Samstag, 7. März 2015

Was macht der Lektor mit dem Buch, was der Leser?

Vorgestern habe ich das Lektorat meines historischen (Kriminal-) Romans beendet. Und ich muss sagen: Es hat der Geschichte noch einmal den richtigen Drive und Hinweise auf tiefere Zusammenhänge gegeben. Das betrifft den gesamten Roman bzw. den Handlungsablauf von der ersten bis zur letzten Szene. Zum Ablauf hatte mir mein Testleser schon richtig gute Ideen beigesteuert. Jetzt kann ich den gesamten Roman unter diesen Aspekten noch einmal überarbeiten, korrektorieren lassen und dann veröffentlichen ...eine sehr verlockende Aufgabe! Die insgesamt acht Lektoren, die ich bisher hatte, haben aus meinen Büchern jeweils das Beste herausgeholt, was zu holen war, jede(r) auf seine Weise. Dieses letzte Lektorat war eigentlich das intensivste, weil sich die Lektorin in die ganze Geschichte hineingefühlt hat und sich davon inspirieren ließ.

Gestern, nach (Schreib -) Feierabend, fand ich einen Artikel von Nina George im Blog der Bücherfrauen (3.3.15): Ich liebe meinen Verleger, aber brauche ich ihn noch, auf den auch einige mir liebe und wohlbekannte Autoren geantwortet haben. Es ging um das Verhältnis des Autors zum Verleger und zur eigenen Veröffentlichungstätigkeit. Dabei wurden, auch in den Kommentaren, alle wesentlichen Aspekte herausgearbeitet, die auch mich gerade brennend interessieren. Es gibt noch einen weiteren Artikel bei den Bücherfrauen, der ebenfalls zukunftsweisend ist: Das Buch der Zukunft-Perspektiven auf der Social Media Week Hamburg. 
Ich zitiere daraus mal die zentralen Thesen:(Quelle: Bücherfrauen)
  • Der Content wird stark von Nutzer-Feedback geprägt sein.
  • Das Buch der Zukunft wird nicht zuerst in Printform publiziert.
  • Es wird neue Literaturformen geben und „Nischenliteratur“ rückt stärker in den Marktfokus.
  • „Hochliteratur“ wird teurer, hochwertiger und exklusiver.
  • Die Grenzen zwischen Buch und Software werden stärker verschwimmen.
     .   Das Buch der Zukunft wird im Browser gelesen.
  • Die digitale Form des Lesens, Kommentierens und Verlinkens wird dem Charakter des Buches als Teil eines kommunikativen Austauschprozesses gerechter als das isolierte Lesen einer Printpublikation.
  • Soziale Empfehlungen sind für den Leser relevanter als Bestsellerlisten.
  • Das Buch der Zukunft wird sich in vielen Dimensionen verändern (Textform, Autorschaft, Verbreitung etc.), so dass es sich dem Paid Content immer weiter annähert.
  • Das Buch der Zukunft wird weiterhin die Ordnungsleistungen des herkömmlichen Buchs erfüllen.
Dabei sehe ich zunächst mal eine Demokratisierung des Bücherschreibens, des Herstellens, der Vermarktung und des Lesens dieser Bücher. Insbesondere die Wahlmöglichkeit der Leser und Autoren ist nachgerade revolutionär. Wir müssen nicht mehr vor der Bestsellerliste im Buchhandel stehen und das wählen, was sich gerade am besten verkauft. Leser kaufen das, was ihnen am meisten zusagt und schaffen sich so ihre eigenen Bestsellerlisten. Der Leser bestimmt, was auch in Zukunft gelesen wird, nicht mehr die Torhüter in den Verlagen und in den Feuilletons. Und eigentlich bestimmt es der Autor, denn er hat die Bücher ja geschrieben. Besonders wichtig finde ich den Aspekt, dass Nischenthemen jetzt eher eine Chance bekommen, während sie bisher durch alle Raster fielen (nicht marktfähig!) und fortan in irgendwelchen Schubladen verstaubten. Die Möglichkeit, dass Leser den Fortgang von Geschichten mitbestimmen, erscheint mir gar nicht so neu. Ich war selbst einmal fünf Jahre in einer Schreibwerkstatt, in der gegenseitig an der Entwicklung als Autor und an den Geschichten gefeilt wurde. Aus dieser Werkstatt sind einige heute bekannte Autoren und sogar eine Ebook-Queen hervorgegangen. Auch dort wurde zwischendurch mal über etwas anderes geredet. Für den Entstehungsprozess eine Buches finde ich das auch nach wie vor sehr förderlich und inspirierend. War es eine Vorwegnahme der heutigen Situation, in einer zeit, als unser Marcel Reich-Ranitzki noch stirnrunzelnd verkündete: Internet-Autoren, meine Damen und Herren, sind eine Spezies, die wir nicht ernst nehmen müssen. Nie war ich motivierter und enthusiastischer als in den Zeiten des Feedbacks, sei es mit Testlesern oder Lektoren. Wobei das Lektorat Auge in Auge für mich das Qualitätsmerkmal bleibt. Und das Korrektorat. Leider springen mir beim Anlesen von Ebooks, die mich interessieren, gleich auf der ersten Seite Fehler an, die beim Lesen stören. Die kaufe ich nicht. Bisher habe ich nur einige Ebooks vor allem von Autorenkollegen gekauft, deren Qualität mir von vornherein bekannt war. Das abendliche Lesevergnügen findet weiterhin mit Printbüchern statt.

Wenn mich heute ein Neuautor fragen würde, was ich ihm als Einstieg raten würde, Agentur, Verlag oder Self Publishing, würde ich wahrscheinlich sagen:
Mach das, womit du dich am meisten identifizieren kannst. Das sagen wir uns auch als Kollegen in unserer täglichen therapeutischen Arbeit. Und mach es, mit allem Drum und Dran, auf die bestmögliche Weise, die du zu leisten vermagst. Dann kann sich am Ende ein jeder sagen, dass er die Leser bekommt, die er verdient hat.

Heute schon gezweifelt?

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