Freitag, 28. November 2014

Der virtuelle Selbstmord oder: Im Internet sind alle gleich

Anmerkung: Sollte auch dieser Text nicht lesbar sein (nach HTML_Bereinigung) kann ich ihn gern als Doc.-Datei per Email senden. Voriger Beitrag: KDP-Termine, E-Books werden teurer

Aufgrund eines Formatierungsfehlers war für einige der Beitrag, den ich vor einigen Tagen eingestellt hatte, nicht lesbar. Deshalb noch einmal, erweitert um einige Infos und Überlegungen zu den Ereignissen, die sich kürzlich in Tübingen bei einer Mädchenclique abgespielt haben. Vor Kurzem hatten wir uns im Team die Frage gestellt, wie sich intensive Internetnutzung auf Menschen auswirkt, die schon eine gestörte Beziehung zur realen Welt aufweisen. Via Internet bin ich auf einen Vortrag gestoßen, den der Diplom-Psychologe Kai W. Müller vor der Landespsychotherapeutenkammer Mainz im Jahr 2013 gehalten hat: Internet und virtuelle Beziehungen. Und versuche das für mich Wichtigste mal kurz zusammenzufassen. Fangen wir mit ein paar Fakten an.
99% der deutschen Jugendlichen nutzen das Internet regelmäßig. Sie verbringen durchschnittlich 132 Minuten am Tag im Netz 
65% der Erwachsenen verbringen durchschnittlich 115 Minuten im Netz.
Was sind die Vorteile?
Soziale Unterstützung kann unmittelbar erfolgen
Die Kommunikation mit Freunden wird erleichtert
Kontakte sind schneller verfügbar
Es fällt leichter, auf andere zuzugehen.
Facebook:
Es gibt 800 Millionen Facebooknutzer. Ein junger Mann hatte auf eine Frage nach der Bedeutung dieses sozialen Netzwerkes erklärt, wer nicht bei Facebook sei, existiere gar nicht wirklich. Das Aussteigen aus so einem sozialen Netzwerk kommt also einem "virtuellen Suizid" gleich. Du bist einfach nicht mehr da, wirst nicht mehr wahrgenommen. Die Bedeutung dessen hängt natürlich mit dem Stellenwert zusammen, den derjenige dem Netzwerk unterstellt. Und den seine soziale Bezugsgruppe ihm unterstellt. Hand aufs Herz: Ist heute nicht einer, der sein Handy ausgeschaltet lässt oder erst gar keins besitzt, von einem Großteil der allgemeinen Kommunikation ausgeschlossen? Twittert nicht auch ein Minister wichtige erste Botschaften, bevor sie in die Tagesschau kommen? Was unterscheidet nun diejenigen, die den "virtuellen Suizid" begangen haben und aus dem sozialen Netzwerk ausgestiegen sind von denen, die bleiben? Die Leute, die ihr Profil gelöscht haben, hätten eine höhere Fähigkeit zur Selbstregulation und legten mehr Wert auf ihre Privatsphäre. Wahrscheinlich überwiegen auch die realen Kontakte bzw. sind in genügender Form offline verfügbar.

Nachteile sozialer Netzwerke: Sozialer Schaden entstehe eigentlich nur, wenn der User stark introvertiert ist. Dann kann es zur Abnahme realer Kommunikation in der Außenwelt kommen. Extrovertierte User korrigieren die Onlinezeiten nach unten und halten gleichzeitig den Kontakt zu Onlinebekanntschaften.
Vorteile: Man muss nicht gleich antworten, die Regeln sind weniger stringent (können MMn aber ganz schön streng sein, besonders in Gruppen. Und im Internet kann man jemanden durch Knopfdruck viel schneller entfernen als in der Realität!)  Im Internet sagten und täten Menschen Dinge, die sie im realen Kontakt so nicht sagen oder tun würden. Sie seien lockerer, ungezwungener, weniger gehemmt und drückten sich offener aus. Dieses Phänomen werde als der "Online Disinhibition Effect"bezeichnet. Was ist das für ein Effekt?
Durch die Anonymität kann ein anderes Selbst gebildet werden.
Man ist unsichtbar, im Internet sind anscheinend alle gleich.
Man muss nicht immer gleich reagieren.
Es gibt zwei Varianten dieses Effekts:
1. Ungefährliche Enthemmung
Der User gibt sich leichter preis, er kann Wünsche, Hoffnungen und Träume entwickeln,
die er in der realen Welt wahrscheinlich mit niemandem teilen würde.
2. Toxische Enthemmung
Es kommt zu Beschimpfungen, zu Bedrohungen und Beleidigungen,
sogar zu devianten und antisozialen Handlungen und zu Cybermobbing.
Jüngstes Beispiel: die Mädchenclique in Tübingen, die vor Kurzem eine gleichaltrige 14jaährige verprügelte, ins Gesicht und in den Magen trat, das reihum mit dem Handy filmte
und bei Facebook einstellte. Gestern wurde das in "Zur Sache Baden-Württemberg" noch einmal aufgerollt. Das Video wurde so oft geteilt, dass es bei FB inzwischen nicht mehr zu entfernen ist. Eines der Mädchen ist inzwischen selber verprügelt worden. Dem ging ein längeres Cybermobbing voraus, gegenseitig wurden die Eltern beleidigt usw. Ein Viertel aller Jugendlichen habe schon einmal erlebt, dass eine Clique jemanden fertig gemacht hat. Das Einstellen bei Facebook wurde von den Mädchen zunächst als "cool" empfunden, man wurde gesehen und beachtet. Später, als die Lawine ins Rollen gekommen war, schämten sie sich sehr und würden es nie wieder machen. Dazu fällt mir ein eigener Begriff ein: Es hat wahrscheinlich eine Entfremdung von sozialer Nähe und Empathie stattgefunden, die Gefühle scheinen oberflächlich oder verniedlicht. So haben wir einmal erlebt, dass zwei Mädchen am Albtrauf standen und die Gedenkschrift an einen Mountainbiker lasen, der hier senkrecht in die Tiefe gestürzt ist. Ich meine, sie hätten daraufhin "cool" oder "wow!" gesagt. Das sind die Auswüchse, die auch vorher schon bestanden, aber sich durch die Cyberwelt weiter entpersonalisiert haben.

Andererseits sieht Müller Chancen, angstgestörte, Patienten mit sozialer Phobie oder internetsüchtige Menschen zunächst über eben dieses Medium zu erreichen. Es ist weniger angstbesetzt. Das Fazit ist, dass sich durch das Internet die soziale Kommunikation verändert hat. Sie ist nicht schlechter, sondern anders geworden. Der Austausch mit anderen wird erleichtert, ersetzt allerdings nicht die Bezugspersonen, die man im Ernstfall dann wirklich physisch braucht. Für den durchschnittlich selbstbewussten Menschen dürfte das Internet kaum Gefahren bergen. Gefährlich wird es erst, wenn jemand Störungen wie eine soziale Phobie hat oder dazu neigt, sich in Parallelwelten zu flüchten, ohne sich davon distanzieren zu können. 
Mein persönliches Fazit:
Das Internet und der Computer haben mein Leben von Grund aus revolutioniert, verändert und bereichert. Durch diese Medien wurde es mir überhaupt erst möglich, meinen Traum vom Schreiben zu ermöglichen. Das Schreiben ist allerdings auch Schwerpunktthema gewesen und ist es noch. Ich habe das Internet also in der Regel mehr sach - als allgemein kommunikationsbezogen genutzt, habe nie gespielt oder Kontaktbörsen jeglicher Art besucht. Einmal war ich kurze Zeit Mitglied in einer Kochgruppe, deren Regeln mir aber zu rigid waren. Da musste man für das Kochen den Großteil seiner Zeit und seines Geldes einsetzen. Durch die Kommunikation mit anderen habe ich dieses Medium erst einmal begriffen. Der Austausch mit anderen Autoren führte zum regelmäßigen Schreiben, gegenseitigem Korrekturlesen und zu Veröffentlichungen. Einige Mitautoren habe ich auch im realen Leben kennengelernt. Mit Verlagen und mit der Agentur lief vieles über Emails ab, gerade auch Lektorate. Für Autoren ist dieses Medium ideal, fast schon unverzichtbar als Recherchequelle! Und solange ich über meine selbstregulierenden Mechanismen verfüge, brauche ich nicht zu befürchten, in der virtuellen Welt zu versinken.

Amazon KDP: Schlechte November-Verkäufe

An dieser Stelle möchte ich auf eine Aktion aufmerksam machen, die Matthias Matting in seiner "Self Publisher-Bibel" am 24. 11.14 gestartet hat. Der November sei schon immer einer der schlechtesten Monate für Verkäufe bei Amazon KDP gewesen. Jetzt kommt seit Oktober Kindle Unlimited hinzu, die unbeschränkte Flatrate für 9,99 im Monat. Vielleser können für diesen Preis also so viele Bücher ausleihen, wie sie wollen. Das ist aber auf 10 Bücher zur gleichen Zeit beschränkt, und als gelesen gelten sie nur, wenn mehr als 10% "geblättert" wurde.
Das schränkt die Verkäufe für die Autoren natürlich ein. Der Einstieg in die Topp 100 bei Amazon wird erschwert. Mattings Vermutung: Einerseits wird Amazon möglicherweise mehr in die Vergangenheit rechnen, andererseits werden eventuell die Preise der Bücher eine Rolle spielen. Damit hätten die Rabattaktionen einen Teil ihrer Wirksamkeit verloren. Für die kleine Untersuchung haben sich bisher elf Autoren öffentlich gemeldet. Bei mir selbst gab es keine täglichen Einbußen, nur die steilen Zacken nach oben fehlen jetzt.

Montag, 17. November 2014

Wovon träumst du?

Am Freitag hatten wir mal wieder eine sehr aufschlussreiche Supervison. Im Zuge der Teamentwicklung und der eigenen Positionierung wurden Fragen auf einen Flipchart geschrieben. Es ist kein Sakrileg, diese Fragen wiederzugeben, denn jeder kann sie sich in Bezug auf sein Leben, sein Schreiben oder seine sonstige Arbeit stellen.
1. Was regt mich auf?
2. Worüber freue ich mich?
3. Was kann ich für eine Erfolgsgeschichte erzählen?
4. Wovon träume ich?
Man sucht sich spontan eine Frage aus, spricht darüber und stellt sie dann einem anderen. Meine spontane Wahl war die Erfolgsgeschichte, die kam aus dem letzten Jahr meiner therapeutisch-begleitenden Arbeit. Es ist ein Riesenerfolg, wo ich jetzt stehe, im Vergleich zum November 2013. Ich selbst wurde gefragt, wovon ich träume. Da wurde mir bewusst, dass ich fast mein ganzes Leben davon geträumt hatte, ein Buch zu schreiben. Und dass ich diesen Traum verwirklicht habe, sogar vielfach, von den Veröffentlichungen ganz zu schweigen. Die kindlich-sentimentalen Träume von der Reiseschriftstellerin mit dem Haus am Meer habe ich inzwischen auf den Urlaub verlagert. Und eigentlich bin ich eine Reise-Schriftstellerin geworden, immer unterwegs im Hier und Jetzt, im Ländle, in der Historie und in spannenden Geschichten. Gibt es noch Dinge, von denen ich träume, unabhängig davon, ob die Träume realistisch, kindisch, kitschig oder romantisch sind? Ja, ich träume davon, dass ich mein Schreiben selbstbestimmt fortsetzen kann, dass ich weiterkomme, dass es immer Bücher in jeder Form und Leser und Menschen geben wird, denen das Schicksal ihres Planeten nicht egal ist. Der Traum vom Bestseller, den wohl jeder Autor einmal hatte oder noch hat, ist ausgeträumt. Oder etwa nicht? Und da kommen wir wieder zu der Frage, die ich mir noch gar nicht gestellt habe: Worüber freue ich mich? Zum Beispiel über eine Rückblende, die mir gelungen ist. Über einen Tag, an dem ich zusammen mit meinem Partner in der Sonne wandern kann. Über jedes Buch von mir, das einen Leser erreicht. Das kann ich inzwischen an den Rankings sehen, wenigstens tendenziell. KU/KOl bei Amazon sagt da weniger aus als zum Beispiel die Sterne, die in den Onleihe-Bibliotheken vergeben werden. Es freut mich, dass meine ersten drei Bücher des größeren Verlages sehr gut bewertet werden. Und was regt mich auf? Mich regt eigentlich vieles nicht auf, was andere aufregt. Am  meisten regt mich auf, wenn andere mir ihren Willen aufzwingen wollen. Da kann ich wirklich dampfkesselmäßig explodieren, dass die Wände meiner Umgebung erzittern! Und dann kann ich mich darüber freuen, dass der Dampf raus ist.
Zu Amazon noch ein Tipp: Das Buch als Beute , Podiumsdiskussion auf den Stuttgarter Buchwochen am 15.11 2014, 20 Uhr, u.a. mit dem Vorsitzenden des Börsenvereins.

Freitag, 14. November 2014

Rückblenden

Ich weiß, dass es für normale Blogleser eher langweilig ist, über das schreiberische Tun eines Autors zu lesen. Und auch ich selbst lese bei anderen nicht besonders gern über diese Vorgänge. Aber draußen ist tiefster, trüber November, und ich habe nichts anderes zu berichten außer darüber vielleicht, dass wir morgen wieder eine Supervision haben und dass ich mir dringend gefütterte Winterstiefel kaufen muss. Die Winterreifen sind gestern auch draufgekommen, teuer genug. Und dann wollen wir mal hoffen, dass es sich dieses Jahr auch lohnt.Nach meiner Erinnerung hatten wir im letzten Oktober Schnee und dann für den Rest des Winters nur noch gemischte Pampe. Aber immerhin hatte ich in jenem Winter den Krimi abgeschlossen und im Frühjahr mein E-Book bearbeitet und am 8. Juni veröffentlicht.

Nun bin ich in einen Schreibfluss geraten, dessen ich längere Zeit entbehren
musste. Und in diesem Schreibfluss tut sich das erste Mal in meinem Leben die Frage auf, ob ich nicht eine oder zwei Rückblenden verwenden muss, um die Geschichte rund zu machen. Dazu muss ich sagen, dass ich Rückblenden hasse. Ich habe es immer gehasst, wenn in einem Roman eine Person eingeführt wurde und dann gleich eine Rückblende kam, warum und wie sie geworden ist, wie sie jetzt ist. Einmal las ich einen Thriller, der damit begann, dass auf jemanden geschossen wurde. Anstatt nun zu erfahren,was mit dieser armen Person weiter geschieht, kam eine Rückblende über viele Seiten, darüber, was der Mann alles erlebt hatte, das dazu führte, dass es nun kam, wie es kam. Niemlas würde ich meine tatsächlichen und potentiellen Leser mit so etwas langweilen, das hatte ich mir geschworen. Und nun gehöre ich selbst zu den Autoren, die diese Mittel einsetzen müssen, um Handlung und innersten Kern einer Geschichte voranzutreiben und sichtbar zu machen. Ich habe vor dieser Notwendigkeit kapituliert und werde es angehen. Und ich gehe es, entgegen meiner Befürchtungen, mit großer Spannung und Begeisterung an. Mögen spätere potentielle Leser, Lektoren, Agenten auch einst etwas daran auszusetzen haben. Diesmal will ich's!

Freitag, 7. November 2014

Die Woche im Off

Am Donnerstag vor einer Woche kam eine junge Klientin von mir aus einer psychosomatischen Klinik zurück. Sie hätte dort unter anderem gelernt, dass man auch ohne Fernsehen und Handy leben könnte. Dabei wirkte sie kolossal entspannt. Zwei Tage später ließ sich mein Computer nicht mehr starten, nachdem er schon einige Zeit vor sich hin gezickt hatte. Alle Bemühungen, ihn wieder zum Leben zu erwecken, scheiterten. Und so empfand ich es als wohlmeinende Geste des Himmels, dass sich das ganze Wochenende arbeitnehmerfreundlich warm und herbstlich schön gestaltete. An Schreiben war eh nicht zu denken, da sich alle Unterlagen im Wrack des Computers befanden. So kam es noch zu einer letzten Superwanderung auf dem Burgenweg/schwäbische Alb. Die Natur bleibt, wie sie war, auch wenn immer mal wieder erstaunlich kontraindizierte Dinge wie ein Plastikdrachen auf der Ruine Greifenstein auftauchen. My Home is my Castle, denken deutsche Familien wohl heute wie einst, denn beim Erscheinen des schon zweiten Störers meinte ein kleines Mädchen, das dort mit seiner Familie beim Picknick saß: Wir wollen jetzt ESSEN! Nun ja, auch wir konnten uns des Eindrucks nicht erwehren, dass es Tage gab und gibt, an denen man mit sämtlichen Wanderfreunden des Ländles konfrontiert wird.

Am Abend war die Autorin dann wieder zu Hause und starrte wehmütig auf den Fleck, an dem der Computer gestanden hatte. Mannomann und -frau, hat der einen Platz in meinem Leben eingenommen! Ich konnte nicht weiterschreiben, ich konnte keine Mails abrufen, nicht in meine Blogs schauen und noch nicht mal gucken, ob man geräucherten Lachs einfrieren kann! Am Montag nahm ein Freund meines Sohnes ihn in Reparatur. In der Woche danach durchlief ich alle denkbaren Gefühle der Entbehrung und des herbsten Verlustes, aber auch der Befreiung und Wiederversinnlichung der mich umgebenden Welt. Fast sehnte ich mich nach einem Smartphone; ich beneidete unseren Azubi um seins, dem er ganz schnell die Züge entlocken konnte, die noch fuhren oder den Namen des Kürbisses, der aussieht wie eine Birne. Nun ja, der Lachs ist eingefroren und ich werde schon merken, ob er nach dem Auftauen noch schmeckt. Irgendein Ersatz musste natürlich her. So griff ich nach der liebsten Freizeitbeschäftigung der Deutschen, was durchaus nicht Computern oder Smartphonen ist, sondern FERNSEHEN. Und dabei verging mir zwischendurch das Hören und Sehen. Einmal zeigten sie ein junges Mädchen, das in Heidelberg mit Ohrstöpseln Fahrrad fuhr, um Musik zu hören. Sie stieß mit einer Straßenbahn zusammen und kam knapp mit dem Leben davon. Dann kamen Bilder einer Überwachungskamera in einem U-Bahnhof. Sie präsentierte hintereinander drei Menschen mit Handy oder Smartphone, die plötzlich vom Rand wegkippten und auf die Gleise fielen. So ging es gerade weiter. Gestern kam im Odysso eine Sendung über Lärm. Das kann alles in Dezibel gemessen werden und reicht vom Ticken der Uhr bis zum Presslufthammer und dem Düsenjet in niedriger Höhe, die ab einem bestimmten Pegel und einer bestimmten Dauer krank machen. Da allerdings würde der Computer gut abschneiden, denn das Brausen des Browsers entspräche einem Flüstern oder einem Blätterwerk im Wind, während der Fernseher mit 70 Dezibel auf einer Stufe mit Schreien und dem Lärm eines Rasenmähers steht. Das kann man jedoch selber kontrollieren, während die Leute an den Einflugschneisen der Jets, an stark befahrenen Straßen und an häufig benutzten Bahnlinien nicht entkommen können.

Während dieser Woche gab es nun eine seltsame, ich will nicht sagen märchenhafte Veränderung bei mir. Ab dem dritten Tag bemerkte ich die Stelle mit dem fehlenden PC gar nicht mehr. Die Außenwelt wurde bunter, selbst die Menschen, Kollegen, Nachbarn, Freunde rückten in ein helleres Licht. Die Zeit verlangsamte sich. Nach ein paar Tagen war die Wohnung geputzt, ich war mindestens zwei mal im Schwimmbad gewesen und hatte plötzlich Zeit, auf einem kleinen Markt einzukaufen. Kartoffeln vom Bauern mit Erde dran, richtige einzelne, dicke Zitronen, Bauernbratwurst und anderes vom Metzger, und beim Bäcker gab es Zwiebelkuchen, und die Kaffetrinker unterhielten sich über die Arbeitsweise des Roten Kreuzes. Auf der Rückfahrt dann das Erwachen aus diesem langsamen, bunten Traum: Ein Fahrer, wahrscheinlich mit Handy am Ohr, kam uns entgegen, überholte und drängte dabei brutal einen Radfahrer von der Straße. Kreidebleich und fassungslos sah der dem Wagen hinterher. Nein, ich möchte nicht so abhängig von diesen Geräten werden, dass ich mich selbst oder andere Leute damit gefährde! Deshalb darf der PC ruhig ab und zu streiken und auch mal kaputtgehen, damit ich weiß, wie es auch mal ohne ging und geht. Dann tauchen vor dem inneren Auge Zeiten auf, als man mit dem Telefon an der Wand stand, mit der es verkabelt war, als man Geld in die Schlitze von gelben Zellen werfen konnte, Walkmen der neueste Schrei waren und die Leute in den Kneipen noch miteinander redeten und nicht auf ihre Smartphones starrten. Das erlebe ich fast nur noch in der Großstadt, nämlich dass Leute in den Kneipen miteinander reden.

Wie dem auch sei, heute Abend war die Auszeit dann zu Ende. Der PC war repariert, ich kam nach einem langsamen, bunten Nachmittag nach Hause und fuhr ihn hoch. Die Mails hatte ich im Büro kaum lesen können, das Dashboard meines E-Books hatte mehr Ausschläge als in den Zeiten, als ich es täglich kontrollierte. Es waren Kommentare da, und meine Mitautoren waren alle aktiv gewesen. Jetzt endlich konnte ich auch die Verbesserungsvorschläge meines Testlesers begutachten. Der Browser braust wieder leise vor sich hin, es ist, als rausche in der Ferne ein Bach. Ich bin froh, dass ich ihn wiederhabe, aber ich bin ebenfalls froh über die Woche, in der ich so viele Dinge außerhalb gesehen habe, und ich hoffe, dass ich einiges davon mit rübernehmen kann, auch ins Schreiben, das ich jetzt endlich fortsetzen kann. Früher hätte ich mit der Hand geschrieben, doch ist der PC inzwischen mein Arbeitsinstrument ersten Ranges, und ich bin ein drittes Mal froh, nicht gerade in einem Lektorat oder in einer Abgabephase gewesen zu sein. Dann hätte ich das wohl nicht so genießen können, und es hätte sich zumindest der Erscheinungstermin des Buches verschoben.

Samstag, 1. November 2014

Das Exposé, eine schwere Geburt

Dieser Beitrag ist nur für Autoren interessant, die selber immer wieder mal ein Exposé erstellen müssen, sei es, um den Verlauf des Romans besser planen zu können, sei es, um sich damit bei einem Verlag oder einer Agentur zu bewerben.
Der historische Krimi, an dem ich gerade schreibe, hat in den letzten Jahren schon einige Wandlungen erfahren. Einige Figuren mussten raus, andere kamen neu hinein. Die Zeit hatte ich schließlich auf das Jahr 1786 festgesetzt. Das ursprüngliche Bauernmädchen mit ihrem versoffenen Vater musste gehen, die meisten anderen Personen blieben. Es gibt zwei Studenten der Theologie, die im Stift zu Tübingen wohnen. Einer würde lieber Arzt werden, der andere ein Dichter. Dann ist da Laura, eines Professors Töchterchen. Und ein Mädchen mit einem weißen Wolf, von dem man nicht weiß, ob es real ist oder nur in den Köpfen der Betroffenen existiert. Und es gibt Räuber, Morde, Intrigen und Geisterbeschwörungen. Es gibt den verhassten Herzog Carl Eugen, der den Dichter Schubart auf dem Hohenasperg eingesperrt hat und schließlich einen fahrenden Medicus mit seinem Äffchen, das seine Grimassen schneidet. Das könnte die Grundlage für einen Klappentext sein.

Jemand, der schon Exposés geschrieben hat, weiß wahrscheinlich, welche Klaviatur der Gefühle dessen Erstellung hervorbringen kann. Ich musste es heute zu Ende führen (von zwei auf vier Seiten), weil ich sonst mitten im Text, auf ca. S. 180 einfach nur stecken geblieben wäre. Bis dahin wollte ich mit dem Roman aufhören, alles hinschmeißen, und ich fand die Handlung einfach nur noch doof. Jetzt, wo es im Kopf geklingelt hat (auch mit Anregung meines Testlesers), bin ich superhappy und finde es, anderes Extrem, genial! Wahrscheinlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte.