Mittwoch, 10. November 2010

Ist das Mittelalter out?

Angeregt durch Alexander Benras Überlegungen zu den Schauplätzen von historischen Romanen, habe ich mich mal ein wenig umgeschaut. In einem Artikel vom letzten Winter fand ich die Aussage, dass das Mittelaler bei den neuen Romanen immer mehr in den Hintergrund gerate. Neuerdings schreiben arrivierte AutoInnen wie Petra Durst-Benning und Iny Lorentz zunehmend über die Neuzeit bis hinein ins 18., 19. Jahrhundert. Das war früher verpönt. Auch die Schauplätze haben sich teilweise europaweit verschoben. Wobei die "Zugkräftigtsten", ich denke da an die Henkerstochter-Trilogie und Sabine Ebert, eben doch in Deuschland spielen. Die Leserinnen lieben es, ihren eigenen Wurzeln nachzugehen, las ich einmal in einer Rezension.
Was hat es nun mit dieser Mittelalter-Liebe der Deutschen auf sich? Es gab und gibt ja den Plan, ein riesiges Areal in Wertheim als getreulich nachgebildeten Freizeitpark anzulegen: Ritterland Wertheim. Darüber habe ich aber nichts Neues mehr gehört, die letzten Einträge stammen von mir. Von dem, was im Verborgenen läuft, kann ich natürlich nichts wissen. Aber ich mag noch nicht so recht dran glauben. Hätten die Filmemacher sonst mit so großem Aufwand "Die Wanderhure" ins Fernsehen gebracht, die "Päpstin" ins Kino, und würden sie am Montag um 20.15 in Sat1 den ersten Teil des Vierteilers "Die Säulen der Erde" ausstrahlen, wenn sie sich nicht noch ein gewaltiges Interesse daran erhofften? Für mich wird das Mittelalter niemals out sein, ich liebe es nach wie vor, durch alte Städte zu streifen, Klöster und Kirchen zu besuchen und den Geruch der romanischen Mauern in der Nase zu haben.
Nach wie vor gibt es Mittelalter-Feste und Mittelalter-Märkte. An das Mittelalter-Gebot in den Romanen habe ich mich sowieso nie gehalten, einfach deswegen, weil das 16. Jahrhundert "meines" war. In meinem Letzten (Schauplatz: Florenz) gehe ich bis ins 15. Jahrhundert zurück. Übrigens werden solche Autoren wie ich als "Epochenspringer" bezeichnet, was auch stimmt: 19.JH, 17.JH, zweimal 16. JH und einmal 15.J. Darüber, was aus meinem neuen Roman wird, mache ich mir keine Gedanken, ich weiß ja, dass ein jeder Roman von mir den ihm zustehenden Platz gefunden hat und finden wird.

7 Kommentare:

  1. Ich tue mich schwer mit dem Begriff "Mittelalter", leichter allerdings mit der Frage, warum so viele Menschen sich zu dieser Epoche hingezogen fühlen.
    Das eine Mittelalter gibt es ja nicht. Viel zu unterschiedlich waren die Lebensbedingungen und die gesellschaftlichen und sozialen Bedingungen in den unterschiedlichen Kultur- und Herrschaftsbereichen Europas. Zudem ändern sie sich im Laufe der rund 9 Jahrhunderte dramatisch. Die Geschichte des europäischen Mittelalters ist unter politik- wie sozial- und alltagshistorischen Gesichtspunkten so bedeutsam wie spannend. Allerdings findet sich davon nicht viel in den sogenannten historischen Romanen.
    Die Nachfrage nach diesem Genre wird hauptsächlich gespeist vom Eskapismus der Leser, denen diese ferne Epoche im Gegensatz zum Chaos der Moderne überschaubar erscheint. Gut und Böse sind klar definiert. Natürlich hat das mit der Lebenswirklichkeit der jeweiligen Epoche nicht viel zu tun. Im "echten" Mittelalter möchte niemand der Fans leben, was übrigens auch erklärt, dass die herausragenden historischen Romane der vergangenen hundert Jahre von den Anhängern dieses Genres fast nie genannt werden, wenn man sie nach ihren Lieblingsbüchern fragt. Hugo, Tolstoi, Werfel, Th. Mann, Nadolny, Doktorow - sie alle haben großartige historische Romane geschrieben. Weshalb mir übrigens um das Genre auch nicht bang ist, abseits des Mainstreams.

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  2. ...ich hatte bisher so gar nicht den Eindruck, dass das Interesse am Mittelalter zurück geht, im Gegenteil. Wenn frau, wie ich jedoch aus einer Stadt wie Erfurt kommt, gehört der Hang zur Historie gewissermaßen zur Grundausstattung...

    ... aber was ist "das Mittelalter-Gebot in den Romanen"?

    fragende Grüße Stephanie

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  3. @Mattias:
    "Weshalb mir übrigens um das Genre auch nicht bang ist, abseits des Mainstreams."

    Und das ist das Tröstliche! Danke für deine Worte.

    @Stephanie:
    Erfurt habe ich vor einem Jahr bereist und war begeistert, besondes vom Dom und den alten Gassen! Das Mittelalter-Gebot in den Romanen war so: Leute aus der Velagsbranche meinten und meinen, Mittelalter gehe immer, Neuzeit auch noch, aber 18. Jahrhundert auf keinen Fall. Und das stimmt auch, wenn man es auf die Verkäufe bezieht.

    LG
    Christa

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  4. Liebe Christa,
    ich sehe das durch die Historikerbrille (obwohl ich keiner bin) ähnlich wie Matthias, aber das trifft ja nicht die Realität von Einkäufermentalitäten im Buchmarkt.

    Die sollte man vom wahren Interesse der Menschen draußen gut unterscheiden: Mittelalter in allen Facetten wird die Menschheit weiter beschäftigen wie die alten Römer auch. Aber in einem gewissen Buchsegment hat man den Hype einfach überdreht, so dass eine gewisse Sattheit selbst bei Fans eintreten mag. Kommt dazu, dass durch selektive Einkäufe schlicht so viele ebenfalls spannende Zeiten untergingen.

    Und leider reagieren Einkäufer auf Vielfalt immer erst, wenn Verkaufszahlen sinken. Ich denke, Romane, die sich ihre Eigenheit bewahren und nicht dem gerade Angesagtesten entsprechen, wandern immer stärker in mittelgroße und kleinere Verlage ab und in der Literatur läuft echte Geschichte schon immer konkurrenzlos durch alle Zeiten. Diese Bücher werden ganz bestimmt nicht untergehen, sondern immer ihr Spezialpublikum finden.

    Und wie das Matthias anspricht: Bücher, die sich mit Geschichte beschäftigen, findet man zuhauf außerhalb des Genres (Sachbuch und Biografien nicht vergessen!), und so mancher Autor hat aufs Fernsehen umgesattelt, weil da immer noch mehr möglich ist als im Buch. Stichwort Doku-Soaps, ein Dauerbrenner.

    Ich denke, die Herausforderung der Zukunft wird sein, wie wir Autoren unsere "Fangemeinden" selbst aufbauen können, um noch direkter an die Leser heranzukommen. Dann stellen sich Fragen von "Geboten" auch nicht.

    Herzlichst,
    Petra

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  5. Hochinteressant, Petra!
    "Ich denke, Romane, die sich ihre Eigenheit bewahren und nicht dem gerade Angesagtesten entsprechen, wandern immer stärker in mittelgroße und kleinere Verlage ab und in der Literatur läuft echte Geschichte schon immer konkurrenzlos durch alle Zeiten. Diese Bücher werden ganz bestimmt nicht untergehen"

    Auf Dauer werde ich mir wirklich überlegen müssen, was ich für welchen Verlag schreiben möchte. Dabei sehe ich weiterhin sehr gern die Geschichtssendungn im Fernsehen, lese Biografien und historische Sachbücher manchmal lieber als Romane
    (z.B. über Katharina von Bora, obwohl das gar nicht so leicht zu lesen ist).
    "Ich denke, die Herausforderung der Zukunft wird sein, wie wir Autoren unsere "Fangemeinden" selbst aufbauen können, um noch direkter an die Leser heranzukommen. Dann stellen sich Fragen von "Geboten" auch nicht."

    Ich habe gar keine Fangemeinden außer Autoren- und Arbeitskollegen, die meine Bücher lesen. Und ich habe mich schon immer gefragt, wie man Fangemeinden aufbauen kann, wenn niemand diese Bücher in den Buchläden sehen und kaufen kann. Ich weiß schon, du hast Antworten darauf gefunden - ich in meiner Situation noch nicht.

    Herzlichst
    Christa

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  6. Liebe Christa,
    ich fürchte, du stellst dir einfach die falsche Frage:
    "Auf Dauer werde ich mir wirklich überlegen müssen, was ich für welchen Verlag schreiben möchte."

    Ein wunderbarer Agent hat mal zu mir gesagt: "Das Einzige, was Sie sich zu fragen haben, ist: Was will ICH, was drängt aus mir heraus, was habe ich zu sagen. Für alle anderen Fragen sind andere Leute da."

    "Ich weiß schon, du hast Antworten darauf gefunden - ich in meiner Situation noch nicht.

    Die Antworten sind für alle Autoren die gleichen: Entweder du liegst bei Thalia & Co. auf den großen Stapeln, oder du musst dich selbst aktiv engagieren, um deine Bücher sichtbar zu machen (Verlage machen's meist nicht und können auch gar nicht so direkt ans Publikum wie Autoren.) Und da geht neben Lesungen, die nur eine Facette von Öffenlichkeitsarbeit sein können, kein Weg mehr vorbei an den Social media. Was künftig auch viele Verlage fordern werden.

    Was man darin macht und wie, hängt von den eigenen Büchern ab, der Autorenpersönlichkeit und der Zeit. Eine Website mit eigener Domain ist das Minimum an Visitenkarte. Fürs Genre gibt es die Plattform von Holtzbrinck, man kann mit aktivem und vernetzten Bloggen eigene Communities bilden - es gibt viele viele Möglichkeiten. Vielleicht zu viele?
    Herzlichst,
    Petra

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  7. Liebe Petra,

    ich habe einen ganzen Winter lang Zeit, darüber nachzudenken.
    Diese Zeit will ich mir nehmen.

    Herzlichst
    Christa

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