Sonntag, 29. Mai 2016

Von der Wiederentdeckung des "Eigen-Sinns"

Winkel in Aach beim Aachtopf
Oder auch: den Faden wiederfinden, der einen durch das bisherige Leben begleitet hat. Selbst ein so profanes Ding wie ein Blog kann sich zu einer Art roten Fadens entwickeln und dazu beitragen, das Geknäule des Daseins zu entwirren. Ein Blog kann etwas sein wie ein virtueller Ort, der durch Kommunikation und Vernetzung mit anderen eine Gemeinschaft bildet. Wie im wirklichen Leben eben auch. Nicht immer und nicht ohne eigenes Zutun natürlich. Heute Vormittag, an diesem gewittrigen, schwülwarmen Maiende des Jahres 2016, hatte ich dieses Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Dazu brauchte ich nur die Einträge meiner BlognachbarInnen zu lesen. Und jeder Eintrag spiegelte etwas von meiner eigenen Situation wider. Der Reihe nach: Es begann mit Elli Radingers Schilderung der Bücher, die auf Reisen geschickt werden. So gekonnt machen wir das hier nicht, aber wir haben unsere Büchertauschplätze in den Städten und Dörfern um uns herum. Seien es Schränke mit Glasscheiben oder "Bücherbäume", in denen die zu tauschenden Bücher gut übersichtlich stehen. Oder die Tische und Vitrinen in Supermärkten, wo die Bücher meist hastig abgelegt, gesucht und dabei durcheinandergeworfen werden, so dass man sie mühsam wieder ordnen muss. Die Idee der Tauschbörse, die Elli beschreibt, macht das Ganze nochmal systematischer. Diese Stätten sind auch Orte der Begegnungen, wir haben schon manchen bibliophilen Menschen auf diese Weise kennengelernt.

Dann las ich in Annette Webers Blog über den Druck, den äußere Umstände auf uns ausüben, uns in Panik versetzen können und uns daran hindern, das zu tun, was wir eigentlich am liebsten tun würden. Das mit dem Rasenmähen kenne ich beispielsweise zur Genüge. Gerade hat man erst gemäht, schon bringen die schwülfeuchten Tage die Gräser dazu, wieder in die Höhe zu schießen. Ringsumher hört man das Gesumm der Elektrorasenmäher, und ausgerechnet mein Rasen steht als einziges Schandbild in dieser wohlanständigen Siedlung! Eigentlich habe ich keine Lust, schon wieder mit dem Kabel herumzutanzen und dabei zu merken, wie mir der Schweiß aus allen Poren bricht. Es gibt ja genügend anderes zu tun, zu gießen, zu jäten, einzukaufen, zu putzen, spazierenzugehen, Blogeinträge und anderes zu lesen und zu verfassen. Ein Bericht für die Zeitung über den Trauma-Vortrag musste redigiert und abgesendet werden (dafür kam er gestern auch in professioneller Aufmachung). Die äußeren Umstände, die Forderungen, die unsere Umgebung an uns stellt, hindern uns daran, uns dem Eigentlichen zu widmen - wenn wir wissen, woraus es eigentlich besteht!

Die nächsten beiden Einträge kamen von Sabine Schäfers, die sehr eindrücklich über die Rollenklischees nachdenkt, die von Verlagen an Autoren herangetragen werden. Und von Petra van Cronenburg mit einem hervorragenden Artikel über kreative Prozesse und alle damit verbundenen Überlegungen und Umstände wie dem Scheitern und dem Neuanfang. Den Ausführungen, die mich direkt angesprochen haben, kann ich nichts Weitergehendes hinzufügen. Aber sie und alle anderen brachten mich dazu, jetzt gleich ebenfalls einen Beitrag schreiben zu wollen, mit dem ich mich bei meinen BlognachbarInnen bedanken will. Auch bei Alice Gabathuler, deren Blog ich seit Jahren verfolge. Sie hat zusammen mit anderen einen Verlag gegründet, was ich mit allergrößtem Respekt vermerke.

Während meiner langjährigen Arbeit mit psychisch labilen, vulnerablen, das heißt besonders verletzbaren Menschen habe ich manchmal einen Klienten oder eine Klientin gefragt, was sie denn früher, in ihrer Jugend, besonders gern gemacht hätten. Und bei manchen von ihnen scheint das auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein, oder sie haben selbst in sich Ressourcen entdeckt, die sie ausleben und damit ihre Krankheit positiv beeinflussen konnten. Viele von ihnen malen, eine hat sogar im Landtag an einer Ausstellung teilgenommen und wurde ins Fernsehen eingeladen. Andere züchten Blumen, tischlern oder kochen göttliche Gerichte wie Kürbissuppen, tschechische Linsengerichte oder polnische Fleisch-und Kohlrouladen. Ein Mann, der kurz bei uns zu Gast war, hat einen köstlichen Eintopf nur aus Rinderknochen, Meersalz und Gemüse hergetellt, besser als mit jeder Fertigbrühe. Und das hatte er sich bei seiner Freundin abgeguckt. Man muss nur die inneren und äußeren Stimmen und Sätze wie "Das schaffe ich nie" oder "Was bringt das denn überhaupt?" abschütteln und einfach das machen, was einem in den Sinn kommt. Ohne zu überlegen, was dabei herauskommen, für wen man es tun und von wem es beachtet werden könnte. Eine Geschäftsidee daraus zu entwickeln - wie mit dem Schreiben oder anderen kreativen Tätigkeiten - erfordert dann noch einmal ganz andere Schritte. Wenn man mich übrigens fragen würde, was ich selbst gern in meiner Jugend gemacht habe: Es waren das Schreiben, das Fotografieren, Lesen, Malen, Wandern, Kochen, Reisen, nächtelange Gespäche mit Freunden, Abtanzen in Kneipen und -Träumen.

"Weißes Waldvögelein", Orchidee der schwäbischen Alb, 26.5.16
In dem Geschehen der letzten Tage ist mir via Fernsehen der Rock- und Balladensänger Udo Lindenberg begegnet, der letztens seinen siebzigsten Geburtstag feierte und gerade eine bundesweite Tournee abzieht. Er wird frenetisch bejubelt, spricht in Interviews über die Entwicklung seines "Eigensinns" und schaut einem mit Hut und Zigarre in jeder Musikabteilung der Geschäfte entgegen. Man mag halten von ihm, was man will, aber er hat es geschafft, er selbst zu bleiben. Auch wenn jemand sagt, wir bräuchten keine alten, nuschelnden Männer mehr auf der Bühne. Ich besitze keine Platte und keine CD von ihm, aber viele Lieder klingen mir noch sehr lebendig in den Ohren. Rudi Ratlos, Hinterm Horizont gehts weiter und so weiter. 50 Songs in 30 Jahren .Lindenberg hat mit 15 Jahren beschlossen, Rockmusiker zu werden. Und er hat es geschafft, so, wie sein Vorbild Hermann Hesse mit 13 Jahren ankündigte, Schriftsteller zu werden und sonst gar nichts. Mit Anfang dreißig meinte Udo, es wäre doch wünschenswert, im Alter noch auf der Bühne zu stehen und nicht den Hut abzugeben wie beispielsweise die Fußballer. Dem teilweise geschmähten Hesse hat er in dessen Heimatstadt Calw ein jährliches musikalisches Rock-Denkmal gesetzt. Calw rockt. Lindenberg versuchte sich zwischendurch mit bürgerlichem Leben und Häuschen, ist grandios gescheitert, stürzte ab in Alkoholexzesse. Als vor zehn Jahren sein Bruder, der Maler Erich Lindenberg starb, riss ihn das aus seinem verzweifelten Sumpf. Er stand einfach noch einmal auf und fasste sein Lebenswerk auf der Bühne zusammen. Jeder Auftritt könnte der letzte sein. Und hier schließt sich der Kreis der Themen: Selbstbestimmtheit, Kreativität, Trauma, Verletzbarkeit, Irrwege und Neuanfang.

Dienstag, 24. Mai 2016

Kreative Pause

Was ist eigentlich eine kreative Pause? Normalerweise habe ich darunter immer eine Phase verstanden, während der sich der Schaffende erholt und wieder neue Kräfte schöpft. Ich habe wenig dazu im Netz gefunden. Nur bei Wikipedia gibt es eine Definition, die ich einmal zusammenfassen könnte, obwohl sie als nicht ausreichend belegt bezeichnet wird. Eine kreative Pause sei aus gestaltpsychologischer Sicht eine Pause unterschiedlicher Länge im kreativen Schaffensprozess von Künstlern, Wissenschaftlern und Geisteswissenschaftlern. Dabei sei die Pause selbst nicht mit kreativen Tätigkeiten angefüllt. Sie solle eher der Erholung des Geistes und der Wiederherstellung der Schaffenskraft dienen. Die Notwendigkeit dieser Pausen in kreativen Schaffensprozessen sei jedoch nicht belegt. Wenn sich der Kreative mit themenfremden Gegenständen beschäftige, einfache Tätigkeiten zur Ablenkung wähle oder Spaziergänge mache, ende irgendwann die kreative Pause mit dem kreativen Ausbruch, die Produktivität nehme zu, neue Ideen entstünden, die Nachtruhe werde verkürzt oder durch Einfälle unterbrochen, die sofort skizziert werden müssten. Eine kreative Pause könne von unterschiedlicher Dauer sein. Manche Personen benötigten lediglich Stunden, um an den Schreibtisch zurückzukehren, bei anderen dauere es Tage und Wochen, gar Monate, bis der Geist wieder in der Lage sei, neue Ideen zu produzieren. Allerdings könne die Rückkehr in den Schaffensprozess extrem schwierig werden.

Ich selbst weiß nichts von alledem. Kann es sein, dass ich während der letzten sechzehn Jahre überhaupt keine Pause, schon gar nicht eine kreative, gemacht habe? Und ist das denn wirklich notwendig? Der Schriftsteller Henri Miller zum Beispiel lebte von 1944 bis 1962 in Big Sur in Kalifornien, als Aussteiger unter Gleichgesinnten. Meines Wissens schrieb er zehn Jahre lang nichts und veröffentlichte 1957 einen Aufsatz über diese Zeit (Big Sur and the Oranges of Hieronymus Bosch).Die anderen Einträge, die ich zum Thema "kreative Pausen" gefunden habe, stammten meist von Bloggern, von Studenten oder Professoren. Für Autoren scheint das Thema also, zumindest im Netz, keines zu sein. Irgendwo las ich auch, eine solche Pause brauche natürlich nicht darin zu bestehen, stunden-, tage - und wochenlang die Wände anzustarren oder mit dem Kopf dagegenzuschlagen. Man könne sich ruhig eine Auszeit draußen oder drinnen oder ganz anderswo gönnen. Natürlich! Alle Prozesse bei mir waren immer von ständigen Pausen unterbrochen, Arbeitspausen, Wanderpausen, Essenspausen, Urlaubspausen, Stadtbummelpausen. Deshalb brauche ich auch keine reine, abgegrenzte kreative Pause. Denn was sollte das anderes sein als eine ewige Wiederholung der immerselben Pausen?

Nein, ich brauche einfach mal eine andere Sicht der Dinge. Sollte mal wieder etwas anderes machen als diese ewigen Romane zu schreiben, die ja heutzutage immer schwerer an die Verlage, Agenten und LeserInnen zu bringen sind. Gleichzeitig haben sich die Bedingungen im Self Publishing verschlechtert. Manche Autoren, die ich kenne, sind dabei, eigene Verlage aufzubauen oder haben das schon getan. Zu dem Ganzen ist mir etwas eingefallen: Ich habe in meinen Dateien aufgeräumt und die Hälfte meiner Kurzgeschichten aus den Jahren 2000-2006 als unbrauchbar rausgeschmissen. Drei davon wurden in einer Anthologie veröffentlicht, sind noch 23 von 50 übrig. Dazu habe ich einen neuen Blog eingerichtet, in dem ab und zu eine dieser Geschichten erscheinen könnte. Heute habe ich angefangen mit der Geschichte "Wenn der Schäfer mit dem Dackel", die vielleicht dem einen oder anderen aus der Vergangenheit noch bekannt sein könnte. Dabei geht es um das Leben mit einem treuen Hund, der eine Mischung aus Schäferhund und Dackel war. Ähnlich werde ich mit der Halde von zwei oder drei unveröffentlichten Romanen, Exposés und Ideen verfahren, das heißt, das Unbrauchbare löschen und das Recycelbare behalten. Diese "ordnende" Tätigkeit bewahrt mich davor, das "Kreative" allzu schmerzlich zu vermissen und hat damit eine nicht-kreative Funktion.Und was meine Blogs angeht: Die sind von der Pause natürlich ausgenommen - es ist eine Pause des Veröffentlichens.
Kopf hoch! Es gibt noch eine Welt da draußen

Freitag, 20. Mai 2016

Kopf hoch! Es gibt noch eine Welt da draußen

Vor etwa einer Woche saß ich in einem Vortrag über "Trauma und Sucht", inmitten einer Schar von zweihundert Leuten. Ein paar Reihen weiter sah ich einen Mann, der den Kopf gesenkt hielt und sein Smartphone checkte. Ob der sich wohl langweilte? Eigentlich fand ich es unhöflich, dass er nicht bis zur Pause warten konnte. Ich selbst habe bewusst kein Smartphone, und doch finde ich diese leichte Sucht und zwanghaften Strukturen auch bei meinem eigenen Internetverhalten. Doch dazu später. Dem Phänomen bin ich jetzt einmal nachgegangen. In einem Artikel der "Welt" vom letzten September wird von einem Versuch mit einer App berichtet, die anzeigen soll, wie viel Zeit man tatsächlich im Internet verbringt. Sie soll von 200 000 Menschen heruntergeladen worden sein, deren Daten bis dahin noch nicht ausgewertet wurden. Dabei gebe es 500 000 Internetsüchtige in Deutschland, berichtet die "Welt". Es gibt offensichtlich schon Therapiezentren (Video), in denen man in Selbsthilfegruppen zu einem bewussteren Umgang vor allem mit dem Handy gelangen kann. Sie gehe auch aufs Klo nicht ohne ihr Handy, berichtet eine Frau. Die meisten SMSe würden dort geschrieben. Der Grund sei die Angst, irgendetwas zu verpassen. 10 Minuten pro Tag telefonieren, der Rest von 2-3 Stunden bestehe aus Surfen, Emailsschreiben, Facebook und Spielen. Diese Menschen brauchen Anleitung, wie sie das suchtartige Verhalten eindämmen können, zum Beispiel "handyfreies Schlafzimmer"oder Wecker und Armbanduhr kaufen. Komisch, das ist mir noch gar nicht aufgefallen, dass viele überhaupt keine Uhr mehr am Handgelenk haben. Bei mir klingelt der Wecker punktgenau mit einer Batterie, die schon seit Jahren läuft. Wenn ich ihn denn überhaupt mal brauche. Warum kaufen sich Menschen alle zwei Jahre ein neues Smartphone für 700 Euro, wenn doch die meisten unter den Zwängen leiden, die es mit sich bringt? Es sei eine Sucht wie die nach Nikotin und Alkohol, wird gesagt.

Ich selbst lebe seit dem Milleniumsjahr 2000 mit dem PC, dem Jahr, in dem ich mir einen Computer anschaffte. Seitdem klebe ich daran wie eine Fliege am Leim, mit dem sie gefangen werden soll. Ich habe ihn mir gekauft, weil ich irgendwo gelesen hatte, damit könne man Emails in alle Welt schreiben und 200 Rezepte für Sauerbraten finden. Das erste Wort, das ich bei Google eingab, war "Wandern", das zweite "Schreiben". Nun kann man sich bestimmt denken, wie es weiterging. Mindestens zwei Sehnenscheidenentzündungen hatte ich während dieser Zeit. Und auch jetzt tut der Oberarm manchmal wieder weh. Das Schreiben und der Austausch vor allem mit anderen Schreibenden haben mir eine ganz neue Welt eröffnet, aber auch die Welt da draußen öfter von mir ferngehalten. Gottseidank habe ich die digitale Welt nicht nach draußen geschleppt, sondern war, wenn ich die Haustür hinter mir schloss, wieder in der Realität. Obwohl ich seit einem Jahr nichts Neues mehr geschrieben habe, klebe ich weiter an dem Ding. Die Verkäufe und die Vermarktung der E-Books mussten abgewickelt werden, neben den Recherchen wurden alle Fragen, die ich hatte, an Google gestellt, selbst die nach Adressen von Ärzten, nach Rezepten, Wandertouren oder der Bestimmung von Pflanzen. Vor Kurzem schickte ich Exposé und Leseprobe meines Krimis an einen Agenten. Bei der Prozedur lief nebenher der Fernseher, und in der Küche brannte der Espresso an. Da merkte ich, dass es wirklich zu einem Ding geworden war, das mich in der Hand hat und mich beherrscht. Die Agentur schickte übrigens nach einer Woche eine Absage. Ich beschloss, erst einmal eine kreative Pause einzulegen. Eine gute Zusammenfassung der momentanen Situation von Verlagsautoren und Self Publishern, auch was den Suchtfaktor angeht, gibt es heute übrigens im Literaturcafé.

Gestern fuhr ich den PC nach dem ersten Check herunter und habe ihn erst abends wieder angemacht. Und war dann unterwegs. Es gab viel zu sehen und zu erleben: Bücher zum Mitnehmen in der Bücherei, tausend Düfte in einem Drogeriemarkt, einen Abendhimmel mit rosa Schichtwolken und überall Töpfe mit Geranien, Gerbera, Petunien und Glockenblumen. Die habe ich im Abendsonnenschein auf der Terrasse eingepflanzt. Im Café hatte niemand ein Smartphone neben seiner Tasse, und es lief auch niemand mit so einem Ding vorbei. Alle Köpfe waren oben. Ob die sich wohl schon so eine App heruntergeladen hatten? Es gibt so viel in dieser Welt, das es wieder zu entdecken gibt! Am Sonntag ist bundesweit Tag der Museen, da werden sie auf der Ringmauer in Horb feiern und mit Arkebusen schießen. Am 4. Juni kommen Bands nach Nagold; darunter Dr. Gonzos Rock- und Bluesband. Und danach werde ich es dann vielleicht doch einmal schaffen, nach Huesca und Zaragoza und zum Kloster San Juan de la Peña in den Pyrenäen zu fahren. Ich klopfe auf Holz, denn es war der erste Tag, an dem ich dem Computer etwas weniger auf den Leim gegangen bin. Nach Verfassen dieses Artikels verlasse ich die digitale Welt erst einmal wieder.

Freitag, 13. Mai 2016

Schlechtwettertrauma

Vor einiger Zeit sah ich im Blog eines mir bekannten Autors die Überschrift: "Petrus auf offener Straße erschossen!"Las sich wie eine Zeitungsmeldung in dem Sinne: Wegen anhaltender Schädigung der Bevölkerung wurde Petrus eliminiert. Dabei blieb es offen, welche Konsequenzen das haben würde. So drastisch müssen wir in der Sache ja gar nicht vorgehen. Schon in der Schule musste ich mal einen Aufsatz schreiben, ob man sich von schlechtem Wetter beeinflussen lassen sollte. Damals hing ich, glaube ich, noch in der Schiene: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur die falsche Kleidung. Das ist aber, so merkte ich im Lauf der Jahre, wahrscheinlich nur ein Versuch, den Umsatz der Regenbekleidungsindustrie anzuheizen. Schlechtes Wetter ist doof und bleibt doof, besonders wenn es zu Pfingsten kommt und die ganze darauffolgende Woche bleibt. Weihnachten war es wärmer als jetzt!, schreien die Zeitungen. Nass werden ist dabei gar nicht mal so schlimm. Die Farben werden grau und lustlos, die Vögel pressen den Schnabel zusammen und die Gesichter der Menschen sind verbissen oder hoffnungslos.

Nun habe ich ja vergangenen Dienstag den hervorragenden zweistündigen Vortrag der Psychologin und Traumaexpertin Michaela Huber angehört. Von Trauma kann natürlich keine Rede sein, wenn irgendetwas im täglichen Umfeld schiefgeht. Ich erinnere mich an die sogenannte "Kühlschrankdepri", die manche Zeitgenossen befällt, wenn sie da hineingucken. Aber man kann etwas anderes aus dem ableiten, was mir von dem Vortrag stark im Gedächtnis zurückgeblieben ist.
Bisher dachte ich immer, wenn das Wetter dauerhaft schechter, unbeständiger und unbegreiflicher wird, kann ich ja immer noch schreiben. Das funktioniert aber nicht so einfach. Schönes Wetter, das es bis vor einigen Jahren in zuträglichem Umfang noch gab, beflügelt die Phantasie, entlastet Körper und Seele, lässt die Vögel singen, die Menschen freundlich gucken und die Pflanzen wachsen. Da nützt alles Schreiben dagegen an überhaupt nichts. Aber man kann, so lernte ich in dem besagen Vortrag, seine Ressourcen finden und neu erwecken, für sich selber sorgen und nicht immer nur für andere, neue Wege gehen. Schlechtes Wetter, auch wenn es sich über die Jahre wiederholt, kann an sich kein Trauma auslösen. Echte Traumata gehören in die Hand des Psychotherapeuten. Aber dauerhaft mieses Wetter kann eine Art Phobie auslösen, nämlich es vermeiden, ständig davor fliehen  zu wollen, sich wie in einem Gefängnis zu fühlen. Denn konnte an früher noch in den Süden fahren, muss man derzeit feststellen, dass die Tiefdruckzonen sich eben dort befinden und die schwülwarme Luft zu uns herüberschaufeln. Diesem Phänomen müssen wir uns stellen und das für uns Beste daraus machen. Wobei das keine andere Erkenntnis ist als die, zu der ich in meinem jugendlichen Schulaufsatz gekommen bin.

Freitag, 6. Mai 2016

Schreib - und Reiselust -gedämpft??

Heute mal wieder ein Beitrag in eigener Sache. Die langen schaurigen Wintermonate hatte ich dazu genutzt, meine drei E-Books bei Tolino Media zu vermarkten. Nach einem halben Jahr aber ist die Zeit vorbei (im Buchhandel oft schon nach zwei Monaten). So kramte ich beziehungsweise holte ich mit neuem Schwung meinen Schwarzwaldkrimi aus den Dateien und überarbeitete ihn noch einmal gründlich. Vor ein paar Tagen habe ich alles - Exposé, 20 Probeseiten, Vita und Bibliographie -per Email an eine kleinere Agentur geschickt, wohl wissend, dass da keine Antwort kommen würde. So what, ich hatte jetzt alles getan, schickte noch die letzte Großverlagsabrechnung ans Finanzamt und eine Knöllchenrechnung an die Stadt. Jetzt sollte es endlich losgehen, denn ein Riesenhoch begann sich über Europa auszudehnen. Endlich mal eine andere Luft schnuppern, endlich mal raus aus diesem Joch aus Autobahnen, Industrieanlagen, täglich wachsenden Supermärkten auf der grünen Wiese und dem allgegenwärtigen hupenden, stinkenden Verkehr mit Autofahrern, die sich immer nur vordrängen und lebensgefährliche Manöver unternehmen, wenn man es gewagt hat, sie zu überholen! Neben Nordspanien, das mein Freund schon lange anvisiert, und der Haute Provence bleiben uns hier im Daimlerland eigentlich nur wenige Alternativen, wo man ohne Bahn und Flugzeug noch einigermaßen unbelästigt hinkommt: Das Schwarzwälder Kinzigtal, die schwäbische Alb, der Bodensee, Oberschwaben und das Allgäu. Wenn man allerdings am Bodensee oder im Allgäu ist, sieht es schon wieder anders aus. Wir wollten schon lange mal wieder ins Bayerische fahren - Erinnerung an weißblauen Himmel und blauweiße Tschdecken, Kirchen, die wie Fata Morganas vor diesem Himmel schweben, dazu die Schweinebraten und Knödel zu wohlfeilen Preisen.

Wie gesagt, als nun alles getan und erledigt war, machten wir uns auf in das gelobte Land. Es ging auch recht flott voran über die schwäbische Alb, derweil Lastwagenfahrer, Hausfrauen und Geschäftsreisende beim Mittagsmahl saßen. Auf der Alb gibt es eine noch ziemlich verlassene Gegnd, wo wir in einem (uns bekannten) Gasthaus einen wahrhaft köstlichen Mittagstisch zu uns nahmen. Bärlauchsuppe, einen delikaten Salat mit echt schwäbischem Kartoffelsalat, Gulasch mit Spätzle sowie einen Vanillepudding mit eingemachten Erdbeeren. Das reichte für den Rest des Tages, und mit nur 6 Euro hatten wir noch einen prall gefüllten Reisesack übrig. Vor einiger Zeit lebte die frühere Besitzerin dieses Gasthofes noch. Sie sagte uns: Genießen Sie nur die Zeit, sie geht so schnell vorbei! Vor zwei, drei Jahren ist die liebenswerte Dame im Alter von 95 Jahren verstorben. Ja, wir hatten uns dieses Motto auf den Schild geschrieben, aber wie heißt es noch: Es kann der Beste nicht in Frieden leben ...denn als wir am Ziel ankamen (Mindelheim), war die Stadt total verstopft, so voll, dass wir rückwärts wieder rauskatapultiert wurden. Wenn es selbst in ländlichen Mittelstädten so zugeht vor den Feiertagen, kann man; na was? In Deutschland keinen Individualurlaub mehr machen. Der Tag wurde nur dadurch gerettet, dass es gelang, ins schöne Landsberg am Lech hinein zu gelangen, dort einen Rundgang zu machen, bei einem freundlichen Italiener eine großen Latte Macchiato zu trinken, die wunderbare Asamkirche zu inpizieren und dem Tosen des Lechs zu lauschen. Wieder daheim, waren wir ganz schnell wieder auf unserer zuverlässigen schwäbischen Alb, um stundenlang bergauf bergab in der Natur umherzuwanden. Ausnahmsweise wurde die Ruhe nur von einer Gruppe junger Männer unterbrochen, die auf einem Schäferkarren sitzend feierten.

Was hat nun das eine mit dem anderen zu tun? Der Weg zu einem Urlaubsort ist oft langwierig, frustrierend und mit vielen Hindernissen versehen. So war es allerdings auch schon bei unseren Altvorderen. Wer einmal den-etwas langweiligen-Reisebericht Goethes nach Italien oder sonstige Beschreibungen gelesen hat, weiß, wie mühevoll das Reisen anno dazumal war. Wobei die damaligen Wegelagerer und schlitzohrigen Wirte fast eins zu eins übertragen werden können. Die meisten setzen sich heute eh in den Flieger, was wegen der Kontrollen ziemlich unangenehm geworden ist. Man muss also immer durch finstere Täler gehen und sieben Berge überklimmen, um ein ersehntes Ziel zu erreichen. Da es so schwierig und so unangenehm ist, kann man natürlich auch zu Hause bleiben. Man kann aufhören zu schreiben oder gar nicht erst damit anfangen, weil auch das immer schwieriger wird. Nach dem BGH-Urteil vom 21. April 2016 (Siehe oben rechts) suggeriert die Presse marktschreierisch den Untergang vieler Verlage. Neue Autoren würden erst gar nicht aufgenommen in der Verlags- und Agenturwelt, noch mehr Autoren würden den Weg des Self Publishing gehen und alles versinkt im Drögen. Ein Hauen und Stechen wie im Mittealter. Doch gibt es da ein paar Dinge, die man erleben kann. Und die erlebt man nur, wenn man trotz alledem losgeht, -fährt, - wandert - und -schreibt.