Sonntag, 18. Oktober 2015

Warum sich viele nicht abgrenzen können

Die Besucherkatze, inzwischen wohlgenährter
Aus gegebenem Anlass hatte ich den Kurs "Abgrenzen", der an diesem Wochenende im Kloster Heiligkreuztal stattfand, abgesagt. Dabei ist das Thema natürlich nach wie vor hochaktuell für mich. Auf Anhieb habe ich dazu den Artikel einer Psychologin und Psychotherapeutin gefunden, die den Komplex kurz, prägnant und übersichtlich darstellt. Abgrenzen Es lässt sich auf eine ganz einfache Formel bringen: Wer in seiner Kindheit und Jugend immer wieder Grenzüberschreitungen ausgesetzt war, wird sich auch später im Erwachsenenalter schwer abgrenzen können. Er wird auch die Grenzen anderer verletzen, weil er kein Gespür für die eigenen hat. Selbst das früher übliche "Teller aufessen" ist eine solche Grenzverletzung und alles, was einem Menschen gegen seinen Willen aufgedrückt wird. Woran merke ich, dass meine Grenzen verletzt wurden? Ich spüre Ärger, habe ein Ziehen im Bauch, fühle mich unwohl und über den Tisch gezerrt. Was hindert mich daran, mich dagegen zu wehren? In erster Linie sind es Schuldgefühle. Viele Menschen auf der Welt müssten hungern, und du isst nicht mal das, was auf deinem Teller liegt. Was, ihr feiert grundsätzlich kein Weihnachten? Dann bringe ich dir aber ein Tannenbäumchen mit, sonst ist das doch so traurig. Woran merke ich, dass ich die Grenzen anderer verletze? Wenn sie ein Gespür dafür haben, werden sie sich dagegen verwahren. Wenn nicht, werden sie alles tun, was andere von ihnen verlangen. Während meiner beruflichen Tätigkeit als Sozialtherapeutin habe ich gelernt, mich abzugrenzen. Manchmal genügt es schon, wenn man mehr Nachdruck in seine Stimme legt. Dadurch werden die wahren Gefühle sichtbar, die man in einer bestimmten Situation hat.

Zur Zeit erlebe ich eine ziemlich skurrile Art der Grenzverletzungen. Seit Wochen bekomme ich täglich Besuch von einer streunenden Katze. Anfangs wusste ich nicht, was sie eigentlich von mir wollte. Sie miaute vor der Tür, und wenn ich sie öffnete, kam sie herein geschossen und lief gleich wieder hinaus. Es dauerte eine Zeit, bis ich begriff, dass ich ihr oben auf der Terrasse meiner Nachbarin etwas in die Schüssel tun sollte. Da saßen schon zwei Katzen da, diese weiße, dünne und eine dickere schwarze. In den nächsten Tagen sprach ich mit meinen Nachbarn und erfuhr, dass sie eine Nummer im Ohr hätte und und zu einem Haus in der Nähe gehören würde. Ich solle die Katze wegjagen, wenn sie aufdringlich wird. Die Besuche wurden fortgesetzt. Die Katze miaute so herzzereißend, dass ich weich wurde, sie hereinließ und ihr draußen Reste zum Essen hinstellte. Nach dem Futtern verschwand sie sofort wieder. Jetzt war also klar, was sie wollte. Ausschlaggebend war dann der Umstand, dass ich sie morgens zusammengerollt in einem Busch fand. Jetzt war mein Mitleid vollends geweckt. Sie wurde zutraulicher, schlief auch einmal in der Wohnung, als es draußen bitter kalt war. Aber ihr Verhalten gefiel mir nicht. Sie schnurrte nicht, schleckte sich die ganze Zeit nur ab und zerkratzte mein Sofa. Ich habe ihr dann das, was ich an Katzenverträglichem da hatte, rausgestellt. Einmal kaufte ich sogar Katzenfutter. Kein gutes Arrangement, ich weiß. Ich hätte versuchen sollen, den Besitzer ausfindig zu machen. Meine Nachbarn gaben ihr nichts mehr, deshalb wurde die Belagerung meiner Tür immer stärker. Sie trappelte mit den Füßen, um den Milchfluss anzuregen. Einmal lag eine tote Spitzmaus im Garten, und einmal ohrfeigte sie die schwarze Katze barbarisch, weil die auch in meine Küche wollte. Wann immer ich eine Tür zum  Lüften öffnete, kam sie schon herein wie ein weißer Blitz, selbst spät in der Nacht. Ich glaube, dass sie es mit ihrem Verhalten in der ganzen Nachbarschaft versaut hatte, denn die Belagerungszeiten bei mir wurden immer länger. Sie sprang auf den Stuhl, miaute, sie haute mit den Pfoten gegen die Scheibe und riß mit den Zähnen an der Türfassung. Als das nichts fruchtete, sprang sie auf Fensterbrett und miaute in die Wohnung rein. Heute hatte ich die Schnauze gestrichen voll. Ich habe die Tür aufgemacht und sie angeherrscht, dass sie jezt endlich mal verschwinden solle. Das habe ich noch mal wiederholt, und erst dann hat es gewirkt. Sie trollte sich dann zur Nachbarin hinauf.

Dienstag, 13. Oktober 2015

Das Weißkittel-Drama

Es gibt auch noch ganz andere Gründe für Schreibblockaden als die Unstimmigkeit des Plots, die Angst vor Misserfolg oder der Zeitmangel wegen des Ebook-Marketings. So können es, und das bestätigen Schreiberfahrene, auch Widrigkeiten im persönlichen Umfeld sein, die einen vor dem leeren Monitor hocken lassen. Vor einiger Zeit hatte ich über die Zustände der medizinischen Versorgung vor allem auf dem Land berichtet. Da ging es um die fehlenden Praxen und die totale Überlastung der Hautärzte. Es endete damit, dass dem Patienten in der Notaufnahme des örtlichen Krankenhauses die doppelte Dosis Cortison verabreicht wurde, und schon ein paar Tage später war der ganze Spuk vorbei. Zur Nachuntersuchung hatten wir noch einen Versuch frei, in der benachbarten Bischofsstadt. Der Schuss ging ebenfalls daneben.

Nun, neue Krankheit, neue Weißkittel-Erfahrungen. In einer Universitätsstadt wie Tübingen mit ihren berühmten Unikliniken würden wir bestimmt auf der sicheren Seite sein. Wenn ich mich auch vage daran erinnerte, dass die Zahn- und Kieferklinik, zu der uns ein Not-Zahnarzt einmal schickte, abends einfach geschlossen war. Nun, die Öffnungszeit wurde auf der Homepage "bis 17.00" angegeben, so dass wir uns um Punkt drei dort einfanden. Überall mürrische Gesichter, ein ausgestreckter Zeigefinger zur Uhr: "Wir haben bloß bis 15.00 Sprechstunde!" Eine kleine Chinesin im blauen Kittel hatte dann ein Erbarmen. "Müssen hier warten, ich kläre das." Wir sollten zur BG, der berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik auf dem Berg, dort würden wir erwartet. Wurden wir aber nicht, sondern mussten zur Anmeldung. Sehr freundlich, man hörte sich die Sorgen des Patienten an. Dann mit dem Fahrstuhl, der schwer zu finden war, auf die Station. Dort hatte man von Tuten und Blasen keine Ahnung. Warten vor dem Arztzimmer. Nach zwei Stunden wollten wir gehen, aber dann wurde der Arzt angerufen (zu Notfällen unterwegs). Nochmal warten. Um 17.00 kam der Wagen mit dem Essen, genau derselbe wie anno dazual, als die Autorin noch ihr freiwilliges soziales Jahr in derTübinger Orthopädie machte. "Heute Currysuppe" stand da drauf. Jetzt ging gar nichts mehr. Als wir zum Ausgang strebten, kam der Stationsarzt plötzlich um die Ecke. Sehr freundlich, sehr kompetent, auch der Ober- und der Chefarzt. Untersuchung, diagnostische Verdachtsäußerungen. Wenn der Patient am nächsten Morgen um Punkt 8 da sei, käme er sofort dran (in der Zahnklinik), sonst müsse er bis zu 5 Stunden warten. Wegen überlanger Staus wurde es dann doch 8.15, woraufhin der Modus "Warten" wieder angesagt war. Der diensthabende Arzt hatte keine Ahnung, was er tun sollte, obwohl auf der Überweisung alles drauf stand-Computertomografie usw. Im Gegenteil, er überschüttete den Patienten mit Vorwürfen, dass er erst jetzt gekommen sei. Dabei hatten alle Ärzte das Ding nicht für etwas Ernsthaftes gehalten und zum Abwarten geraten. Horrorvorstellungen! Wie halten andere, noch viel schlimmer Kranke denn so etwas aus? Neues Spiel über Krankenhaus-Notdienst und Hausarzt. Nein, leider führt kein Weg an Tübingen vorbei. Diesmal die HNO auf dem Schnarrenberg. Und welch ein Wunder, der Patient musste eine Nummer ziehen, kam fast sofort dran, und schwupp!, hatte er einen Termin für Donnerstag zur Operation. Und die Moral von der Geschicht: Überleg dir genau, welche Krankheiten du bekommen willst! Frauen - und Zahnärzte gibt es zuhauf. Alles andere kann dir den Besuch eines Horrorfilms ersparen, in dem ein Patient stunden- und tagelang durch aseptische Flure torkelt, von abwechselnd netten und bösen Gesichtern angestarrt und belehrt wird, zusammenbricht und schließlich im Parkhaus aufwacht, aus dem er dann nicht mehr herausfindet.

Sonntag, 11. Oktober 2015

"Der eilige Gral der Ebookwelt"

In den letzten Tagen habe ich mir wiederholt überlegt, warum in letzter Zeit alles zu stagnieren scheint. Und kam zu dem Schluss, dass es nicht die Umstände sind wie der Herbst, der jetzt mit Macht und Hochnebeln angedampft kommt. Es scheint alles zu stagnieren, weil sich bei mir zu viel um die Sichtbarkeit (und damit die Vermarktung) der E-Books dreht. Das und die Veröffentlichungsprozesse haben seit Monaten meinen Schreibfluss, in dem ich eigentlich so dreizehn, vierzehn Jahre lang drin war, paralysiert. Dazu fand ich noch einen erhellenden Artikel der Plattform Sobooks vom Januar dieses Jahres. Ein Blogger namens Sascha Lobo beschreibt das Problem, wie Bücher, insbesondere Ebooks, vom Leser eigentlich gefunden werden sollen. Man kann sie ja nicht hochhalten oder sehen, wie andere Leute es lesen. Es liegt in keiner Buchhandlung oder wenn, dann nur in den digialen Regalen dieser Buchhandlungen via Tolino und anderer Distributoren. Und auch dort sind sie schwer zu entdecken, weil es keinen Stapel gibt. In den Buchhandlungen entdecke ich Bücher, wenn ich mir sehr viel Zeit nehme beim Stöbern. Wenn ich wenig Zeit habe, nehme ich die Bücher, die mir ins Auge fallen. Und darum dreht sich der Großteil des Problems, nachdem alle anderen Hürden erfolgreich genommen sind: Das Schreiben eines Buches, das Finden eines Verlages oder einer Agentur, das Lektorat, das Cover, der Klappentext. Und dann eben die Vermarktung. Das Gleiche gilt für die selbst publizierten Ebooks. Schreiben, Lektorat, Korrektorat, Cover, Klappentext. Und dann eben wieder die Vermarktung. In dem Blogartikel kommt der Autor zum Schluss, dass folgende Kriterien wichtig wären, um Bücher/ Ebooks sichtbarer zu machen:

. soziale Medien und E-Books müssen viel näher zusammenrücken: Bücher in den Newsfeed!
• die (digitale, soziale) Beziehung zwischen Autoren und Publikum ist einer der wichtigsten Schlüssel
• die Empfehlungsmöglichkeiten zwischen Lesern müssen technisch vereinfacht und qualitativ verbessert werden
• die essentiellen Diskussionen um Bücher brauchen einen organischen, nachvollziehbaren Ort
• und das E-Book braucht eine neue, zusätzliche Form des Leseerlebnisses, weil bisher Abgeschiedenheit Trumpf ist.

Das klingt plausibel. Und ich meine, so etwas schon vor Jahren bei einer meiner werten Blognachbarinnen gelesen zu haben. In den zahlreichen Kommentaren zu dem Artikel die ich quergelesen habe, kommt der Einwand: Ich lese aber im Zug und sonstwo nicht, um das Erlebnis mit anderen zu teilen! Ich will meine Ruhe haben beim Lesen. Nehmen wir einmal an, ich nehme mit meinem Buch an verschiedenen Leseforen teil und teile auch meine Erfahrungen als Leserin in solchen Foren. Dazu unternehme ich andere Aktivitäten, um mein Buch unter die Leute zu bringen. Das Ergebnis wäre eindeutig: Ich hätte noch viel weniger Zeit und Energie, neue Bücher zu schreiben. Es sei denn, ich würde das mit anderen zusammen machen. Ich will aber auch beim Schreiben meine Ruhe haben, denn sonst wäre ich ziemlich total in der digitalen Welt gefangen, was ich nicht will. Habe ich nicht immer gesagt, es gebe eine Realwelt neben der digitalen?

Ich weiß noch nicht so richtig, was ich machen werde. Ein Satz haftet mir im Gedächtnis, den ich einst bei unserer Kollegin Sabine Schäfers las: Autoren, die aufs Ranking starren. Und ich meine, Matthias Matting habe kürzlich erwähnt, dass er jemanden kenne, der nicht mehr schreiben könne vor lauter Rankinggucken. Vielleicht sollte ich alle Favoriten löschen, die sich damit befassen. Und mich in Zukunft nur noch mit den Dientleistern verbinden, die meinen Büchern die für sie maximale Sichtbarkeit verschaffen können, egal ob digital oder gedruckt.

Demnächst in den Onlineshops von Thalia, Weltbild, Hugendubel und vielen mehr: