Donnerstag, 29. März 2012

An die Besucher der Landesgartenschau Nagold

Liebe Besucher der Landesgartenschau Nagold,

ich selbst war noch nie Gast auf einer Landesgartenschau und kann nur als Bewohner sprechen. Nie hätte ich gedacht, dass es die Einwohner einer Stadt im Vorfeld so sehr belasten könnte, dass es so viel Staub, Dreck, Lastwagen und halbfertige Bauten, herumliegende Steine usw. geben würde. Wir Schwimmer müssen uns schon überlegen, wo wir noch parken können, wenn wir von auswärts in den Badepark wollen. Aber es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird, sagt man. Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass es wunderschön wird - und davon profitieren wir Nagolder im Endeffekt ja auch. Für alle,welche die Nagolder Einwohner entlasten helfen wollen, hier noch einmal ein Link auf die Shuttle-Busse und die Anfahrt von Herrenberg her.
Bis zum 27. April dann!

Donnerstag, 22. März 2012

Nach dem Roman ist vor dem Roman

Es ist tatsächlich vollbracht. Die letzten Kapitel sind zu mir zurückgereist, ohne Kommentare meines Testlesers außer: Ich hätte ewig weiterlesen können, schade, dass es schon aus ist. Und die Pistole, die muss man noch mal laden (im 17. Jahrhundert war das eine Steinschlosspistole, in die man das Zündkraut neu einlegen musste). Waren die 430 Seiten nicht genug, das sind hochgerechnet 516? Ja, es entspricht dem Gefühl einer Story, die nicht enden wollte. Und die mich sehr glücklich gemacht hat, mit roten Ohren habe ich sie geschrieben. Doch irgendwann war sie zu Ende. Ob das eine Geschichte ist, die das erfüllt, was aufgrund der anderen erwartet wird? Es haben sich, wie gesagt, noch einmal alle Elemente aller meiner Romane darin getummelt und verschmolzen. Spannung, wahre Historie, (wahr im Sinne von Prof. Guido Knopp, der in einem Interview einmal sagte, die fiktive Geschichte solle sich im historischen Rahmen bewegen), psychologischer Hintergund, handfeste Konflikte, Kirche, Krieg, Liebe und ein Hauch von Robin Hood, köstliche Gerichte wie Leber am Rost, Rehkeule, Forellen mit Rahm und Wein bis hin zu Eichelbrot und Birnensuppe mit Speck. Schauplatz: Schwarzwald-Paris-Burgund. Eine Karte wäre dazu sehr nützlich. Mein Schreibteufelchen hat mir schon gratuliert, ebenso meine Freibad-Griechin. Die hatte monatelang versucht, meine "Pilgerin" zu ergattern, bis sie jetzt schließlich vergriffen war, wie sie sagte. Statt dessen erwarb sie meine "Hure und der Mönch." Heute riss sie auf dem Parkplatz beim Freibad meine Autotür auf (sie ist eine sehr resolute Person), rief mir zu :"Sie schreiben sehr gut!" und verschwand wieder. Es ist immer wieder sehr erfrischend, solche Live-Leserkommentare zu hören. Mein Schreibteufelchen ist sehr zufrieden mit mir.

Aber jetzt kommt die Kardinalsfrage (haha, ein Kardinal kommt auch im neuen Roman vor): Was schreibe ich nach diesem Buch? Es wartet schon wieder die Ungeduld, das große Loch. Noch kann ich es zupflastern mit Überarbeiten, Cover für das E-Book suchen, einem kleinen Resturlaub nächste Woche. Es flattern tausend alte und neue Ideen herum, kann mich nicht entscheiden. Jetzt ist erst einmal Erholung angesagt, meint das Teufelchen. Wie soll ich mich erholen, ohne zu schreiben?

Dienstag, 20. März 2012

Frühlingsanfang-und ein Jubiläum

Scillawiesen am Schönbuchrand
Der Frühlingsanfang hält, was er verspricht: Licht und Luft fluten zu meiner Terrassentür herein, der Garten sieht mal wieder aus wie ein Osternest mit seinen Primeln, Veilchen und den kleinen blauen Köpfen der Scilla. Gerade habe ich die drei letzten Kapitel meines neuen Romans an meinen Testleser in Wien geschickt.
Und bin mir bewusst, dass heute nicht nur Frühlingsanfang ist, sondern auch ein Jubiläum: Vor genau zehn Jahren und vier Tagen, am 16. März 2002, habe ich mit dem Schreiben meines ersten Romans begonnen. Eine lange, sehr bewegte Zeit. Es ist, als schlösse sich ein Kreis.

Samstag, 17. März 2012

Das finstere Tal

 Heute verzichten wir einmal auf den Besuch in Tübingen, man weiß ja längst, was einen da,auch in den Buchhandlungen, erwartet. Statt dessen landen wir in Nürtingen, der Hölderlin- und Mörikestadt. Aber auch dort gibt es eine gut sortierte Buchhandlung, an der wir nicht vorbeikommen. Schön, dass meine Hure und der Mönch dort immer noch zwischen den Spitzentiteln liegt. Mein historischer Krimi wurde von der Buchhändlerin von den Historischen zu den Regionalkrimis gestellt. Durch diesen Akt wiederum wurde ich fündig mit "Das finstere Tal" von Thomas Willmann, ausgezeichnet mit dem Stuttgarter Krimipreis, ein Genremix erster Güte, heißt es. Nach dem Klappentext klingt er genau so, wie ich Krimis gern habe (und wie ich liebend gern mal einen schreiben würde, wenn ich könnte!). Ein Maler kommt in ein abgelegenes Alpental, von den Bewohnern misstrauisch beäugt Sie werden vom Schnee eingeschlossen und dann geschehen Morde ...Ich habe es noch nicht angefangen, werde es gleich tun, aber es hat unsere Phantasie schon angeheizt. Bei einer Wanderung auf der Schwäbischen Alb entdeckten wir ein so genanntes Höllenloch, gleich darauf ein totes Reh, das mit einem Pfeil erschossen zu sein schien. Am nächsten Tag wird eine Leiche in dem Höllenloch entdeckt. Was verschweigen die Einwohner des Dörfchens? Welche Geheimnisse sind in ihrer Kirche verborgen, dass sie uns nicht reinlassen wollen, und warum ist der Reporter fluchtartig weggelaufen, als wir kamen? Da sieht man wieder einmal, wie die Themen auf der Straße bzw. im Wald und auf der Wiese liegen!
Edit: Inzwischen habe ich das Buch von Willmann schon gelesen, konnte es nicht mehr aus der Hand legen, wie man so schön sagt. Es hat vom ersten Augenblick an reingerissen, schon durch die archaisch anmutende Sprache, die sehr dicht am Geschehen ist, wenn auch nicht in der Perspektive ihrer Figuren. Das atmet alles, es rennt, qualmt, tut weh, es rinnt der getaute Schnee. Alles beginnt ganz harmlos,
ist aber zunehmend von Schatten überdüstert, die den Showdown ahnen lassen. Dieser Roman ist nicht nur eine Mischung aus Alpenroman, Krimi und Western, da schauen nicht nur Ludwig Ganghofer und Sergio Leone heraus, sondern auch Patrick Süskind, "Spiel mir das Lied vom Tod" und Thriller, die in den Bergen spielen. Dass es völlig ohne Ermittler auskommt, ist der Tatsache geopfert,dass manches wenige doch ein wenig zu unglaubwürfig erscheint. Ich war mir nie sicher, ob die Geschichte im 18. Jahrhundert spielt oder am Anfang des 20.Jahrhunderts (Na ja, elektrisches Licht werden sie in den Alpenhochtälern lange nicht gehabt haben).
Aber bis wann gab es das Recht der ersten Nacht? Bis Anfang des 19.JH, und Zigaretten gab es seit 1850, die man aber sicher nicht mit Zunderschwamm und Feuerstein anzündete. Zwischendurch dachte ich auch an Parodie und an Sebastian Fitzek, bei dem ich mich auch manchmal gefragt habe, wozu eigentlich der ganze tolle Plot. Na, wenn, dann eben zur uneingeschränkten Unterhaltung! Eigentlich hat Willmann auch alles parodiert, was je zu dem Thema geschrieben wurde, Preise einheimste und Besteseller wurde ("Tannöd"). Für alle, die ermittlerlose Krimis und Thriller, in einer atemberaubenden Landschaft hautnah geschildert, lieben, die sich durch eine ewige, etwas verwirrende Rückblende und durch Perspektivenwechsel nicht drausbringen lassen und die sich auf einen gefahrvollen Ritt in ein düsteres, in jeder Hinsicht rückständiges und von der Außenwelt abgeschnittenes Tal begeben wollen, in dem kaum gesprochen wird, was sich in spärlichen Dialogen niederschlägt. Das finstere Tal werde ich auf jeden Fall nie wieder vergessen!

"Höllenloch" auf der Schwäbischen Alb

Freitag, 16. März 2012

Frühlingswanderung in Breitenholz




 Hier gleich um die Ecke gibt es einen schönen kleinen Wanderweg, mit geologischen und botanischen Besonderheiten und vor allem mit traumhaften Ausblicken. Er beginnt im Winzerdorf Breitenholz bei Herrenberg. Es ist eine warme, fruchtbare Gegend, und aus diesem Grund wird auch heute noch Wein angebaut, im Nebenerwerb. Am Spielplatz, vor einer aufgelassenen Keuperwand,
Blick vom Weinberg, im Hintergrund die Wurminger Kapell
geht man eine kleine Straße hinauf und wendet
sich oben nach links in die Weinberge. Hier stehen immer die ersten Veilchen des Jahres, Lobelien wachsen an den Trockenmauern, Seidelbast im Wald. Später folgen Scilla, die Obstblüte, im Herbst Trauben, Walnüsse und Zwetschgen. Der Weg geht stetig leicht bergauf. Oben kommt man an den Resten der Burg Müneck vorbei.


Schließlich gelangt man zu einer geologischen Besonderheit.
Diese Gipskeuperschichten sind 200 Millionen Jahre alt. Die Winzer mussten den ausgewaschenen Mergel ständig erneuern. Vielleicht sind sie deshalb manchmal nicht sehr erfreut, wenn sie Wanderer sehen, die den Freitagnachmittag im Frühling dazu nutzen, sich in der Natur zu ergehen statt zu "schaffe".
Google Maps Breitenholz

Mittwoch, 14. März 2012

Autoren, Verlage und das E-Book

Bei einer Google-Anfrage fand ich einen Artikel der Leipziger Messe und des Literaturinstituts der Universität Leipzig. Im Januar und Februar 2012 sei eine Umfrage unter 80 Autoren und 30 Verlagen gemacht worden - über das Selbstpublishing, E-Books, die Zusammenarbeit mit Verlagen und die Präsenz in Social Media. Es sei zwar nicht repräsentativ, gebe aber Aufschlüsse über Tendenzen, die sich bei Autoren und Verlagen zeigten. Nur jeder dritte Schriftsteller sei auf Social Media-Plattformen präsent, wobei Facebook als einzig relevant genannt wurde. Es hänge sehr stark vom Autor und seiner Zielgruppe ab, ob und wie er Social Media für sich nutze. Die, die das täten, machten das meist sehr professionell und effektiv. Autoren, die Social Media nicht oder kaum nutzten, machen mangelnde Zeit und den schwierigen Umgang mit dem Datenschutz geltend. 96 Prozent der Verlage würden sich, und da bestätigt sich eine These, über Social Media-Aktivitäten ihrer Autoren freuen.
Und noch ein interessanter Artikel. Die Kultur der Bestsellerliste. 
Heute könne ein Buch schon mit 25 000 verkauften Exemplaren auf die Bestsellerliste kommen. Es wird in Leipzig auch schon an eine E-Book-Bestsellerliste gedacht, nur sei es schwierig mit dem Zählen.

Dienstag, 13. März 2012

Was man für sein Buch tun kann

Bei Blogger ist heute alles neu. Also habe ich beschlossen, auch alles mal anders und neu zu sehen, durch die himmelblaue Bloggerbrille, sozusagen. Ich habe jetzt also beschlossen, mich nicht mehr aufzuregen. Es kann der Beste nicht in Frieden leben, wenn der böse Nachbar ihn nicht lässt ...wer hat das nochmal gesagt? Sollen sie doch kostenlose Werbung für mich machen, diese eifrigen Kopierer. Inzwischen habe ich gesehen, dass es spezielle Buchscanner gibt. Aber dazu muss man ein Buch ja erst mal haben (gekauft haben, denn die sind bestimmt nicht geklaut!:-)

Hier in meinem Blog suchen ja häufig Autoren nach Tipps, wie sie an einen Verlag kommen könnten. Für die ist folgender Rat gedacht. Schreibe ein Buch und überlege genau, was du damit willst. Schau genau auf die Verlage und Agenturen, denen du es anbieten willst. Wenn es dann glücklich veröffentlicht ist, überlege, was du selbst tun kannst, um für dein Buch Werbung zu machen. Die meisten Verkäufe brachte mir die Tatsache, dass einige der Bücher auf den Buchhandlungsstapeln lagen und liegen. In dem Moment, in dem man sein Buch zur Veröffentlichung bei einem Verlag frei gibt, hat man mehr oder weniger die Kontrolle darüber verloren. Dann macht der Verlag Werbung dafür, Eigenwerbung greift wenig. Wenn man sein Buch selber herstellt, zum Beispiel als Ebook, behält man mehr Kontrolle. Dann ist massive Präsenz im Netz auch sinnvoll. Es sollte aber ein sorgfältiges Lektorat durchlaufen haben.

Montag, 12. März 2012

Gebt mir meinen Mörike wieder!

Wahrscheinlich wird's jetzt doch nix mit dem eigenen E-Book, denn ich habe vorhin gesehen, dass jemand das Buch "Eduard Mörike. Ein Leben auf der Flucht" gescannt haben muss und nun in 10 PDF-Versionen und unterschiedlicher Downloadgeschwindigkeit auf einer Plattform ins Netz gestellt hat. Und zwar zwischen Ende November 2011 und dem 9. März 2012. Fair wäre es gewesen, mich zu fragen, ob sie das machen können, man hätte sich den Erlös ja teilen können oder auf 30% Basis arbeiten wie bei Amazon. So aber ist der Roman jetzt Freiwild, egal,wie oft er runtergeladen wurde. Es gibt Daumen hoch und runter und allen diesen Schnickschnack, dazu die Möglichkeit, es mit allen zu teilen, mit Freunden per Email, mit Twitter, Facebook usw. Selbst wenn ich jetzt juristisch gegen diese Plattform vorgehe, ist der Schaden schon da. Für mich lohnt es sich nicht mehr, ein E-Book zu basteln und günstig auf den Markt zu werfen. "Ich bin ja nicht blöd", würden die Leser sagen, wieso zahlen für etwas, was ich umsonst haben kann?

Ich habe auch mit anderen Autoren über dieses Phänomen diskutiert. Manche wehren sich dagegen und zeigen es ihrem Verlag an, andere sagen, bringt nicht viel, sieh es doch als Werbung und Graswurzelmarketing. Irgendeiner wird auch Bücher kaufen, wenn du dann so bekannt bist. Da ich die alleinigen Rechte habe, kommt es allein auf mich selbst an, wie ich damit umgehe. Wie kommt so eine Plattform überhaupt dazu, meinen Roman, der sechs Jahre lang den Dornröschenschlaf schlief, einfach wachzuküssen? Das kann nur über die anderen Romane passiert sein. Eins allerdings haben sie erreicht, was selbst meinem Buchhändler nur mit einer Präsentation im Buchladen gelungen war:

Sie haben meine beiden Namen zusammengebracht! Immerhin etwas, oder?

Ich glaube, ich sollte mal wieder einen Kaffee mit meinem Exmann, dem Rechtsanwalt trinken. Mit meinem Freund, dem Drummer, habe ich schon gesprochen. Er sagt, jedesmal, wenn eine Band einen Titel der Beatles, Stones, Guns an Roses usw. spielt, müssen sie über die Gema dem Urheber etwas zahlen (Was allerdings viele nicht tun). Vielleicht haben die Urheber irgendwann keine Lust mehr, ihreTitel umsonst unters Volk zu bringen und dann stehen sie da und fragen sich: Wo sind denn die Musiker, wo die Autoren? Das wird kein Kulturuntergangsszenario, aber es ist doch eine Entwicklung, die alles andere als beruhigend ist. Was wird aus meinem nächsten Roman? Erstmal ratsch, weg vom Haufen, dann ratsch, weg im Internet.
Da fällt mir im Augenblick eigentlich wirklich nichts ein, was ich als nächstes schreiben könnte.

Montag, 5. März 2012

Mein allererster Roman - als ebook?

Petra van Cronenburg beschreibt in leuchtenden Farben, wie ihr ebook zum "Lavendelblues" Gestalt annahm. Mir selbst brennt es immer wieder in den Fingern, meinen ersten Roman, "Eduard Mörike. Ein Leben auf der Flucht"noch einmal unter die Leute zu bringen. Die Rechte habe ich zurückerhalten, hätte auch Lust, ihn noch einmal richtig zu überarbeiten (umfangreiches Lektorat hat damals stattgefunden.)
Dafür spricht: Es ist auf seine Art einer meiner besten. Warum soll ich ihn auf ewig in den Dateien vergammeln lassen? Sobald ich meinen jetztigen Roman fertig habe, hätte ich auch Zeit, mir das Know-How anzueignen. Was dagegen spricht: Ich habe nicht den Eindruck, dass sich mein ebook zu der "Hure und dem Mönch" gut verkauft. Wahrscheinlich wird es mehr raubkopiert als legal runtergeladen. Zweiter Punkt, der mich noch abhält: Die größere Präsenz im Netz, die ich dann wieder zeigen müsste. Und wie macht man das preislich? Wenn den Lesern 7,99 E zu viel ist, kann ich nicht immer weiter runtergehen. 7,99 E war der Preis, der für den Mörike im Antiquariat verlangt wurde, (vorher: 16,90 E ) zu dem er sich auch innerhalb kurzer Zeit verkaufen ließ. Aber ich möchte nicht Zeit und Energie investieren, um dann einen Flopp zu produzieren.
Ich habe Folgendes beschlossen: Ich warte die Verkaufszahlen meiner beiden neuen Bücher im März/April ab und eben auch des ebooks. Bis dahin sehe ich auch, wann ich den neuen historischen Roman abgeben kann.
Siehe dazu auch diesen Eintrag und die Kommentare dazu.
Ich weiß noch genau, wie ich am 16. März 2002 auf dem Felsen hoch über Bad Urach stand und das Gefühl hatte, gleich abzuheben. Da wurde der Roman geboren.

Gewitter

Eduard stand auf dem Felsen und hatte das Gefühl zu fliegen, hoch hinaus über das Tal, das bläulich verhangen war und sich spinnenförmig in den Albkörper fraß, über den Runden Berg, die Festungsruine und das Städtchen, das behaglich dalag in seinem Fachwerktraum. Er hörte die Kirchenglocken läuten. Dort unten verlief sein Leben in vorherbestimmten Bahnen. Landexamen, theologische Ausbildung, Vikariat, Pfarrknechtschaft für den Rest der Zeit. Vieles von dem, was in ihm angelegt war, wurde im Seminar mit Füßen getreten.

(c) Christa Schmid-Lotz, Eduard Mörike. Ein Leben auf der Flucht. Salzer 2004

Samstag, 3. März 2012

Frühling lässt sein blaues Band ...

Frühling läßt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen
Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist's!
Dich hab ich vernommen!
 






            Er ist's!









Im Frühling  
                   







Hier lieg ich auf dem Frühlingshügel:
Die Wolke wird mein Flügel,
Ein Vogel fliegt mir voraus.
Ach, sag mir, alleinzige Liebe,
Wo du bleibst, daß ich bei dir bliebe!
Doch du und die Lüfte, ihr habt kein Haus.

Der Sonnenblume gleich
Steht mein Gemüte offen,
Sehnend, sich dehnend
In Lieben und Hoffen.
Frühling, was bist du gewillt?
Wann werd' ich gestillt?

Die Wolke seh ich wandeln und den Fluß,
Es dringt der Sonne goldner Kuß
Mir tief bis ins Geblüt hinein;
Die Augen wunderbar berauschet
Tun, als schliefen sie ein,
Nur noch das Ohr dem Ton der Biene lauschet.

Ich denke dies und denke das,
Ich sehne mich und weiß nicht recht nach was:
Halb ist es Lust, halb ist es Klage;
Mein Herz, o sage,
Was webst du für Erinnerung
In golden Grüner Zweige Dämmerung?
Alte unnennbare Tage!

Eduard Mörike 1804-1875





                                                 

Donnerstag, 1. März 2012

Faszination NIjinsky


Jetzt kam ich endlich dazu, das Buch „Faszination Nijinsky“ von Petra van Cronenburg zu lesen, das mir kürzlich geschenkt wurde. Vorweg schon mal: Ich habe schon lange kein Buch mehr so atemlos gelesen wie dieses. Der Krimi, den ich immer noch nebenbei lese, dümpelt dagegen richtig vor sich hin.

Am, besten, ich gebe einfach mal die Gedanken und Gefühle wieder, die das Lesen bei mir ausgelöst hat. Das allererste Reinkommen war nicht einfach, weil diese Welt des Balletts mir bisher vollkommen fremd war. Sehr schnell dann haben mich die Bilder gepackt, das Leben dieses Mannes, das sich allmählich vor mir ausbreitete, wurde immer spannender. Es gab Momente, da hörte, sah und roch ich alles, was beschrieben wurde, als wäre ich mitten im Geschehen, zum Beispiel bei der Vorstellung, Nijinsky wäre direkt einem Fresko entsprungen. Vertraute Namen tauchten auf und verbanden sich für mich zu einem Ganzen mit der Zeit, in der sich alles zutrug: Igor Strawinsky, Jean Cocteau, Pablo Picasso, Charlie Chaplin, Coco Chanel, Thomas Mann, um nur einige zu nennen. Besonders stark beeindruckt hat mich die Stelle, an der vom Lido die Rede war, von Thomas Manns Novelle „Tod in Venedig“, die auch zu meinen Lieblingsnovellen gehört. Tragisch, dass der Leiter des Russischen Balletts, Diaghilew, ebenso wie Aschenbach in Venedig starb!
Zwischendurch wehten immer wieder Düfte wie das Chanel No.5 durch die Blätter, und ich freute mich zu erfahren, wie diese weltberühmte Note entstand. Erstaunlich, wie Niinsky und das Russische Ballett Einfluss auf die Mode, durch die Skandale auf den Klatsch und das gesellschaftliche Leben in Europa, ja selbst auf die Politik genommen haben.
Dann kam der 1. Weltkrieg, persönlich und politisch ging es für Nijinsky und die Bohème immer weiter bergab. Der geniale Tänzer geriet mit seiner Frau in Kriegsgefangenschaft, die zu einem Arrest im ungarischen Turmzimmer ihrer Eltern umgewandelt wurde. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie das auf den Künstler gewirkt haben muss. In St. Moritz überwinterten er und seine Frau, auch dort muss es ihm an allem gefehlt haben. 1919 wurde er mit der Diagnose „Schizophrenie“ und „Demetia praecox“ in die Schweizer Psychiatrie eingewiesen. Vermutungen gehen auch in Richtung bipolare Störung, oder, wie Rossa in dem Interview sagt, Borderline. Das ist mir, als Fachfrau auf diesem Gebiet, aber nur marginal wichtig. Viel mehr haben mich die Gedanken interessiert, die mich so berührt haben, dass ich sie mir notiert habe. Den getanzten Sprung aus dem Fenster, den Flug von der Bühne in einen nicht sichtbaren Raum. Das Verhältnis von Maschine und Mensch. Der Psychiater Binswanger, der die Insulinschocktherapie nicht verhindern konnte. (Die m.E. viel mehr zerstört haben muss, als alle anderen Faktoren zusammengenommen.)
Hölderlin fiel mir in dem Zusammenhang ein, über den ich kürzlich in einer neueren Biografie las, vieles von seiner Verrücktheit habe der Dichter wahrscheinlich nur gespielt. Und ein Kernsatz: Dass Kunst einer inneren Not entspringt, die sich Bahn nach draußen brechen will und das innere Chaos dadurch neu ordnet. Insofern ist es auch müßig, zwischen Kunst psychisch Kranker und der von „Normalen“ zu unterscheiden.
An diesem Buch gibt es für mich nur eines zu kritisieren: Dass es so schnell zu Ende war. Ich hätte noch stunden - und tagelang weiter lesen können!

Faszination Nijinsky. Annäherung an einen Mythos. Edition Octopus Juli 2011