Donnerstag, 1. März 2012

Faszination NIjinsky


Jetzt kam ich endlich dazu, das Buch „Faszination Nijinsky“ von Petra van Cronenburg zu lesen, das mir kürzlich geschenkt wurde. Vorweg schon mal: Ich habe schon lange kein Buch mehr so atemlos gelesen wie dieses. Der Krimi, den ich immer noch nebenbei lese, dümpelt dagegen richtig vor sich hin.

Am, besten, ich gebe einfach mal die Gedanken und Gefühle wieder, die das Lesen bei mir ausgelöst hat. Das allererste Reinkommen war nicht einfach, weil diese Welt des Balletts mir bisher vollkommen fremd war. Sehr schnell dann haben mich die Bilder gepackt, das Leben dieses Mannes, das sich allmählich vor mir ausbreitete, wurde immer spannender. Es gab Momente, da hörte, sah und roch ich alles, was beschrieben wurde, als wäre ich mitten im Geschehen, zum Beispiel bei der Vorstellung, Nijinsky wäre direkt einem Fresko entsprungen. Vertraute Namen tauchten auf und verbanden sich für mich zu einem Ganzen mit der Zeit, in der sich alles zutrug: Igor Strawinsky, Jean Cocteau, Pablo Picasso, Charlie Chaplin, Coco Chanel, Thomas Mann, um nur einige zu nennen. Besonders stark beeindruckt hat mich die Stelle, an der vom Lido die Rede war, von Thomas Manns Novelle „Tod in Venedig“, die auch zu meinen Lieblingsnovellen gehört. Tragisch, dass der Leiter des Russischen Balletts, Diaghilew, ebenso wie Aschenbach in Venedig starb!
Zwischendurch wehten immer wieder Düfte wie das Chanel No.5 durch die Blätter, und ich freute mich zu erfahren, wie diese weltberühmte Note entstand. Erstaunlich, wie Niinsky und das Russische Ballett Einfluss auf die Mode, durch die Skandale auf den Klatsch und das gesellschaftliche Leben in Europa, ja selbst auf die Politik genommen haben.
Dann kam der 1. Weltkrieg, persönlich und politisch ging es für Nijinsky und die Bohème immer weiter bergab. Der geniale Tänzer geriet mit seiner Frau in Kriegsgefangenschaft, die zu einem Arrest im ungarischen Turmzimmer ihrer Eltern umgewandelt wurde. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie das auf den Künstler gewirkt haben muss. In St. Moritz überwinterten er und seine Frau, auch dort muss es ihm an allem gefehlt haben. 1919 wurde er mit der Diagnose „Schizophrenie“ und „Demetia praecox“ in die Schweizer Psychiatrie eingewiesen. Vermutungen gehen auch in Richtung bipolare Störung, oder, wie Rossa in dem Interview sagt, Borderline. Das ist mir, als Fachfrau auf diesem Gebiet, aber nur marginal wichtig. Viel mehr haben mich die Gedanken interessiert, die mich so berührt haben, dass ich sie mir notiert habe. Den getanzten Sprung aus dem Fenster, den Flug von der Bühne in einen nicht sichtbaren Raum. Das Verhältnis von Maschine und Mensch. Der Psychiater Binswanger, der die Insulinschocktherapie nicht verhindern konnte. (Die m.E. viel mehr zerstört haben muss, als alle anderen Faktoren zusammengenommen.)
Hölderlin fiel mir in dem Zusammenhang ein, über den ich kürzlich in einer neueren Biografie las, vieles von seiner Verrücktheit habe der Dichter wahrscheinlich nur gespielt. Und ein Kernsatz: Dass Kunst einer inneren Not entspringt, die sich Bahn nach draußen brechen will und das innere Chaos dadurch neu ordnet. Insofern ist es auch müßig, zwischen Kunst psychisch Kranker und der von „Normalen“ zu unterscheiden.
An diesem Buch gibt es für mich nur eines zu kritisieren: Dass es so schnell zu Ende war. Ich hätte noch stunden - und tagelang weiter lesen können!

Faszination Nijinsky. Annäherung an einen Mythos. Edition Octopus Juli 2011

10 Kommentare:

  1. Liebe Christa,
    ich bin völlig überrascht (dass du das Buch liest, hast du gar nicht verraten), berührt, gerührt und sprachlos. Danke.
    Herzlichst, Petra

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  2. Dass ich es mir schenken lassen wollte, hatte ich schon mal angedeutet. Und dass ich es dann auch lesen würde, war ja wohl klar wie Hechtsuppe!:-)

    Herzlichst
    Christa

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  3. Das war auch mein einziger Kritikpunkt: zu kurz!
    Aber ich habe ja noch Hoffnung für die Zukunft.:)

    Liebe Grüße
    Nikola

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  4. Ich werde die Länge beim nächsten Buch berücksichtigen! Übrigens schlimm, jetzt hast du diese Spammer auch drin, die Blogger nur auf Stichworte abgrasen (ich wiederhole nicht, welches, kann man sich denken...) - radikal in die Spam-Schublade schieben, damit sie Blogger bald erkennt!
    Herzlichst, Petra

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  5. Hi, Nikola,

    ich habe auch noch Hoffnung für die Zukunft-in eigener Sache. (Rezension). Oder habe ich das bloß geträumt?:-)


    Liebe Grüße
    Christa

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  6. Jaja, ich hinke hinterher.;)
    Aber ich bemühe mich!

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  7. @Petra: auweia! Ja, ich werde gleich draufhauen und sie verschwinden lassen!

    @Nikola: Gott sei Dank, ich dachte schon, du hättest es vergessen-:-)

    LG
    Christa

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  8. Ich habe die Spamadresse gemeldet.

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  9. Den Link zur Rezension gibt's auf http://vaslavnijinsky.blogspot.com/2012/03/rezension-mitten-im-geschehen.html

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  10. Habe dir schon eine Antwort geschrieben.und dem Buch einen vorläufigen Ehrenplatz gegeben, bei Keller und Marlen Haushofer
    und Albert Camus-muss ich alles mal neu ordnen-

    Herzlichst
    Christa

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