Ach, wie berauschend musste es einst gewesen sein, als Frau ein Buch zu veröffentlichen! Fast verspürt man das Bedürfnis, im 18. oder 19. Jahrhundert geboren worden zu sein, der Zeit der Romantik. Eine Dame von Stand, Caroline von Wolzogen, schrieb einen Roman namens "Agnes von Lilien" - über eine junge Frau, die sich in der realen Welt fremd und unverstanden fühlt, sich selber sucht und einen idealisierten Mann gefunden hat. Dafür musste sie sich nicht etwa nach einem Verlag umsehen, und sie musste auch kein Geld damit verdienen. Ruhm war damals alles. Statt einen Verlag zu suchen, gab sie ihn ihrem Schwager Friedrich Schiller zu lesen, der ihn begeistert in seinen "Horen" veröffentlichte. Der Roman wurde Goethe zugeschrieben, später auch Schiller, bis die Identität gelüftet war. Ganz Weimar redete über kein anderes Thema, eine Flut von posiven Rezensionen erreichte die Autorin, berühmte Männer und Frauen der Zeit waren voll des Lobes. Herzog Karl August schickte ihr einen reich verzierten Schrank mit Schubfächern für die weiteren Manuskripte. Sie genoss diesen Ruhm unendlich. Bald geriet sie unter Druck, den nächsten Roman folgen zu lassen, auf den alle Welt schon wartete. Doch was geschah? Schillers Frau wurde schwer krank, und da man das Genie, das gerade an der "Johanna von Orléans" saß, nicht belästigen durfte, wurden ihr Schillers vier Kinder zusätzlich zu ihrem eigenen aufgebürdet, inklusiv der Pflege der Schwester und einem Umzug der Familie. Das hat sie alles geschafft, betrieb auch weiterhin ihren Salon mit den großen Geistern ihrer Zeit. Ernüchtert musste sie feststellen, dass ihr Gatte von Wolzogen mit einer erfolgreichen russischen Brautwerbung für den Herzogsohn zehnmal mehr verdiente als Schiller mit seinen Werken, und für den Rest seines Lebens ausgesorgt hatte. Da musste Caroline nun wirklich nichts hinzuverdienen. Anders war es bekanntlich bei Sophie de la Roche, die als erste finanziell unabhängige Autorin gilt und sich und ihre fünf Kinder mit dem Schreiben durchbrachte. Caroline von Wolzogen und ihr Ehemann wurden von der Weimarer Gesellschaft geächtet, weil sie mit Goethe und seiner Frau Christiane Vulpius verkehrten. Es wurde einsamer um sie. Die Einsamkeit kam ihr aber zu Pass, denn so konnte sie sich immer mehr dem Schreiben widmen. Eines Tages stellte Caroline von Wolzogen fest, dass sie plötzlich 59 Jahre alt geworden war. Die meisten ihrer Lieben - Schiller, ihre Schwester, ihr Ehemann -waren gestorben. Später sollte auch noch ihr Sohn Adolf folgen. Doch es gab immer noch Größen wie Goethe, Alexander von Humboldt oder Charlotte von Stein, die ihre Hand über die Autorin hielten. (Frau von Stein wurde übriges steinalt!) So vollendete Caroline eine Biografie über Schiller und einen zweiten Roman namens "Cordelia". Damit geriet sie aber bald in Vergessenheit.
Heute haben wir keine Herzöge und berühmte Genies, die unsere Bücher fördern und bekannt machen und uns mit Ruhm und Geschenken überhäufen. Wir schreiben Bücher und stellen uns damit an-in der Bücherfabrik. Würden eine Caroline von Wolzogen oder eine Sophie de la Roche heute leben, würden sie einen Salon bei Facebook betreiben, sich von ihren Männern ernähren lassen oder selbst für ihren Unterhalt geradestehen. Auf jeden Fall würden sie ihren Haushalt und ihre Kinder selbst versorgen. Sie würden Bücher und Ebooks bei Verlagen herausgeben oder selber veröffentlichen. Den Platz an der Sonne, den Marmorkuchen müssten sie sich mit tausenden anderer schreibender Männer und Frauen teilen.
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