Samstag, 6. Dezember 2014

Autoren wie Orchideen

Gestern las ich einen Artikel über das, was wirklich wichtig sein kann im Leben eines Menschen. Da konnte man sondieren, ob wohl das abendliche Fernsehprogramm wichtig ist und was die Leute von mir denken. Ob nicht die Beziehungen zur Familie und zu Freunden wichtiger ist als, jetzt mal frei Schnauze, das Ranking bei Amazon oder die Höhe des Bücherstapels im Buchladen. Und die Gesundheit, natürlich. Also habe ich mal über die wirklich wichtigen Dinge in meinem Leben nachgedacht. Dazu gehören, abgesehen von den oben genannten Dingen, die Arbeit mit Menschen, die in ihrer Entwicklung auf irgendeine Weise gestört sind sowie selbstverständlich das Schreiben. Für jemanden, der vom Schreiben lebt, ergeben sich ganz andere Gewichtungen. Für den kann der Bücherstapel oder das Ranking überlebenswichtig sein. Oder die Präsenz als Self Publisher in anderen Läden als dem Riesen Amazon.

Die Sichtung des einen oder anderen Distributors hat für mich ergeben, dass ich mich eigentlich bei keinem so richtig heimisch fühlen würde. Nichtsdestoweniger bin ich da weiterhin offen. Das Jahr 2014, das jetzt allmählich zu Ende geht, hat meine "Karriere" als "Hybridautorin" gefestigt. Das heißt, ich habe ein zweites Verlagsbuch selbst als E-Book herausgebracht und bin mit der Entwicklung sehr zufrieden. Die Verkäufe sind kontinuierlich, es gibt keine August-, November- oder Urlaubseinbrüche. Der finanziell erfolgreichste war allerdings der Ferienmonat Juli. Jetzt stehe ich kurz vor Beendigung meines historischen Krimis, der wie mein Schwarzwaldkrimi in keine Verlagsschubladen zu passen scheint. Den werde ich im neuen Jahr als ersten in Angriff nehmen. Werde mir einen passenden Lektor/ eine passende Lektorin suchen, eine gute Grafikerin habe ich ja schon. Die müssen natürlch auch Kapazitäten frei haben. Der historische Krimi wird an die 350 Seiten haben, der andere Krimi knapp 300.

In diese Überlegungen fiel dann wie ein reifer Apfel der Gastbeitrag des Schriftstellers und Bloggers Stefan Waldscheidt: Der Hybridautor als Modell für die Zukunft in Matthias Mattings Selfpublisherbibel. Beim Wort "Hybrid" denke ich immer zuallererst an Orchideen. Auch unsere heimischen Orchideen wie die Ragwurz können Hybriden bilden. Nehmen wir einmal die Bienenragwurz, die inmitten ihrer Blüte eine Biene nachgebildet hat, um Insekten anzulocken. Diese Ragwurz kann mutieren zu einem Mischling oder Bastard aus Bienen- und Hummelragwurz. Oder Spiegel - und Spinnenragwurz. Eine Fliegenragwurz kann breitere Fliegen hervorbringen und ist somit eine Hybride. Aber kommen wir wieder weg von der Botanik. Ein Hybridautor ist ein Misch-Autor, der sowohl bei Verlagen als auch selbst veröffentlicht. Die Vorteile beider Seiten und vor allem der Mischung hat Stefan Waldscheidt noch einmal sehr schön zusammengefasst. Es geht ja nicht um die Veröffentlichung um jeden Preis, sondern auch um Selbstbestimmung. Diese Vorteile habe ich auf sehr angenehme Weise erfahren. Vor allem kann man meist viel stärker hinter dem eigenen Cover und Klappentext stehen als hinter dem von Verlagen. Einen weiteren gewaltigen Vorteil möchte ich noch hinzufügen: Die Bücher in den Buchhandlungen verschwinden heutzutage innerhalb von ein bis zwei Monaten wieder. Am längsten lag meine Nonne und Hure dort, nämlich neun Monate. Aber das ist Schnee von gestern. Die E-Books haben zumindest die Chance, dauerhaft gesehen zu werden. In welchen Fenstern sie dann liegen, ist eine Frage der Quantität und der Vermarktung. Und das Wichtigste ist und bleibt für mich das Schreiben.

Und hier noch das Schmankerl des Tages, in aller Munde: Was ist Schreiben von Nina George, gehalten als Rede zur Eröffnung der Schreibtage 2014 in Berlin-Wannsee, veröffentlicht bei den Bücherfrauen. Super guter Artikel, in dem sich jeder Autor wiederfinden kann. Besonders auch die Kleinmacher und der Gedanke "Das will je eh keiner lesen." als Folge davon. Eine umfangreiche, spannende Lektüre für Gefühl und Verstand, eine geschichte zu dem Phänomen, wie man seinen Schreib-Raum gegen den Rest der Welt verteidigt.