Donnerstag, 26. Januar 2017

Aufruhr im Schwarzen Wald

Gestern las ich im Schwarzwälder Boten, dass gerade in Loßburg, nicht weit von Freudenstadt und vielleicht eine halbe Stunde von hier entfernt, ein Tatort-Krimi gedreht wird. lossburg-lena-odenthal-froestelt-in-oedenwald. Ich mag die Tatorte mit Lena Odenthal, deshalb las ich mit wachsendem Vergnügen, dass seitdem der absolute Hype in dem Ferienort ausgebrochen sei: Allein 80 Fernsehleute seien dort einquartiert, eine Menge Feriengäste und Schaulustige kamen dazu, und alle bibbern in der eisigen Kälte. Lustig, dachte ich, mein noch nicht veröffentlichter Schwarzwaldkrimi spielt ja ebenfalls dort, in einem fiktiven Ort namens Schwarzenberg nahe Loßburg. Wir hatten einstmals eine kleine Wanderung in der Gegend gemacht, was mich zu dem Krimi inspirierte. Scheint also eine Gegend zu sein, die es faustdick hinter den Ohren hat.

Heute nun machten wir unseren traditionellen Bummel in der Hessestadt Calw und landeten unter anderem beim kleinen Osiander. Zu meinem Erstaunen entdeckte ich zwei Exemplare meines letzten Verlagsbuches "Die Köchin und der Kardinal" im Regal. Nach dreieinhalb Jahren ist es normalerweise schon längst verschwunden. Die Buchhändlerin, mit der wir ein wenig über das Tessin geplaudert hatten, erklärte das mit diesem Hype, der Schwarzwald sei gerade wieder sehr im Kommen. Ein schönes Beispiel dafür, dass Bücher immer mal wieder hochgespült werden können. Hier noch ein Hinweis auf das sehenswerte Museum des Ortes, in dem man u.a. Alemannengräber,  eine alte Schulstube, Trachten, steinzeitliche Werkzeuge und Kuckucksuhren betrachten kann.
Museum Altes Rathaus Loßburg

Freitag, 13. Januar 2017

Vor dem Sturm

Gestern Nacht bin ich, wie so oft, auf meine Terrasse hinausgetreten. Es war alles still, der Schnee der letzten Tage war schon geschmolzen. Dann hörte ich ein Sausen hoch oben in der Luft, als würden mehrere Düsenjägervon allen Seiten heranfliegen. Wenig später rasten weiße, ausgefranste Wolken über das Haus hinweg, andere, dunklere, folgten und verdeckten immer wieder den Mond, den ein Halo umgab wie ein kleiner, runder Regenbogen. Die wilde Schar kam vom nordwestlichen Schwarzwald her, hastete weiter, als wäre sie von allen Nachtmahren der Welt verfolgt, und flog in südöstlicher Richtung davon. Das Brausen am Himmel verstärkte sich, ein Inferno kündigte sich an.

Vor langen Jahren habe ich schon einmal eine solche Nacht erlebt. Und schrieb darüber eine Kurzgeschichte, aus der wiederum später ein Roman entstand. In der Nacht im Milleniumsjahr 2000, ungefähr um dieselbe Zeit, las ich in den "Nachtwachen des Bonaventura" Folgendes:
Es war eine von jenen unheimlichen Nächten, wo Licht und Finsternis schnell und seltsam miteinander abwechseln. Am Himmel flogen die Wolken, vom Winde getrieben, wie wunderliche Reisebilder vorbei, und der Mond erschien und verschwand in raschem Wechsel. Unten in den Straßen herrschte Totenstille, nur hoch oben in der Luft hauste der Sturm wie ein unsichtbarer Geist. Dann ging die Straßenlaterne aus, und es gab nur noch dieses Sausen des Windes, ein kurzes Blinken von Sternen und den bangen Ruf eines Käuzchens. Jetzt ist er da, der Sturm. Der Himmel stahlgrau, das Gerippe des Nussbaums vor mir, Regen peitscht mir ins Gesicht, es tobt und wütet, poltert und scheppert. Ein Klirren, das Thermometer, ein Klatschen, die Matte ist weggeweht, Äste schlagen gegen das Fenster. Ich denke an die zweite Weihnachtsnacht des Jahres 1999, die Nacht des Lothar, der europaweit für ungeheure Zerstörungen sorgte. Auf dem Kamm waren die Fichte wie ein Mikadospiel weggeknickt, die Regentonne war ums Haus geflogen und ein Baum im Garten hatte sich quer über die Straße gelegt. Diesmal geht es glimpflich aus, aber wahrscheinlich müssen wir in diesem Jahr mit weiteren, stärkeren Unwettern rechnen. Ich gehe zurück in die wohlige Wärme des Hauses. Wohl dem, der jetzt noch Heimat hat, sagte einst Nietzsche in einem Gedicht. Hier ein anderes Gedicht von Gottfried Keller, dessen "Grünen Heinrich" ich sehr gern gelesen habe:

                                                               Im Schnee
                                                    Wie naht das finster türmende
                                                    Gewölk so schwarz und schwer!
                                                    Wie jagt der Wind, der stürmende,
                                                    Das Schneegestöber her!
                                                    Verschwunden ist die blühende
                                                    Und grüne Weltgestalt;
                                                    Es eilt der Fuss, der fliehende,
                                                    Im Schneefeld nass und kalt.
                                                    Wohl dem, der nun zufrieden ist
                                                    Und innerlich sich kennt!
                                                    Dem warm ein Herz beschieden ist,
                                                    Das heimlich loht und brennt!
                                                    Wo, traulich sich dran schmiegend, es
                                                    Die wache Seele schürt,
                                                    Ein perlend, nie versiegendes
                                                    Gedankenbrauwerk rührt!

                                                      Gottfried Keller, 1819-1890

Dienstag, 10. Januar 2017

Wo ist denn das verdammte Nudelholz?

In den letzten drei Monaten habe ich mich viel zu Hause aufgehalten. Nicht, weil die Witterung so schlecht war und ich einen Winterschlaf gehalten hätte. Wegen einer beidseitigen Sehnenscheidenentzündung konnte ich zwei, drei Wochen lang nicht einmal Auto fahren, musste mich also überall hinkutschieren lassen. Es war aber trotzdem eine nachdrückliche Erfahrung. Alles musste auf Sparflamme laufen. Und trotzdem sieht jetzt alles viel freundlicher und sauberer aus. Und trotzdem konnte ich vor ein paar Tagen einen Wunschroman beenden, den ich schon seit Jahren schreiben wollte. Immer stehend und mit Pausen, versteht sich. Das Nachlassen des Schmerzes war wie eine Neugeburt für mich.

Heute nun hatte ich ein paar Stangen frischesten Lauchs auf dem Küchentisch. Viel zu viel, um es als Beilage zu verwenden. Da entstanden Bilder von Dingen, die ich früher mal gekocht und gebacken hatte. Quiche Lorraine, Zwiebelkuchen, Lauch-Kartoffel-Gratin. Wie wäre es denn mal mit einem Lauchkuchen? Ich suchte mir ein Rezept heraus, knetete den Teig und wollte ihn ausrollen. Verdammt noch mal, wo war denn eigentlich das Nudelholz? Und das Backbrett, stand das nicht immer unten bei den Töpfen? Nun gut, der Lauch dünstete schon vor sich hin, und die Speckwürfel brieten zischend in der Pfanne. Es gab kein Zurück mehr. So zog ich den Teig vorsichtig in der Springform aus, belegte ihn mit Lauch, Speck, Sahne, verschlagenen Eiern und Creme Fraiche und ließ ihn backen. Nach vierzig Minuten war er fertig. Und siehe da, es war eine von den Speisen, von der mein späterer Gast zweimal nahm! Wie in besten alten Studenten- und "Brigitte"-Zeiten.

Was lerne ich daraus? Es ist ziemlich viel verloren gegangen in den sechzehn Jahren, die ich hauptsächlich schreibend verbrachte. Parallel zu diesem Ereignis las ich ein Buch, einen ziemlich tiefgründigen Thriller, wie ich finde, der mich sehr beeindruckt hat. Da geht es um eine Schriftstellerin, die sich zwölf Jahre lang in ihrem Haus verschanzt und einen Bestseller nach dem anderen schreibt. Sie fühlt sich von einem Mann verfolgt, den sie direkt nach dem Mord an ihrer Schwester gesehen hat. Die Isolation in dem Haus wird auf verschiedenen Ebenen beschrieben: einmal auf der Thrillerebene, dann in einem Roman, den die Autorin parallel dazu schreibt, dann auf einer tieferen, therapeutischen Ebene. Auf der letzten Ebene wirkt die freiwillige Gefangeschaft wie eine Depression oder auch Manie. Und es wird immer klarer, dass die Autorin sich nach den sinnlichen Eindrücken der Außenwelt sehnt. Die Mauersegler, der Geruch von Gras, Gespräche mit Menschen. Einfach durch eine Stadt zu treiben, die Sonne auf der Haut zu spüren und irgendwo einen Kaffee zu trinken. Wenn sie aus dem Fenster schaut, sieht sie ihre Hund im Garten tollen, sprühend vor Leben. Das Buch hätte auch heißen können: Es gibt noch etwas anderes da draußen. Aber dann wäre es kein Thriller gewesen.
Melanie Raabe; Die Falle, BtB 2016