Donnerstag, 27. April 2017

Das Kind in dir muss Heimat finden



Tübingen, Neckaransicht
 Am letzten Samstag stand ich in einer großen Buchhandlung in Reutlingen, Abteilung Psychologie. Und da fiel es mir wieder ins Auge. Das Buch der Psychotherapeutin Stefanie Stahl, das zum absoluten Bestseller avanciert ist. Und ich weiß auch warum: Weil jeder versteht oder zumindest ahnt, was damit gemeint sein könnte. Und weil es so tröstlich klingt, denn ich glaube zutiefst, dass die Menschen heute trotz aller Vernetzung unbehauster sind als jemals zuvor. Es ist das. was ich in meinem persönlichen Leben erlebt, was ich studiert und womit ich mich beruflich beschäfigt habe. Da ich zu Hause noch einen ganzen Berg von Lektüre hatte, kaufte ich es vorerst nicht. Vor ein paar Tagen in Tübingen suchte ich es dann doch noch einmal, zusammen mit dem Krimi eines Kollegen, der inzwischen auf Platz 5 der Bestsellerliste gelandet war (Lost in Fuseta). Letzteres spricht mich deswegen so an, weil ich früher mal einen abenteuerlichen, unvergesslichen Urlaub in Fuseta (Portugal) gemacht habe, zusammen mit einem jungen Freund. Da gab es den Galaos, Galaosch gesprochen, einen Milchkaffee im Glas, es gab eine Riesenmeeresschildkröte am Strand, hohe Wellen, Einsamkeit, Fischrestaurants, den Geruch nach Macchia, herzliche Menschen und eine alte Vermieterin, die auf dem Dach ihres Hauses glucksend davon sprach, dass in Deutschland bald die Mauer fallen würde. Aber beide Bücher waren nicht zu finden. So machte ich mich zuhause daran, den Lektüreberg abzubauen.

Allein die Beschäftigung mit dem Thema "inneres Kind" ließ ein "Heimatgefühl" bei mir entstehen. Mir wurde klar, dass es nicht von außen kommen kann, denn die Defizite aus der Kindheit, das Gefühl, nicht gut oder liebenswert genug zu sein, kann auch durch äußere Erfolge nicht ausgebügelt werden und wenn, dann nur kurzfristig. In Kollegenkeisen wurde früher von "Selbst-Beelterung gesprochen, also die Fähigkeit, so für sich zu sorgen, dass eine innere Zufriedenheit entsteht. Für das Wohlsein müsse der Mensch selber sorgen, sagte schon Schopenhauer. So nutzten wir das sommerliche Wetter in Tübingen, um eine Art Urlaubstag zu verbringen. Das gelang weit besser als am Bodensee tags zuvor. Dort waren die Massen auf den Promenaden versammelt, es war nicht möglich, auch nr einen Augenblick zu sich selber zu kommen. Den Wintereinbruch seitdem nutze ich zur Überarbeitung meines Kleinverlagromans, den ich jetzt einfach umbenannt habe (A.T. Maikäfer flieg). Und als hätte das eine Signalwirkung gehabt, kam gestern - endlich nach mehr als vier Wochen - ein netter Brief von der früheren Verlegerin, sie gebe mir die Rechte an dem Titel zurück und wünsche mir alles Gute damit. Seitdem arbeite ich mit großem Vergnügen daran.

Am Strand von Bodman


    


 

Samstag, 22. April 2017

Es geschah beim Zahnarzt

Vor zwei Tagen hatte ich einen Termin. So einen Termin von der Art, bei der man froh ist, wenn er endlich hinter einem liegt. Meinen Zahnarzt kenne ich seit Jahren, ebenso die Fachkraft für die professionelle Zahnreinigung. Seitdem ich diesen Zahnarzt und diese Fachkraft für Zahnreinigung habe, war nichts Bemerkenswertes mehr mit den Zähnen. Die beiden wissen, dass ich Romane schreibe bzw. geschrieben habe. Mein Zahnarzt hat auch eine ganze Bücherwand mit Klassikern zu Hause stehen. Diesmal war die Behandlung nur eine mehr kosmetische Korrektur, die es aber in sich hatte. Da wurde sehr viel Wasser eingesetzt, viel mehr als früher, als es nur den langsamen, elend knirschenden und den schnelleren, in hohen Tönen kreischenden Bohrer gab. Natürlich hat es auch diesmal wieder nicht weh getan. Dafür machte mir das Wasser im Mund zunehmend zu schaffen, obwohl es ständig abgesaugt wurde. Da kam der Schluckreflex zum Einsatz. Nachdem ich gebeten worden war, die Augen zu schließen, ertönte mit einem Mal ein unterirdisches Grollen, als wenn ein Vulkan kurz vor dem Ausbrechen stünde. Lachend mussten wir feststellen, dass meinem Zahnarzt der Magen knurrte. Zwischendurch plauderten wir über das Schreiben, wenn mein Mund gerade mal frei zum Sprechen war. Wie es damit ginge? Ach, es wird immer schwieriger, gerade habe ich ein Manuskript an eine Agentur geschickt und keine Antwort erhalten. Da fiel ihm ein, dass man es ja auch ganz anders machen könne. Eine Studentin, zum Beispiel, sitze immer im Café und beobachte die Leute. Über das, was sie aufschnappt, schreibe sie Geschichten und habe ein Buch daraus gemacht. Ich habe auch schon im Café geschrieben, aber ganze Romane, fällt mir ein. Dann gäbe es ja auch noch diese Zahnarztgeschichten und ähnliche Events, meinte er, über die man berichten könne. Während ich so auf dem Schragen liege, denke ich an den Kleinverlagsroman, dessen Rechte ich zurückerbeten hatte, um es nochmal selbst aufzulegen. Ebenfalls keine Antwort. Die Welt ist so arm an Antworten geworden!

Warum tue ich mir das an, warum schreibe ich immer weiter, wenn die Welt doch immer weniger zu lesen und immer mehr draufzuhauen scheint? Warum haue ich nicht einfach ab wie neulich ins herrliche Taubertal, wo die Dörfer noch unverändert auf den Höhen stehen und keiner den anderen von der Straße drängeln will? Oder wie bei der Wanderung abseits vom Eyachtal, wo der Wald verwunschen und einsam dasteht, die Wegränder mit Wiesenschaumkraut, Anemonen und Veilchen gesäumt sind. Die Bücher, die mir in der letzten Zeit am besten gefallen haben, waren vom kleinen Verlag Klöpfer&Meyer in Tübingen, auch das von dem "Liebesgedächtnis".

Das unterirdische Grollen wiederholte sich noch ein zweites, ein drittes Mal. Auf meine Frage, ob er nichts zu Mittag gegessen hätte, antwortete er, im Gegenteil, er war beim Chinesen, und es sei fast zu viel gewesen. Ich kenne die chinesischen Restaurants gut, auch wenn ich nicht der absolute Fan davon bin. Meistens gehe ich aus Solidarität mit dorthin, esse eine Suppe mit Gemüse und Hühnerfleisch, eine mit köstlichen kleinen Maultaschen und/oder knusprig gebratene Ente. Jedesmal, wenn wir vom Chinesen zurückkommen, müssen wir sofort auf die Toilette. Bei einem der letzten chinesischen Essen hörten wir die Leute am Nebentisch darüber reden. Habt ihr auch wieder Durchfall davon bekommen?, wurde da gefragt. Sie glaubten und ich glaube, es ist das Glutamat, und deshalb schmeckt das auch so würzig.

Ja, ich könnte in Zukunft kleine Anektdoten des Alltags erzählen, anstatt über das Leben, das Schreiben und die Läufte der Welt zu berichten.

Donnerstag, 13. April 2017

Bücher, nicht Boote

Letztes Jahr habe ich mich in eine Liste eintragen lassen und mich bereit erklärt, Autorenexemplare von meinen Büchern an die Initiative "Autoren helfen" zu schicken. Die Paten genannten Unterstützer spenden Geld für die nachhaltige Flüchtlingshilfe, geben dann ihre Lieblingsgenres an und erhalten von Autoren gespendete und signierte Bücher. Hinter diesen vielseitigen Aktionen steht das fünfköpfige Kernteam bestehend aus Kathrin Lange und ihren Kolleg*innen Lisa-Marie Dickreiter, Antje Wagner, Ursula Poznanski und Andreas Wilhelm. Gestern war es dann soweit. Es war wie ein innerer Vorbeimarsch, neun Bücher zu signieren, zu verpacken und von der Landpost an Leserinnen aus Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg, Stuttgart, Berlin usw. zu verschicken! Diese hier waren die Favoriten:

 

Freitag, 7. April 2017

Rausgeschmissen aus dem Universum!

In den letzten Wochen hatte ich ganz allmählich bemerkt, dass mein Schreibprogramm (Open Office) nicht mehr das war, was es eigentlich hätte sein sollen. Beim Speichern und Kopieren stürzte es immer wieder ab, und ich musste den Laptop herunterfahren, um es wieder in Gang zu bringen. Nun ja, im Netz erfuhr ich, dass Open Office offensichtlich auch bei anderen diese Zicken veranstaltete. Wie war das noch mit Word gewesen? Das galt doch damals ebenfalls als weich und unzuverlässig. Eine ganze Zeit lang ließ sich das noch händeln. Es war mir deswegen wichtig, weil ich
1. Exposé, Leseprobe, Bibliografie und Vita fertigmachen wollte für den Versand an eine exklusiv     ausgesuchte Agentur-das hatte ich gerade noch hingekriegt.
2. Ein Verlagsbuch überarbeiten wollte, von dem ich die Rechte zurückgefordert habe.

Dann, vor ca. eineinhalb Wochen, ging gar nichts mehr. Der Laptop ließ sich nicht mal mehr starten.
Es war ein Wochenende, und ich konnte meinen Helfer in der Not nicht gut stören. Ich folgte den Anweisungen, setzte Windows zurück und hatte alles schon fast wieder am Laufen. Da kamen Eingabeaufforderungen, die mir merkwürdig erschienen. Mein Nothelfer stellte dann nach fünf Tagen fest, dass es ein Trojaner gewesen sein muss, der schon das Schreibprogramm lahmgelegt hätte. Jetzt ist eine neue, feuerfeste Sicherheitsfunktion drauf. Dazu kommt noch ein externe Festplatte wegen der Datensicherung. Ich frage mich, warum es diesen Trojanern so viel Spaß macht, anderen so viel Ärger zu bereiten! Alles musste ich neu konfigurieren und anmelden, mitsamt Passwörtern und Pipapo.

Merkwürdig war es für mich, wie diese Offlinezeit diesmal auf mich gewirkt hat. Bei früheren Gelegenheiten war ich insgeheim immer ganz froh gewesen, mal wieder die bunte Außenwelt für mich entdecken zu können. Diesmal war es so, als wäre ein ganzes Universum versunken. Ich konnte nicht weiterarbeiten, nichts googeln, keine Emails abrufen, in kein Forum und kein Facebook reingucken. Es hätte ja eine Mail von der Agentur dabei sein können! Also fühlte ich mich richtig elend und kroch fernsehender- und einkaufenderweise durch die Tage.

Als heute der Befreiuungsschlag stattfand und ich endlich meinen Laptop wieder stehen hatte, blieb das große Aha-Erlebnis aus. Es war niemandem aufgefallen, dass ich fast eine Woche weg war. Es kam keine wirklich wichtige Mail. Doch es war gut, bei anderen wieder mitzulesen. Und es ist absolut gut, mein wichtigstes Arbeitsinstrument wieder in den Händen zu haben. Und mir wurde während dieser Woche noch einmal absolut klar, was ich heute auch bei Autorenkollegin Alice Gabathuler gefunden habe: u-turn-back-to-roots.html Das war für mich zeitlebens ein Motto gewesen, wenn ich merkte, dass ich mich irgendwie verrannt oder zu sehr von mir entfernt hatte: zurück zu den Wurzeln, zu den Bäumen (und im jugendlichen Übermut hatte ich hinzugefügt: und zu den bunten, närrischen Träumen!)