heraus. Ich bin seit letzten Oktober dabei und durfte schon ein paarmal von diesen Aktionen profitieren. Gerade im Moment läuft noch eine Rabattaktion, die mir kurzfristig wieder rechten Schwung verleihen könnte. Bei Amazon werden die Rankings öfter am Tag aktualisiert, je nach Verkaufsrang. Bei Tolino kann man sich mit seinem Frühstückskaffee zwischen 10.10 und ca. 11.00 Uhr auf die Rankings freuen. Da sieht man dann auch, in welchen Shops sich das Buch verkauft hat. Diesmal waren es statt Weltbild vor allem Thalia und der Link zu Buch.de: http://goo.gl/jB0JJC ,die mein Herz höher schlagen ließen und mir den Tagesbeginn versüßten. WOW, Rankings um die 400 und sogar 48 hatte es bei mir noch nie gegeben! Die letzten beiden Tage der Aktion werde ich einfach nur genießen, denn wir alle wissen, dass es danach wieder ganz gemächlich in den Keller gehen wird.(So, wie die Bücher in den Buchhandlungen ja auch immer schneller wieder verschwinden.) So what, wenn jetzt jemand draufklickt, wird es schon wieder viel weiter unten sein. Aber immerhin ziehen sich Verlags- und Sp-Bücher insgesamt gegenseitig nach oben. So nach dem Motto: Wenn jemand ein Buch gefallen hat, schaut er auch nach anderen Büchern dieses Autors.

Was für einen Rat könnte man neuen Kollegen geben, wenn sie sich heutzutage zwischen Verlags- und Agentursuche oder Self Pubishing entscheiden müssten? Welchen Rat würde ich mir selber geben, wenn ich ganz neu anfangen würde? Ich würde mir sagen, dass ich sämtliche Illusionen, die ich damals hatte, fahren lassen und mir darüber im Klaren sein sollte, dass heute viele Türen zu sind, die damals noch offen waren. Ich bin zufrieden mit dem, was ich erreicht habe, alles andere kann nur ein Zubrot sein. Da ich zur Zeit viel Zeit habe und weder arbeite noch Romane schreibe, habe ich mir mal das Vergnügen gemacht, die Optionen für die verschieden Wege auszurechnen. Lektorat, Korrektorat, Cover und Konvertierung kommen bei Tolino auf ca. 3000 Euro. Ratet mal, wie lange es dauern würde, bis das wieder im eigenen Geldbeutel ist? Mit eigenen Helfern und SP-Lektoren, -Korrektoren und Designern komme ich auf ca. 1000. Das würde bei der momentanen Geschwindigkeit eineinhalb Jahre bis zum Ausgleich brauchen. Rechnet man allerdings das Gesamteinkommen aus den inzwischen schwarzen Zahlen der Verlagsbücher und dem SP-Einkommen dazu, wäre das vielleicht schon wieder eine andere Option. Sozusagen eine Autoren-Selfie-Mischkalkulation. Es stehen ja immer noch der Schwarzwaldkrimi zur Debatte und mein neuer Abenteuer-Thriller.

Noch etwas würde ich Newcomern unter den Autoren ans Herz legen: Wenn sie anders schreiben als die Topp 100-Autoren bei Amazon, sollten sie die Messlatte für ihr SP-Buch niedrig legen. Eine Erfahrung ist beides Wert, Verlag und SP. Aber wenn ich Wertschätzung suche, dann schaue ich mich in meiner näheren Umgebung um. Und melde mich im Juni zu einem Seminar im Kloster Heiligkreuztal an, um etwas darüber herauszufinden, was uns alle so umtreibt.
Wertschätzung und Respekt - tiefste Sehnsucht des Menschen.Wenn ich meine unbesiegbare Schreibbegeisterung weiterhin austoben und Leser erreichen möchte, kann ich mich auch über die 2500 Blogleser monatlich berufen, abzüglich Robotern. Das wären im Jahr 30.000, ungefähr so viel wie alle verkauften Printbücher.
                                                            

Donnerstag, 25. Februar 2016

Im dunklen Tal

Momentan ist es nicht einfach, in den sozialen Medien unterwegs zu sein, ja, auch nur seinen Blog mit etwas zu bestücken, mit dem das Interesse anderer auch nur ansatzweise geweckt werden könnte. Eine Durchsicht meiner Blogstatistik ergab, dass im letzten Jahr die meisten Besucher an solchen Themen interessiert waren: "Grenzerfahrung", "Besser werden", "Osterspaziergang" "Romantische Wege", "Endlich Rente!", "Der Flatrateautor" als "Spitzentitel", "Das Weißkitteldrama", "Kleine Freuden" sowie "Martinsgans"und "Oasen". Im Großen und Ganzen zeigt das Resultat, dass meine Blogleser nach Auszeit-Themen suchen und nicht mit denselben Dingen konfrontiert werden wollen, die ihnen tagtäglich kaum noch erträglich aus Fernsehen, Radio, der Zeitung und den sozialen Medien entgegenschreien. Ich hörte sogar jemanden sagen, er schaue sich inzwischen die Katzen- und Hundebilder bei Facebook lieber an als die Nachrichten und Diskussionen der Medien. Ach ja, meine Besucherkatzenbeiträge waren natürlich auch recht beliebt.

Als ich nun heute so überlegte, was ich in meinen Blog reinschreiben könnte, hörte ich draußen einen Riesenkrach. Ob die Katzen mal wieder einen ihrer herrlichen, verrückten Veitstänze aufführten? Beim Blick aus dem Fenster merkte ich, dass es eine gewaltige Menge Schnee gewesen war, die vom photovoltaikten Dach herabrutschte. Vor lauter Schreck darüber saßen jetzt mindestens zwanzig Meisen am Meisenknödel, so dass er aussah wie ein Igel. Ja, auch die Tierwelt leidet unter vermeintlichen und echten Katastrophen und eilt sich, etwas für ihr Wohlbefinden zu tun. (Für das wir laut Schopenhauer sowieso selber sorgen müssen, weil die Natur uns nur das Dasein gegeben habe). In dieser Situation beschloss ich, die Zeitung heute mal nicht zu lesen, die 12-Uhr-Ausgabe der Tagesschau nicht anzusehen, auch nicht raus und schwimmen zu gehen, sondern stattdessen etwas in meinen Blog zu schreiben. Vorher aber schaute ich noch bei meinen Nachbarblogs vorbei. Und stieß auf zwei Artikel, die in der Lage waren, mich ein wenig zu "erden". Einmal auf den sehr treffenden Beitrag von Annette Weber Elternschock, dann auf Petra van Cronenburgs Blog, in dem ich etwas über meine Situation wiederfand. Launisch, grummelig und trotzdem gut. Aus den Beiträgen ergibt sich für mich, dass sich immer wieder etwas ändert, auch wenn man in der Tiefe des dunklen Tales nicht daran glauben mag. Und dass es gut ist, nicht eingleisig zu fahren, in jeder Beziehung. Gerade habe ich die Lektüre eines Buches beendet, das ich am Schluss ungern aus der Hand legte, was bei mir nicht jedesmal so ist. Und zwar war es das Buch einer Engländerin, die zusammen mit Hape Kerkeling den Jakobsweg gegangen war und diese Erfahrung mit dem Fahrrad wiederholen wollte. Ich bin da noch mal hin. Das Fahrrad hat sie dann irgendwann stehen lassen, weil sie nur noch im Regen auf Autobahnen fuhr, und von da an hatte sie sich das angetan, was sich schon Tausende von Pilgern angetan haben. Die Reise muss ich jetzt nicht selbst, sondern konnte ich mit dieser Autorin machen und auch ihren Erkenntniswert für mich verbuchen. Auf der ersten Reise hatte sie sich nämlich vorgenommen, mehr für andere dasein zu wollen, auf der zweiten merkte sie, dass sie eigentich andere Menschen brauchte, die für sie da sind. Noch ein Fall von dunklem Tal und Wohlsein, das wir uns selbst verschaffen müssen!

Zum Schluss noch etwas für meine Mitautoren und die Blogleser, die nach Wohlfühloasen, romantischen Wegen und kleinen Freuden suchen. Und zu den Oasen, ganz profan. Gestern sind wir bei Wind und trübkaltem Wetter in die alte Bischofsstadt Rottenburg gefahren. Zu unserem Erstaunen war der lebhaft besuchte Bücherschrank verschwunden, statt dessen gähnte ein riesiges Bauloch. Hier wird ein Betonklotz errichtet, der die städtische Bücherei aufnehmen soll. Beim kleinen Osiander auf dem Marktplatz war der Computer ausgefallen, Bücher konnte man nur in bar und ohne Quittung kaufen. Weiter unten ein kleiner Bücherladen, den wir bisher nie beachtet hatten, weil wir ihn gar nicht als solchen erkannt hatten. Das war eine richtige Oase, mit vielen Titeln aller Richtungen und einem Teetisch zum Schmökern. Und als ich nach Hause kam, war auf wunderbare Weise mein "Teufelswerk" sichtbar geworden, ohne dass ich die Rabattaktion irgendwo anders als bei Amazon und Tolino angekündigt hatte.

Möge das Schreiben selbst wieder zu einer Oase werden!

Rottenburger Marktplatz im Sommer, eine Oase

Freitag, 19. Februar 2016

Die Katze am Fenster

Ein Fenster in Rothenburg o.d.T.
Manchmal, wenn ich morgens aufwache, höre ich eine Amsel ziemlich eindringlich rufen: Did-did, did-did, did-did, die Tonleiter rauf und runter. Das ist eine Warnung an ihre Mitvögel, dass wieder eine Katze in der Nähe sein muss. Ich schaue aus dem Fenster und sehe eine grauweiße vorüberhuschen und im Dickicht verschwinden. Das ist dann schon die vierte, die es sich in meinem Garten gemütlich macht, nach der weißen, der schwarzen und der bunt gescheckten. Fenster sind wie Türen: Man kann hinausschauen und auch von draußen hereinschauen. Allerdings verlässt man Häuser besser durch Türen als durch Fenster und kommt auch besser durch sie rein. Gestern Abend hatte ich meine Türen mal wieder durch Rolläden gegen allzu starken Katzenandrang abgesichert. Nur einen Spalt des Fensterrolladens ließ ich offen, um noch ein wenig lüften zu können. Irgendwann schaute ich mal raus, und genau in dem Moment schaute die weiße Katze herein. Für diejenigen, die ihre Vorgeschichte nicht kennen: Es ist eine Katze, die in der Nachbarschaft wohnt, meine Vermieterin oben und mich aber seit einem halben Jahr massiv um Futter angeht und sich in meiner Wohnung einnisten will. Wir lieben sie sehr, können ihr Verhalten jedoch auf die Dauer so nicht dulden.

Also die Katze schaute herein, blieb aber, wie überhaupt in letzter Zeit, still. Wenn sie nichts zum Futtern bekommt, rennt sie wie verrückt am Stamm des Walnussbaums hinauf, um Vögel zu jagen. Oder sie sitzt auf dem Rand des Komposthaufens und wartet darauf, dass eine Maus vorbeikommt. Katzen sind ja wie alle Haustiere domestizierte Wildtiere, und wenn sie nicht versorgt werden, erwachen ihre Instinkte. Nachdem ich nun die Katze, insgeheim nenne ich sie schon "Mitzi", weil sie immer so leidend-verträumt daherschaut, gesehen hatte, traf ich draußen bei den Mülltonnen meine Vermieterin. Natürlich sprachen wir über unsere Erfahrung mit der Katze. Kürzlich sei ein Hund bei ihr zu Besuch gewesen, da hätte sich die Katze nicht mehr blicken lassen. Der Grund dafür, dass sie uns beide quasi "adoptiert" hat, sei darin zu suchen, dass ihre Besitzer immer morgens zur Arbeit gehen und sie dann rauslassen. Fast alle Katzenbesitzer dieses Viertels gehen zur Arbeit und lassen ihre Katzen raus. Aber nur Mitzi scheint so liebebedürftig, dass sie sich deswegen gleich eine neue Wohnung suchen will. Vielleicht schmeckt es ihr bei uns auch nur besser, meinte die Vermieterin mit einem Zwinkern und lachte herzlich, als ich ihr von dem "schlechten Essen erzählte, das ich der Katze einmal angeboten hatte. Unser Gentlecat´s Agreement besteht jetzt darin, dass sie vorbeikommen darf, wenn sie sie sich "ordentlich" aufführt. Ordentlich heißt, nicht wie wild an der Tür zu kratzen,  zu schreien und herzzzerreißend zu miauen, an die Scheiben zu schlagen und auf den Briefkasten zu klettern, um Einlass zu fordern. Sie ist auch stiller geworden und wartet, bis irgendwann ein Fenster oder eine Tür aufgeht. Zudem hat sie ihr Ursprungsgewicht wieder erreicht, weil sie nicht mehr unkontrolliert gefüttert wird. Und wenn der Rolladen vorm Fenster oder der Tür runtergelassen ist, weiß sie, dass sie lieber heimgehen sollte.


Freitag, 12. Februar 2016

Türen

Diese Abbildung zeigt das Portal der Maulbronner Klosterkirche, eine der ältesten Türen Deutschlands. Die Zisterzienser wussten immer, was sie hinter dieser Tür erwarten würde, wenn sie vom Paradies aus die Kirche betraten: nämlich die Laien- und die Mönchskirche, ein romanischer Lettner, der beide voneinander trennt sowie ein Kruzifix, das aus einem einzigen Steinblock herausgemeißelt wurde. Für die Mönche und die Laienbrüder sind Kirche und Kloster über Jahrhunderte hinweg zur Heimat geworden. Etlichen der späteren Seminaristen wurde das alles aber auch zum Zwang. Das Bild hat mich dazu bewogen, einmal über die Bedeutung von Türen nachzudenken. Man kann durch eine Tür hineingehen und auch wieder hinausgehen. In unseren Autorenblogs war früher oft die Rede davon, dass sich immer wieder irgendeine Tür öffnen würde, egal, wie düster die Situation auch gerade aussehe. Das denke ich immer noch, und es stehen zur Zeit viele Türen offen. Es stellt sich nur die Frage, was man hinter diesen Türen finden und ob man mit dem, was man dahinter findet, zufrieden sein wird. Und ob irgendein Raum, den man betritt, zur "Heimat" werden kann. Im Übertragenen ausgedrückt: Die Türen, die zur Zeit bei den Onlineplattformen für Self Publisher, den Verlagen und Agenturen offenstehen, laden vor allem die Erfolgreichen ein. Und selbst bei denen kann es dazu kommen, dass sie zur einen Tür hinein- und zu einer anderen bald wieder hinausgehen. Ein Interview des Hessischen Rundfunks vom Oktober 2015 mit Matthias Matting macht das deutlich.

In unserer Zeitung kam gestern ein Bericht über einen bekannten schwäbischen Dichter, der bei einem kleinen Tübinger Verlag veröffentlicht, der unter Umständen sieben Jahre braucht, bis er einen neuen Gedichtband fertig hat, und von dessen Büchern keine Ebooks existieren. Für ihn gibt es keine Alternative als mit der Hand zu schreiben. Da spüre ich wirkliche Zufriedenheit heraus, und am Rande muss ich auch gestehen, dass ich die Bücher dieses Verlages liebe. Bücher können Räume sein, in denen man sich wohlfühlt. Gerade lese ich einen Wanderbericht, der durch halb Deutschland führt, und bin dabei richtig mit dem Autor und seinem Hund unterwegs. Er hat diese Wanderungen in seinem Blog beschrieben und das Ganze dann bei Malik-National Geographics, einer Untergruppe des Piper Verlags, veröffentlicht. Flugs habe ich mir heute noch drei solcher Bücher gekauft, darunter Kay Borowskys Wanderungen in Tübingen und Europa.

Dienstag, 9. Februar 2016

Sich neu sortieren

Mein Vater, der im Jahr 2009 fast neunzigährig starb, hatte ein Lebensmotto. Wann immer sich jemand darüber beklagte, dass etwas nicht mehr so sei wie es war, sagte er mit ironisch verzogenen Mundwinkeln: "You have had it, brother." Mein Vater hatte nämlich vor dem Krieg eine ausgezeichnete Erziehung auf einem britschen Internat genossen. Und auch sonst hat er sein Leben so gestaltet, dass er sich später nie hat beklagen müssen. Er hat die halbe Welt gesehen, das Verkehrssystem seiner Stadt erneuert, war ständig in Bewegung und hatte viel für familiäre Werte und für seine Hunde übrig. Er war der Ingenieur, der Erfinder. Natürlich hatte er auch seine Schwächen und Fehler, aber de mortuis nihil bene.

Er hat sein Leben gehabt wie auch ich. Auch ich habe die halbe Welt gesehen, habe vielen Menschen geholfen, ihr Leben besser zu sortieren, eine Familie, Beziehungen und Freunde gehabt, ein Kind aufgezogen, jahrelang an einer poltischen Bewegung teilgenommen, unzählige Zeitungsartikel geschrieben sowie an die zehn Bücher und unzählige Beiträge in den sozialen Medien veröffentlicht. Zeit, mal wieder eine kurze Bilanz zu ziehen. Das Haus ist besorgt und renoviert, der Garten ist fertig, eine familiäre Angelegenheit steht kurz vor dem Abschluss und die Katzen, die mich im letzten halben Jahr beschäfigten, haben sich mehr oder weniger zurückgezogen (die schwarze Powerkatze hat in eine Zitrone gebissen, die draußen zum Zeichen lag, dass es keinen gedeckten Katzentisch mehr geben wird, und sich geschüttelt). Ich habe alle meine Printbücher auf Stapeln in Buchhandlungen und meine Ebooks in den Shops von Weltbild, Thalia, Osiander usw. und Amazon gesehen. Es gibt Projekte, die anzugehen wären, es gibt soziale Kontakte, die aktiviert werden könnten. Aber ich bin noch in einem Vakuum. Es drängt jetzt nichts mehr, es soll sich entwickeln, so wie es sich richtig anfühlt. Das Schreiben ist als wesentliche Größe geblieben. Aber es nützt nichts, in derselben Schnelligkeit wie bisher Bücher zu fabrizieren. Das Schreiben ist Lebenselixier und erträgt keinen Druck. Vorbildlich ist für mich der gerade verstorbene Roger Willemsen. Der hat alles, was er gemacht hat, das Schreiben von Büchern, das Reisen, die Auftritte und Sendungen, die Interviews mit einer seltenen Hingabe an den Augenblick getan. Das ist seine Hinterlassenschaft für mich, an die ich mich immer wieder gern erinnern werde.

Donnerstag, 4. Februar 2016

Katzengeschichte-Zwischenbericht

Für diejenigen, die den vorherigen Beitrag nicht gelesen haben: Unser Haus wurde im vergangenen halben Jahr fast ununterbrochen von einer Katze belagert, die auf Teufel komm raus ständig hineinzugelangen versuchte. Sie hatte, das war uns bekannt, in der Nähe ein Zuhause und wurde dort auch gut versorgt. Trotzdem versuchte sie mindestens zehn Mal am Tag, sich anderswo, nämlich bei sämtlichen Nachbarn, Nahrung zu ergattern und sich bei mir ganz einzunisten. Sie wirkte wie eine ausgesetzte oder streunende Katze, die eine neue Heimat sucht. Das Geschehen rief auch andere Katzen auf den Plan. Vornehmlich eine große rabenschwarze Katze mit leuchtend grünen Augen war häufig zu sehen, dazu eine weiß-braun-rot gefleckte. Manchmal ertönten nachts unheimlich knurrende Laute, wie im Urwald, und wenn ich hinausschaute, war es die schwarze Katze, die herüberstarrte und unheimlich wütend zu sein schien. Die weiße, anhängliche hatte sie nämlich mal geohrfeigt und damit vertrieben. Nun wurden mir auf meinen letzten Beitrag hin sehr gute Ratschläge gegeben, die Abgrenzung betreffend. Da ich mich, von Vernunft und Mitleid hin - und hergerissen, widersprüchlich verhalten habe, hat das die weiße Katze in ihrem extremen Verhalten nur bestärkt. Die Dynamik, die sich jetzt entwickelt, ist spannend, spannender als jedes Fernsehen und jedes Computern. Der Trick mit den Fischstäbchen hatte zur Folge, dass sie sich eineinhalb Tage nicht blicken ließ. Da sie auch nicht oben bei der Vermieterin saß, ist anzunehmen, dass sie nach Hause gegangen ist. Gestern war sie aber wieder da, hatte das Auto abgepasst und rannte mir schon voraus zum Haus. In der Nacht habe ich dann noch einmal über Grenzen nachgedacht. Wie machen die Nachbarn es denn, dass sie nicht ständig in die Wohnung drängt? Oben werden zum Beispiel immer die Rolläden runtergelassen, wenn es dunkel wird. Eigentlich hasse ich das, weil ich dann Fenster und Türen nicht mehr richtig öffnen und nachts die Sterne nicht mehr sehen kann. Aber ich habe es getan. Und was folgte? Eine unglaubliche Stille, die ganze Nacht hindurch. Auch morgens, nach Hochziehen der Läden, blieb es still. Und es hatte sich etwas verändert. Das Meisenpärchen, das nur ganz sporadisch an den Riesenknödel hoch im Busch ging, war da, einer der Kleinen saß sogar auf dem Gartensessel. Sie futterten sich satt und flogen wieder davon. Einige Zeit später hörte ich verdächtige Geräusche. Sollte die weiße Katze doch zurückgekommen sein? Nein, es war die schwarze, die wütend auf den Korbsessel eindrosch. Sie haute auch gegen die Türscheibe und starrte mich durchdringend an. Dann saß sie auf dem Tisch und guckte wie hynotisiert auf den Meisenknödel. Ob sie die Meisen mit einem Sprung fangen wollte? Ich glaube, sie hat hier schon mal ein Amseljunges geholt. (Den Tisch werde ich wegstellen, den Knödel noch höher hängen). Oder war sie einfach nur sauer, dass sie nichts hingestellt kriegte? Überhaupt: Hinstellen. Alles fing damit an, dass die Katzen oben gefüttert wurden. Ich werde nie vergessen, wie ich anfangs, als die Vermieterin im Urlaub war, mal hinaufging-nachdem die Weiße mich immer wieder dazu aufgefordert hatte. Da saßen die weiße und die schwarze Katze einträchtig vor den zwei leeren Glasschüsseln und hauten schleunigst ab, als sie mich sahen. Wie sich die Zeiten ändern! Deshalb ja auch der Rat, wie ich inzwischen weiß: niemals fremde Katzen füttern, das gibt nur Probleme!

Dienstag, 2. Februar 2016

Die unendliche Geschichte

Es drängt mich, eine Geschichte zu erzählen, weil es eine unendliche Geschichte ist und weil ich viel aus ihr gelernt habe und immer noch lerne. Es geht um ein Tier, das vor einem halben Jahr urplötzlich in mein Leben getreten ist und mich seitdem nicht mehr loslässt. Zum Hintergrund muss ich sagen, dass ich mit Hunden aufgewachsen bin. Meine Eltern hatten zunächst einen wilden schwarzen Dackel, später einen Collie und weitere Collies im Lauf ihres Lebens. Letztere waren durch die Bank lieb und gelehrig, und natürlich liebten wir Kinder sie sehr. Als mein Sohn klein war, übernahmen wir einen Schäferdackel aus dem Bekanntenkreis, der als „neurotisch“ bezeichnet wurde, dabei aber mehr für Heiterkeit sorgte als für Verdrusss. Er hatte den Kopf eines Schäferhundes, den Körper eines Dackels, Kommodenbeine und einen gebogenen Schwanz. Vor allem aber hatte er die Seele eines Schäferhundes, denn er ging gern auf die großen Doggen los – wobei ihn einmal nur der Einsatz meines Stiefels vor größerem Verbiss retten konnte. In der WG, in der ich mit einer anderen Mutter und unseren Kindern später lebte, hatten wir ganz junge Katzen, die noch in die Blumentöpfe kackten, aber sonst oft schnurrend auf dem Sofa lagen. Und so waren mir alle fremden Katzen danach begegnet, nämlich um die Beine streichend, schnurrend und völlig problemlos. Denn auch wenn sie uns manchmal meilenweit in den Wald folgten, gingen sie dann auch wieder nach Hause.

Diesen Eindruck sollte ich vollkommen revidieren. Vor etwa einem halben Jahr, im Sommer, stand plötzlich eine weiße Katze vor meiner Terrassentür und miaute herzerbarmend kläglich. Als ich öffnete, sauste sie herein und gleich wieder hinaus. Das wiederholte sich einige Male. Es dauerte einige Tage, bis ich herausgefunden hatte, dass meine Vermieterin oben sie gefüttert hatte und die Katze nun wollte, dass ich die Töpfe füllte, wenn die andere nicht da war. Das habe ich nicht getan. Von der Vermieterin erfuhr ich dann, dass die Besitzer ein paar Straßen weiter wohnten und sie versorgten und mit ihr zum Arzt gingen, sie aber nicht in der Wohnung halten könnten. Ich sollte bald wissen, warum nicht. Wir wurden sie nämlich nicht mehr los. Seit diesem Zeitpunkt sitzt sie Tag und Nacht irgendwo vor dem Haus, und sobald irgendwo eine Tür aufgeht, rennt sie herbei und will in die Wohnung flitzen. Im sozialen Netz wurde mir unter anderem der Rat gegeben, sie mit kaltem Wasser zu übergießen, das würde sie wahrscheinlich für immer vertreiben. Vielleicht wäre die Sache anders gelaufen, wenn ich nicht davor zurückgeschreckt wäre, es war ja Sommer und sehr heiß. Auf jeden Fall hat diese Katze es geschafft, sich in die Herzen aller Nachbarn einzuschleichen, sodass sie immer runder wurde und im Garten plumpe Sprünge machte. Der Besitzer konnte sie immer noch nicht in der Wohnung halten. Sie wurde immer offensiver, kratzte wie wild an der Tür, sprang an den Scheiben des Fensters hoch und miaute so markerschütternd, dass ich schließlich dem Rat einiger anderer folgte und ihr draußen was zum Essen hinstellte, Trockenfutter und auch Nassfutter. Dann ging sie auch wieder, war aber kurze Zeit später wieder da. Wenn ich mal kurz lüften wollte und sie es schaffte hereinzukommen, raste sie sofort in die Küche und trippelte vor dem Kühlschrank herum: (ich weiß: Muttermilchproduktion fördern!). Andere Male schlich sie sich heimlich rein und lag dann plötzlich auf meinem Bett. Mein Vermieter riet mir immer wieder, sie rauszuschmeißen. Bei denen holte sie sich nur das Futter ab. Ich schmiss sie also so lange raus, bis sie nicht mehr so unverschämt draußen herumtobte, sondern still und friedlich, manchmal stundenlang, vor der Tür saß und wartete. Sie schlief auch immer im Gebüsch um das Haus, was ich an Blättern und Erdbröckchen an ihrem Fell feststellen konnte. Die meiste Zeit des Tages verbrachte sie abwechselnd auf einer Bank unter meinem Fenster und vor der Tür der Vermieterin. Sobald sie drinnen was hörte, kam sie herbeimiaut. Nun, schließlich hatte ich sie soweit, dass sie Besuche machen durfte, auch mal auf einer Decke übernachten, wenn sie patschnass im Regen stand – aber dann musste sie auch wieder gehen. Gefüttert habe ich sie dann nicht mehr. Übrigens ist sie sauber, kackt nirgends hin und ist überhaupt nicht agressiv, wenn ich sie wieder raustrage.

Im Januar kam dann der Winter. Hm, dachte ich, bei der Kälte und dem Schnee wird sie nicht Tag und Nacht draußen herumlungern. Pustekuchen! Sobald ich mit dem Auto angefahren kam, lief sie mir schon entgegen, als wüsste sie, wann ich zurückkommen würde. Dann kam der schwere Schneesturm. Sie drosch mit den Pfoten auf die Tür ein, schrie zum Fenster herein und schaute mich mit großen Augen flehentlich an. Ich hatte inzwischen einen leichten Verfolgungswahn entwickelt und sah sie immer und überall in der Wohnung herumhuschen. Ich bin noch nie gestalkt worden, aber so musste sich das für ein Opfer anfühlen. Dabei merkte ich immer wieder, dass sie eigentlich etwas anderes suchte als Futter. Trotzdem ließ sie sich ungern streicheln, saß immer wieder mit geschlossenen Augen da, strich um die Stühle und strebte zum Kühlschrank. Jetzt wollte ich, dass sie endlich, endlich zu ihren Leuten zuückging, ließ die Rolladen herunter und bewarf sie mit Schnee, als sie weiter an Tür und Fenster ramenterte. Keine Reaktion, rannte zwar weg, war aber gleich wieder da. Ich probierte es auch mit Wasser und mit einer kleinen Ohrfeige (die hatte sie selbst mal einer anderen Katze gegeben, die herbeigeschlichen war), mit Schreien, Rufen und neinnein und Heben des Fußes, wenn sie reinwollte. Darauf reagierte sie nämlich schon, lernte zum Beispiel, nicht einfach aufs Bett oder aufs Sofa zu springen, wenn sie mal hier war. Statt dessen versteckte sie sich hinter der Schlafzimmertür oder unter dem Bett, damit ich sie nicht rauswerfen konnte. Ich warf sie hinaus, es stürmte und schneite, und als ich zur Mülltonne ging und sah, dass sie weg war, atmete ich erstmal durch. Dann traf mich der Schlag, als ich sie auf meinem Bett liegen sah, war und trocken und zufrieden schnurrend. Ich dachte schon, sie wäre durch die geschlossene Tür hereingekommen!

All diese Gewalttaten, für die mich Katzenliebhaber sicher lynchen würden, haben aber ihrer Zuneigung keinen Abbruch getan. Gestern war sie wieder hier, streckte sich auf der Bank und schnurrte, als sie mich sah. Ich habe alle Türen zugemacht und mich auf den Boden im Flur gesetzt. Sie guckte die Küchentür an, starrte auf die Schlafzimmertür, legte sich hin, stand wieder auf, strich mir um die Beine, schnurrte, trippelte, untersuchte die Abstellkammer und fand schließlich den Karton mit dem Trockenfutter. Den rugelte sie solange herum, bis er umfiel. Es kam aber nichts heraus. So verlegte sie sich darauf, ein wenig an meinen Fingern auf dem Boden herumzunagen. Dann bat ich sie zu gehen, was sie auch tat. Heute morgen saß sie auf dem Gatter unterm Briefkasten eingeklemmt und miaute mir ins Schlafzimmer hinein, nur weil sie die Wasserspülung gehört hatte. Am Mittag habe ich mir überlegt, dass Liebe ja auch bei Katzen sicher durch den Magen geht. Ob die Reste der Fischstäbchen, die ich aus purer Faulheit gegessen hatte (immerhin die von Iglu, denen haben sie im Fernsehen noch die beste Güte verpasst) sie vielleicht abschrecken würden? Und tatsächlich, sie verschmähte sie wie auch die anderen Katzen, die öfter draußen vorbeikommen und wieder verschwinden. Vorhin war sie wieder da und schaute mir erwartungsvoll entgegen. Ich brauchte ihr nur die Fischstäbchen zu zeigen, damit sie schleunigst Reißaus nahm! Fazit: Diese Katze ist mir sehr ans Herz gewachsen, ich finde sie unheimlich süß, wie man unschwer meinen Schilderungen entnehmen kann. Ich möchte aber, dass sie meine Grenzen respektierten lernt! Und ich glaube, dass ich selten einen so langen Blogartikel geschrieben habe.