Mir träumte gestern Morgen, jemand hätte "Schreibteufelchens Flucht" in
meinen Blog geschrieben, und zwar rechts im Layout, gut sichtbar für
jedermann und -frau und -kind. Da könnte durchaus etwas dran sein. Es
suggeriert mir Bilder, die in den letzten vierzehn Jahren entstanden
sind. Mein Schreibteufelchen ist wirklich seit geraumer Zeit spurlos
verschwunden. Was waren das für heimelige Zeiten, als es noch regelmäßig
hinter dem Vorhang hervor kam oder durchs Fenster hereinritt, Pech und
Schwefelgeruch im Gepäck. Es hat mich immer begleitet, und seine
Ratschläge waren nicht nur witzig, sondern oft auch richtig gut. Ist es
geflohen, weil schon alles gesagt ist? Weil ihm keiner mehr zuhört? Es
hat sich eine Menge ansehen und -hören müssen. Da waren zunächst die
Verlage, die immer so lange auf sich warten ließen. Du bist einfach nur
zu ungeduldig, hat es damals gesagt. Dann kam der Agent, der es gern
frauenlastig und happyendmäßig haben wollte. Schreib dein eigenes Ding,
hat es immer gesagt und sich kaputt gelacht über die Reihen der ewig
gleichen Cover und Klappentexte in den heiligen Hallen der Bücher. Es
hat den Kopf geschüttelt über die Monopolisten, die alles an sich
rafften, und ist schnaubend den Schornstein hinaufgefahren, als der
nächste Monopolgigant kam und sich breit machte in der Bücherwelt. Ja,
es hätte genickt und den Daumen hoch gehalten, als die Autoren sich
langsam emanzipierten. Doch da war das Teufelchen schon gar nicht mehr
da. Es hatte die Flucht ergriffen, weil es wusste, dass die Autoren
schon selber wüssten, wie sie dem Sumpf der Abhängigkeit entfliehen
würden. Die Verlage sicherten sich die E-Bookrechte, weil sie einen
guten Absatz witterten. Doch eine Schar von ritterlichen Befreiern
machte ihnen weniger oder mehr einen Strich durch die Rechnung. Wie eine
wilde Räuberbande fielen sie über die Bücher her, scannten wie die
Teufel und rissen sich alles, was nicht niet-und nagelfest in der
Buchladenecke verstaubte, digitalisierend unter den Diebesnagel. Doch am Grunde der Moldau, da wandern die Steine, was groß ist bleibt groß
nicht und klein nicht das Kleine (B. Brecht). Hört man heute noch
jemanden über die Bücherklauer jammern? Nein, denn es gab die große
Revolution.
Seit einigen Jahren sind Autoren dazu
übergegangen, den Verlagen nicht mehr hinterherzurennen. Auch etablierte
Autoren veröffentlichen selbst, profimäßig, was sie bei Verlagen nicht
unterkriegen. Viele sind es auch einfach leid, nach Vorgaben arbeiten zu
müssen. Gut, nun waren die E-Books da und die Autoren konnten selber
bestimmen, was auf ihren Covern und in ihren Klappentexten stand. Doch
wie es das Leben nun mal will, gibt es keinen Stillstand. Wie sagt man
noch, wenn man den Partner wechselt und irgendwann merkt, dass dort auch
nur mit Wasser gekocht und oder mit Geldscheinen gewedelt wird: Es
kommt nichts Besseres nach. Der Autorenprinz, der die Freiheit
versprach, der viel Geld unter viele Autoren brachte und viel Ruhm für
einige wenige, ist möglicherweise auch nur ein Frosch, der die Backen
aufbläst, um imposanter zu erscheinen. Noch ist er besser als alle
analogen Verlage, noch hat er schnelle Abrechnungen, schnellen Support,
schnelles Hochladen des Buches und schnelles Runterladen desselben. Und
es bleibt im Schaufenster, wenn es nur genügend Aufmerksamkeit bekommen
hat. Die Verlage legen vor, verlegen Bücher nach Schonfrist, rechnen im
Mittelaltertempo ab und verkaufen die Stapel im Monatstakt, die dann
meistens niemals, niemals mehr gesehen werden außer auf Flohmärkten und
im Antiquariat.
Das Schreibteufelchen hat die Flucht
ergriffen. Es hat sich am Rand seines Höllenloches versteckt und mit
tellergroßen Augen zugeschaut, was sich in der Bücher-, Autoren-,
Verlags-, Agenten-, Buchhandlungs- und Leserwelt tut. Es hat keine
schnelle Eingreiftruppe von Teufelchen geschickt, um alle auf den
rechten Weg zu bringen. Der Markt schafft sich seine eigenen Gesetze,
gegen die kommt keiner an, auch nicht mit Macht. Heißt: Wer nicht
gesehen wird, wird auch nicht gekauft. Wer nicht gekauft wird, hat auch
kein Ranking, wird also auch nicht gesehen und also auch nicht gekauft.
Hier wie da, beim Verlag und im Handel, bei Amazon und anderen, bei
E-Books und bei Druckausgaben. Das Karussel fliegt am Teufelchen
vorüber. Und es hat schon immer gewusst, was die Quintessenz des Ganzen
ist: Papier ist nicht mehr so geduldig wie zu Gutenbergs Zeiten, Reader
und Smartphone sind auch nicht geduldig. Geduldig, das wäre eine
Botschaft des Teufelchens, sind weiterhin nur die Leser, die mehr als
10% ihrer Bücher lesen und Autoren, die weiterhin 100% dessen schreiben,
was ihnen in den Kopf gekommen ist. Unabhängig davon, in welcher Form
die Leser es zu lesen bekommen und unabhängig davon, wo sie es herhaben.
Edit: Und nun ist es heraus, wie diese Flucht des Schreibteufelchens ins Layout kam: Petra van Cronenburg hat ihre Blaue Fluchten sehr eindruckvoll in meinem Traumgedächtnis hinterlassen!
Zwei interessante Kommentare zu "Das eigene Buch drucken lassen" von Petra van Cronenburg und Elli H. Radinger!
Liebe Christa,
AntwortenLöschendass ich bei Kolleginnen schon Alpträume verursache mit meinem Blog, ist ja teuflisch ;-) Aber das nennt man dann wohl Hingucker!
Herzlichst, Petra
Liebe Petra,
AntwortenLöschenja, das war einfach ein totaler Hingucker! Und der war eher teuflisch inspirierend als ein Alp. Und irgendwie scheinen diese Blogs ja unter die Haut zu gehen beziehungsweise uns manchmal Tag und Nacht zu beschäftigen.:-)
Herzlichst
Christa