Dienstag, 2. Juni 2009

Glückliche Autoren

Neben den gewaltigen, oft aber auch unglücklichen Figuren gibt es solche, die mit ihrem selbstgewählten Los zufrieden, wenn nicht gar glücklich sind. Der Maler Strickland in Somerset Maughams Roman ist so einer, der Familie und Beruf verlassen hat und nach Paris gegangen ist, um zu malen. Er verkauft nichts, lebt im Elend und stürzt andere mit hinein. Aber es ist das, was er gewählt hat.
"Vielleicht lebt der Schriftsteller in seinen Bösewichten eigene tiefeingewurzelte Instinkte aus, die durch die Sitten und Gebräuche der Zivilisation in die geheimnisvollen Winkel des Unbewussten zurückgedrängt worden sind. Indem er der Gestalt seiner Erfindung Fleisch und Blut gibt, flößt er einem Teil seines Selbst ein Eigenleben ein, dem er auf andere Weise nicht Ausdruck verleihen darf. Seine Genugtuung entspringt ganz einfach einem Gefühl der Befreiung." (Silbermond und Kupfermünze, S.205) Freud nannte das "Sublimation", Verwandlung des Sexualtriebes in Kunst.
Desgleichen sah ich noch einmal diesen Alten auf einer dänischen Ostseeinsel, der seine Fische räuchert und auf die Frage, was wichtig sei im Leben, antwortet: Keine Hektik, keine Termine, dort und so leben, wo und wie es einem gefällt. Wer kann das heutzutage schon, außer er ist reich oder in Rente? Ich habe am Wochenende unsere Jungen gesehen, wie sie an ihrer Karriere knabbern müssen, Einsatz ohne Ende. Und die Waren, die sich um uns stapeln: Kauf mich, kauf mich! Arbeitsdruck, Termindruck, Emaildruck, Foren, Schreibdruck, Telefon, Vertreter, Besuche, Verantwortung, Familie, Steuer, Krankenkasse, und so weiter und so fort. Aber davon könnte man mindestens die Hälfte streichen. Warum nicht einmal mitten in der Woche, wenn die Sonne scheint, einen Tag Urlaub nehmen? Ich glaube, dass ich eine glückliche Autorin bin. Ich lebe zwar nicht am Bodensee oder in der Toskana, wie es mir mein leichtsinniges Gemüt einmal vorgeträumt hat, mache keine Reisen, die mir vom Verlag bezahlt werden, aber ich lebe in einer Landschaft, in der andere Urlaub machen, kann bei der Arbeit auch mal ein paar Stunden im Garten sitzen und alles, was ich sehe und erlebe, als Recherche verwenden. Und abends gemeinsam über die Felder ziehen, die weichen, sonnengrünen Getreidefelder neben sich, die Hügel und Kuppen des Schwarzwalds, die im Abendlicht glasten. Ein Vizeweltmeister der Gegend dreht seine Loopings am Himmel,ungeachtet der Tatsache, dass viele Menschen nach dem Absturz in den Tiefen des Atlantiks verschwunden sind, derweil die Wolken kreiseln und sich fern wie Blumenkohle türmen.

Es gibt immer auch wieder unglückliche Tage, aber auch die sind häufig selbstgestrickt. Wie sagte ich einmal? Ich muss eigentlich nur sehr wenig, und was ich will, erreiche ich auf meine Art eigentlich immer.
Jetzt gehe ich S. Maugham und danach John Steinbeck lesen.

4 Kommentare:

  1. "Keine Hektik, keine Termine, dort und so leben, wo und wie es einem gefällt. Wer kann das heutzutage schon, außer er ist reich oder in Rente."

    Jeder kann das Christa. Man muss nur wollen. Und das hakt dann ganz schnell, wie du beschreibst, an Konsumwünschen. Es macht nämlich verdammt viel Mühe. Und die kleinste davon ist vielleicht die Erkenntnis, dass es ein Paradies nirgends gibt. ;-)

    Herzlichst - nur mit selbstgemachten Terminen,
    Petra

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  2. Das habe ich jetzt eine Nacht lang sacken lassen müssen.
    Die Erkenntnis vielleicht auch, dass dieses Paradies, das so viele Dornen hat, auf jeden Fall selbstgewählt ist.

    Herzlichst-noch mit Terminen, die vorgegeben sind
    Christa

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  3. "noch mit Terminen, die vorgegeben sind"

    Liebe Christa,
    mit meinen unverschämten "selbstgemachten" Terminen (derzeit bis über die Ohren) habe ich das sagen wollen: Es kommt auf die Perspektive an. Ich glaube, viele Menschen lechzen nach dem Ausstieg ins Paradies, weil sie sich zunehmend fremdbestimmt fühlen, oder Dingen hilflos ausgesetzt, weil man vor lauter Reagieren kaum noch zum Agieren kommt.

    Diese Perspektive kann man umdrehen: ICH will dieses Buch machen, also handle ICH mir auch Termine ein wie Abgabetermine, Termine von der Werbeabteilung, für ein Interview etc. Das gehört zu meinem Wunsch einfach dazu. Das habe ich mir ausgesucht.

    Dann kann ich auch leichter entscheiden, ob Termine wirklich so und nicht anders sein müssen: Nervt mich einer nur, weil er viele Wochen in Urlaub herumhängt (der kann auch noch Tage warten), weil jemand seine Arbeit nicht richtig macht? MUSS ich das und das wirklich wahrnehmen? Muss ich vier Interviews geben oder reichen zwei in den richtigen Zeitungen? Muss ich ein Buch in sechs Monaten runterreißen oder darf ich mir auch mal ein Jahr Zeit lassen?

    Und natürlich gibt's Zeiten, wo man dann unter diesen "selbstgemachten" Terminen brüllen könnte, weil man es vorn und hinten kaum schafft. Aber dann sage ich mir immer wieder, dass ich morgen mein Leben ändern kann: Etwa nichtstuend am Strand sitzen. Aber da käme der nächste Termin bestimmt: Das Magenknurren, das befriedigt werden will. Angeln. Stundenlang. Wie schrecklich! ;-)

    Mit "selbstgemachten" Terminen hat man sicher nicht weniger, aber sie fühlen sich anders an!

    Herzlichst,
    Petra

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  4. "Mit "selbstgemachten" Terminen hat man sicher nicht weniger, aber sie fühlen sich anders an!"
    Ganz ohne Zweifel, Petra! Ich fühle mich auch bestärkt darin, mir nicht immer alles nur überstülpen zu lassen. Schließlich hat nicht nur der Lektor Urlaub, sondern auch ich.
    Mit "noch Terminen, die vorgegeben sind" meinte ich meinen Brotjob. Arbeitszeiten, Teams, Termine mit Ärzten und Kliniken. Aber auch da muss man sich nicht nur nach den anderen richten. Sagte einmal ein Sozialarbeiter: Seien Sie doch felxibel!, als ich meinen eigenen Termin anbot. Flexibel wofür? Für s e i n e Zeit! Oder ich sollte morgens um halb acht weit entfernt auftauchen, weil der Termin vorgegeben wurde. Es genügte ein "Das ist mir zu früh", und schon wurde er auf den Nachmittag verlegt. Dasselbe gilt für uns als Autoren, denke ich.

    Herzlichst
    Christa

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