Sonntag, 26. Juni 2016

Auszeit: Reisen, Romane schreiben, Rosen züchten

Vor einigen Tagen, genauer gesagt am bisher heißesten Tag des Jahres, fuhren wir bei ca. 34° ein Stück in den Schwarzwald hinein, Richtung Alpirsbach. Dabei landeten wir ganz unvermutet in einem kleinen Paradies. Ein Moorsee mit Felswänden und Wasserfall, vorne ein weißer Sandstrand, eine Hütte und ein Badesteg. Natürlich waren wir nicht alleine da. Aber das wäre so ein Ort für eine kleine Auszeit. Daneben ist mir ein altes Buch in die Hände gefallen, von einem Vater, der in den vierziger, fünfziger Jahren mit seinen drei Söhnen durch den Schwarzwald, durch die Vogesen, den Bregenzer Wald und durch das Schweizer Jura gewandert ist. Das waren noch echte Auszeiten, ein Leben nur in der Natur, in Hütten und auf Bauernhöfen, Sonne, Regen und Stürmen ausgesetzt. Der Autor namens Fritz Hockenjos wurde 1927 in Lahr geboren und war seit 1947 Förster in St. Märgen im Schwarzwald. Er beschreibt diese Wanderungen, die Flora und Fauna, die Erlebnisse und Begegnungen in einer fast expressionistischen Sprache, bei der man das Gefühl hat, alles zu sehen, zu hören, zu riechen und mitzuerleben. Aber auch damals schon kündigte sich das Desaster der Menschen an: die zerschossene Gräberstätte am Hartmannsweiler Kopf, die Düsenjets, der allmählich aufkommende Massentourismus auch in den Vogesen und im Schwarzwald. Und auch damals gab es Extremregen und Gewitter, nur nicht so zerstörerisch wie gerade jetzt. Das alles zu lesen, und überhaupt Bücher zu lesen bedeutet eine echte Auszeit. Der menschliche Organismus und vor allem seine psychischen Strukturen sind nicht darauf angelegt, sich wochen -, monate - und jahrelang ständig negativeren Bildern und Informationen auszusetzen, ohne irgendwann zu streiken. Irgendwann muss er mal ein Ventil auf den Dampfdrucktopf setzen, um die Flut von Gewalt, Morden, Elend, Flucht, Brexit und immer verhehrenderen Naturkatastrophen zumindest zeitweise auszusperren, um nicht zu verzweifeln. Gestern sind wir mit knapper Not einem Unwetter entkommen, das sich wie eine überdimensionale Krake von allen Seiten über der Stadt zusammenbraute, tintenfischschwarz und kurz davor, Tentakeln oder Tornadorüssel zu bilden. Abends dann die Bilder von weinenden Menschen in Pfullingen, in Stromberg, flüchtende Besucher des Southsidefestivals in Neuhausen, ein entgleister Zug, Verletzte und tausende total Frustrierte. Unwetter in Deutschland. Die entgleiste Natur macht jetzt eine Pause, aber es ist nicht abzusehen, wie es tatsächlich weitergeht. Deshalb sollte jeder eine Nische finden, in der er wieder atmen kann, um sich gestärkt seinen Aufgaben widmen zu können.

Früher gab es das sogenannte Sabbatjahr, in dem man ein halbes oder ein Jahr lang mit der Arbeit aussetzen und sich in dieser Zeit ganz anderen Dingen widmen konnte. Ein Buch habe ich dazu gefunden, dessen Titel lautet: "Reisen, Romane schreiben, Rosen züchten" mit Tipps für eine solche Zeit. Reisen ist immer o.k., das habe ich sehr viel getan in meinem Leben. Und Romane geschrieben. Romane schreiben könnte eine gute Beschäftigung während einer Auszeit sein, doch das Veröffentlichen derselben sollte man nicht da hineinlegen. Und Rosen züchten bedeutet ganz viel Fachwissen und Arbeit - ich habe zwar welche in meinem Garten, erfreue mich aber lieber an ihren Blüten, als sie zu züchten. Nach dem Probelektorat habe ich den Krimi erstmal in die Dateien zurückgeschickt und den neuen Roman nicht weiterentwickelt. Im Self Publishing würden sie niemals die Kosten wieder einspielen, abgesehen davon, dass kaum jemand sie in den Shops wahrnehmen würde. Aber ich finde den Gedanken faszinierend, dass man einzelnen Lesern mit seinen Büchern eine Auszeit verschaffen kann - wie es dieser so lebendig schreibende Förster bei mir erreicht hat. Und deshalb werde ich den Gedanken, Bücher zu schreiben, nie ganz aufgeben.

Dienstag, 21. Juni 2016

Was braucht das Schwein, um sich sauwohl zu fühlen?

Woran denken wir, wenn wir uns ein Schwein vorstellen? An ein rosiges Tier mit Borsten, mit Ohren, die über den listigen Äuglein zusammenfallen, ein Tier, das grunzend und schmatzend seine Bestimmung im Koben erfüllt? An die Muttersau mit vielen nuckelnden und drängenden rosigen Ferkeln an der Seite? Oder an ein dreckverschmiertes Untier, das sich, wie auch die wilde Sau, in Schlamm und Morast herumwälzt? An Kotelett, Schnitzel und Rippchen wohl eher nicht. Das gleiche könnte man sich fragen, wenn man an Kühe oder Hühner denkt. Die Kühe stehen auf der Wiese, gucken dumm und käuen ewig und drei Tage das Gras wider. Sie wedeln mit dem Kuhschwanz, um die lästigen Fliegen zu vertreiben. Pferde haben wenigstens noch eine saumäßige Lebenslust, wenn sie auf der Koppel herumgaloppieren. Und die Hühner sind glücklich, wenn sie genügend Auslauf haben, miteinander picken, solange auch die anderen picken, und zum Dank dafür, dass sie kein Habicht oder Fuchs geholt hat, brav ihre Eier legen.

In der Versuchanstalt Eningen, einer Außenstelle der Universität Hohenheim, haben jetzt Forscher die Bedingungen untersucht, unter denen sich Schweine richtig wohlfühlen. Die Ferkel haben in der linken Box eine Kette zum Spielen, in der rechten ein Feld mit dunkler Erde zum Wühlen. Brauchen sie mehr Platz, besseres Futter, Freunde, Auslauf, Licht, gar Musik? Es wurden viele Dinge getestet, auch Bedingungen, die Stress auslösen, man ist erst ganz am Anfang. Aber Verbraucher wollen Fleisch, Eier und Milch am liebsten von glücklichen Tieren. So, wie es die Pensionswirtin in Sipplingen am Bodensee einmal beim Frühstück sagte, als sie die Eier hereinbrachte: Die sind von glücklichen Hühnern. Dabei sah sie selbst richtig glücklich aus. Und ich erinnere mich daran, dass ich als Kind mit meiner Oma in Malente morgens immer in den großen,, umsäumten Verschlag ging, um die noch warmen Eier einzusammeln und den Hühnern nachher ihr Futter hinzustreuen. Versteht sich, dass die Oma auch den besten Knackerkirschbaum alles Zeiten besaß! Doch zurück zu den Tieren und ihren Bedingungen. Bis jetzt hat sich herausgestellt, dass die Schweine nicht mehr Platz brauchen, wie wir uns das vielleicht gedacht haben. Erste Erkenntnisse zeigen, dass "Beschäftigung, Aufgaben lösen, Türen öffnen oder in der Erde wühlen" den Schweinen wichtiger sind als ein paar Quadratmeter mehr Raum. Gleichwohl wird es mit den anderen Tieren sein: Das Huhn will picken und scharren, die Pferde wollen rennen, die Kühe laufen am liebsten auf weichen Matten (sprich: Gras), Hunde wollen spielen und sich austoben und Katzen suchen gern ein erhöhtes, warmes, trockenes Plätzchen, wenn sie nicht auf Beute lauern, spielen oder schnurrend um Beine streichen.

Wie sieht es nun mit den Menschen aus? Was brauchen die, um sich sauwohl zu fühlen? Schopenhauer sagte ja mal in etwa, die Natur habe ihnen das Dasein gegeben, für das Wohlsein müssten sie selber sorgen. Dabei kann ich zunächst einmal nur von mir selbst ausgehen. Beschäftigung, Aufgaben lösen, Türen öffnen und in der Erde wühlen ist schon einmal was. Wobei es nicht um meine Gartenerde geht, sondern sozusagen um den Acker, der zu bestellen ist. Ich als Mensch würde mich mit der tierischen Bedürfnisbefriedigung natürlich nicht zufriedengeben. Aber die Grundlage ist dieselbe. Es würde mir nichts nützen, in einem Palast zu wohnen, indem ich den ganzen Tag herumsitze und mich fragen muss, wozu ich eigentlich da bin. Meinen Acker zu bearbeiten heißt, mein Leben so zu gestalten, wie es meinem Wesen entpricht. Ich fühle mich sauwohl, wenn ich ein gutes Buch lese, wenn ich über Berg und Tal laufen kann, in glasklarem Wasser schwimme, wenn die Sonne scheint, ein gutes Essen lockt, wenn nette Menschen um mich sind und wenn ich schreiben kann und eine Reaktion darauf sehe. So entdeckte ich gestern eine 5-Sterne-Rezension einer Frau, die mein letzes Verlagsbuch gelesen hatte. Sie schreibt, es sei eine Geschichte über die kleinen Leute im Dreißigjährigen Krieg, historisch verbürgt, spannend geschrieben und voller Liebe zum Leben. Es ist selten, dass jemand meine Intentionen so deutlich erkennt und benennt. Und es hat mich so beflügelt, dass ich endlich eine Entscheidung treffen konnte: Ich habe meinen Schwarzwaldkrimi in ein Probelektorat gegeben und werde ihn dann entweder endgültig zur Seite legen oder veröffentlichen. Den neuen Roman werde ich weiterentwickeln. Und mich sauwohl damit fühlen.

Montag, 13. Juni 2016

Rock und Blues im Schwarzen Wald

Heute einmal ein Zwischenthema, etwas spezieller für die Liebhaber alter Rockmusik und für Anrainer des nördlichen Schwarzwaldes. Dafür kulturell super und nachhaltig entspannend! Wenn die einzige gute Nachricht der letzten Zeit darin besteht, dass Basti ein sensationelles Tor geschossen hat, muss ich mir ernsthaft überlegen, ob es nicht noch andere Dinge gibt, die dem geplagten Individuum zu mehr Ruhe und zu mehr "positivem Denken" verhelfen (außer dem Schreiben, natürlich).

Am Samstag waren wir zu einer Rock - und Bluesveranstaltung im Schwarzwald eingeladen. Mein Freund, der Drummer, hatte vor einiger Zeit einen Musikerkollegen wiedergetroffen, mit dem er vor 30 Jahren Musik gemacht hat. Sie hatten sogar als Vorgruppe von Wolle Kriwanek gespielt. Im strömenden Regen erreichten wir das Festspiel-Haus der Kulturwerkstatt Simmersfeld. Diese Werkstatt hat eine Erfolgsgeschichte hinter sich. Schon 1983 von einigen engagierten Bürgern gegründet, wurde im Jahr 2004 ein eigenes kleines Festspielhaus gebaut. Dreiunddreißg Jahre Kultur in einer Gegend, die nach den Römern eher von Räubern, Wölfen und Bauern bevölkert wurde, die mehr auf den eigenen Schinken im Rauch schauten als nach anderen Menschen. Auch heute noch besteht die Kultur häufig darin, Touristen in einer entsprechenden Tracht und mit entsprechenden Preisen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Aber es gibt natürlich noch viele ähnliche Ansätze wie diese Kulturwerkstatt. Eigentlich war der Abend als Open Air geplant gewesen, doch zum Glück gab es eine halb überdachte Terrasse, unter der die Würstchen gebraten werden konnten. Die Musiker von der Rock- und Bluesband Dr. Gonzo spielen ebenfalls schon seit mehr als 25 Jahren zusammen, einige gingen, neue kamen hinzu. Die zweieinhalb Stunden waren für mich ein Vorbeimarsch. Endlich mal wieder eine Musik, bei der Füße und Hände unwillkürlich zu zucken beginnen! Ein Haufen E-Gitarren mit wechselndem Einsatz, eine Akustikgitarre, Bassgitarre, Schlagzeug, K-Board,  Saxophon und ein bisschen Percussion. Wunderbar die Slapstick-Einlagen mit einem fiktiven Udo Lindenberg und der "Polizei"! Glückliche Gesichter, ein wunderbar entspanntes Gefühl, Vergessen des allgemeinen Chaos ringsum. Unter anderem Lieder der sechziger bis achtziger Jahre von Eric Clapton, Free, Bad Company, "Summer in the City" von The Loving Spoonful, und eigens für meinen Drummer ein Bluesharp - Solo von John Mayell. Letzterer hat gerade mit 80 wieder eine Platte herausgebracht, wie ich erfuhr. Die "alten Rocklegenden" haben Bestand, wie es scheint. In der Literatur ist es u.a. der Schwabe Felix Huby, der seit seinen 30er Jahren Bücher veröffentlicht, unter anderem die Bienzle-Folgen im "Tatort". Jetzt hat er einen Folgeband zu den "Heimatjahren" herausgegeben: Lehrjahre in Blaubeuren. Trotz der Fußball-EM waren ca. 50 Leute nach Simmersfeld gekommen, das Nischenpublikum per se und eine eingeschworene Gemeinschaft. Die Gruppe tritt am Samstag, den 16. Juli 2016 beim Musiksommer auf dem Saumarkt Altensteig um 21.30 wieder auf. Sie haben auch noch ganz andere und eigene Stücke im Programm. Hier auch noch ein Hinweis auf die Veranstaltung "Calw rockt" am 24 Juni 2016 auf dem Marktplatz, seit vielen Jahren initiiert vom Hessefan Udo Lindenberg. Mein persönlicher Tipp: Rock mal wieder, um dich von den Anstrengungen des Schreibens und den Qualen des Nicht-Schreibens zu erholen!

Mittwoch, 8. Juni 2016

Zwischenzeiten

Mit Erstaunen habe ich festgestellt, dass mein letzter Eintrag jetzt schon zehn Tage zurückliegt. In dieser Zeit wurden große Teile Europas von Unwettern heimgesucht, die von einem Wettersprecher heute als "äußerst ungewöhnlich" bezeichnet wurden. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass jemals so lange solche Wassermassen aus solchen ständig stärker drohenden Wolken geschüttet wurden, dass es in Landstrichen wie Scheswig-Holstein zur Bildung von sogenannten Wolkenrüsseln sprich Tornados kommen kann und das alles vor dem Hintergrund von Krieg, Gewalt, Terror, Fußball-EM und einem Staatsoberhaupt, das dank eines fraulichen Schulterschlusses zum Herren Europas mutieren will. Ich wollte eigentlich über etwas ganz anderes schreiben, doch dazu später.

Die Natur kennt kein schlechtes Wetter, so lernte ich kürzlich. Es sind die Einrichtungen der Menschen, die schwer beschädigt werden können, wenn alles außer Rand und Band gerät.  Und es gab Todesfälle, die ich außerordentlich bedauere. Während ich früher Gewittern eher sorglos gegenüberstand, sie sogar als spannend empfand und stundenlang am Fenster stehen konnte, nötigen sie mir inzwischen einen gewaltigen Respekt ab. Ich finde auch nicht, dass Hausbesitzer Pflichtversicherungen abschließen müssten, wie unser Landesvater Kretschmann fordert. Damit wäre der Staat dann nämlich ziemlich aus dem Schneider. Lieber sollten sie die versiegelten Flächen renaturieren, den Überlauf oben an den kleinen Bächen verbessern und ihre Monokulturen mit Mais und Ähnlichem überdenken! Unsere Gegend, wennwohl ganz dicht am Schwarzwald gelegen, hat es weniger getroffen. Am Sonntag wurde der Kreis Calw zwar vom Fernsehfrosch als Katastrophengebiet erwähnt -mit 40 Liter Wasser auf den Quadratmeter - aber die Bäche und Flüsse schwollen nur unverhältismäßig an. Als sich also am Sonntag gegen Mittag der ständig rauschende Schleier hob und eine blasse Sonne durch den Dampf spähte, hörte ich immer wieder, stundenlang, die Sirenen von Feuerwehren. Da werden ein paar Keller vollgelaufen sein, dachte ich, oder die Nagold ist über die Ufer getreten. Hoffentlich ist nichts Schlimmeres passiert. Katastrophentouristin wollte ich nun auch wieder nicht spielen. Gegen später fuhr ich mit dem Auto zur Stadt, um mir ein wenig Bewegung im Badepark zu verschaffen, die Glieder waren ja schon ganz steif vom vielen Herumsitzen. Da sah ich, dass die Feuerwehr einen Tag der Offenen Tür feierte. Und just in diesem Moment sauste eine Feuerwehr mit Tatütata an mir vorbei, aus dem Fenster schaute ein Kind. Das Fahrzeug bog auf die Straße zum Fluss, der aber gar nicht über die Ufer getreten war. An diesem Ufer ging jemand mit einem Kinderwagen spazieren. Ich kam mir vor wie in einem Science Fiction. Später geschah auch noch ein Unfall auf der Strecke, aber wieder nicht wegen des Wassers. Morgen soll es vorbei sein mit der Heftigkeit, aber heute schwammen wir noch einml in einer braunen Brühe eine abschüssige Straße hinab. Die letzten zwei Wochen habe ich als absolut grenzwertig in Erinnerung, als würde ich durch mein Fenster auf eine Apokalypse schauen, als wäre die Welt kurz vor ihrem Untergang gewesen. Aber die Natur selbst kennt kein schlechtes Wetter, um auf das Eingangsstatement zurückzukommen. Die Schnecken zum Beispiel fühlten sich in ihrem Element. Und so habe ich auch keine weiteren Verluste zu beklagen als den Schneckenfraß an ein paar Tomaten - und Paprikastöcken.

Die wenigen sonnigen Tage haben wir für Ausflüge und Wanderungen genutzt. In einer Bücherkiste entdeckte ich das Buch von Renate Feyl über Sophie de la Roche, der Autorin, die ihre Familie im 18. Jahrhundert durch Schreiben über Wasser gehalten hat. Die profanen Stunden des Glücks. Dabei entdeckte ich, dass ich vor drei Jahren schon einmal darüber berichtet hatte: Wie man einst vomSchreiben lebte. Die Lektüre hat mir außerordentlich gut über diese Zwischenzeiten hinweggeholfen. Ergänzend zu meinem damaligen Bericht kann ich sagen, dass der Literaturbetrieb dem heutigen nicht ganz unähnlich war. Allerdings mit einem nicht unerheblichen Unterschied bei den Lesern und Leserinnen. Mit "Fräulein von Sternheim" hat Sophie de la Roche einen neuen Typ Frauenroman geschrieben, nämlich den einer Frau, die ihren eigenen Weg geht. Das fanden vor allem die Damen des Hofes und die "gehobene Gesellschaft" so toll, dass sie die Autorin feierten wie einen Star. Das dicke Geld verdiente sie aber mit der Zeitschrift "Pomora", weil die russische Zarin Katharina einen Haufen davon bestellte und sie verteilte. Mit der Zeit aber, die durch die Ereignisse in Frankreich immer stärker beeinflusst wurden, ging der Umsatz der Zeitschrift zurück, weil die erzieherischen Frauenthemen zu verstaubt wirkten. Sophie de la Roche überzeugt als Gesamtlebenswerk, als Schriftstellerin, die Manuskripte von Goethe, Schiller, Wieland und anderen vorgelegt bekam und von fast allen verehrt wurde. Sie hat ihren Mann, ihren Lieblingssohn und ihre Lieblingstochter verloren und sich dennoch sechzigjährig auf Reisen durch Europa gemacht, über die sie berichtete und mit denen sie sich durchbrachte. Ihr Name ist in Literaturkreisen geläufig, wenn auch Schillers "Räuber" und Goethes Werke heute noch bekannt sind und im Theater gespielt werden.
Hummelragwurz am Rand des Schwarzwaldes


Stadtmauer von Dinkelsbühl

Falls ich jemals noch eine Anwandlung bekommen sollte, wäre die Zeit von ihrer Geburt, die platonische Liebe zu Wieland, ihr Verweilen auf Schloss Warthausen bei Biberach sowie die Zeiten im Schloss von Bönningen (wo sie das Fräulein von Sternheim schrieb) noch "frei". Vielleicht erinnere ich mich daran, wenn wieder einmal der Sturm ums Haus tobt, die Regentropfen gegen die Fenster klatschen und die Vögel angstvoll davor herupiepsen. Apopos Vögel und Unwetterzeiten: Es muss die Tiere wirklich verrückt machen. Ein Storch im Brandenburgischen hatte kürzlich, so stand es in der Zeitung seine geliebte Störchin an einen Rivalen verloren, der dick und fett in seinem Nest saß. Der Storch klopfte an alle Fenster des Dorfes und hackte auf Autos ein, weil er in der Spiegelung seinen Nebenbuhler zu sehen meinte. Ich weiß nicht mehr genau, wie das endete. Vielleicht vertrieb er den Rivalen aus dem Nest und hockte dann alleine dort.