Dienstag, 24. Mai 2016

Kreative Pause

Was ist eigentlich eine kreative Pause? Normalerweise habe ich darunter immer eine Phase verstanden, während der sich der Schaffende erholt und wieder neue Kräfte schöpft. Ich habe wenig dazu im Netz gefunden. Nur bei Wikipedia gibt es eine Definition, die ich einmal zusammenfassen könnte, obwohl sie als nicht ausreichend belegt bezeichnet wird. Eine kreative Pause sei aus gestaltpsychologischer Sicht eine Pause unterschiedlicher Länge im kreativen Schaffensprozess von Künstlern, Wissenschaftlern und Geisteswissenschaftlern. Dabei sei die Pause selbst nicht mit kreativen Tätigkeiten angefüllt. Sie solle eher der Erholung des Geistes und der Wiederherstellung der Schaffenskraft dienen. Die Notwendigkeit dieser Pausen in kreativen Schaffensprozessen sei jedoch nicht belegt. Wenn sich der Kreative mit themenfremden Gegenständen beschäftige, einfache Tätigkeiten zur Ablenkung wähle oder Spaziergänge mache, ende irgendwann die kreative Pause mit dem kreativen Ausbruch, die Produktivität nehme zu, neue Ideen entstünden, die Nachtruhe werde verkürzt oder durch Einfälle unterbrochen, die sofort skizziert werden müssten. Eine kreative Pause könne von unterschiedlicher Dauer sein. Manche Personen benötigten lediglich Stunden, um an den Schreibtisch zurückzukehren, bei anderen dauere es Tage und Wochen, gar Monate, bis der Geist wieder in der Lage sei, neue Ideen zu produzieren. Allerdings könne die Rückkehr in den Schaffensprozess extrem schwierig werden.

Ich selbst weiß nichts von alledem. Kann es sein, dass ich während der letzten sechzehn Jahre überhaupt keine Pause, schon gar nicht eine kreative, gemacht habe? Und ist das denn wirklich notwendig? Der Schriftsteller Henri Miller zum Beispiel lebte von 1944 bis 1962 in Big Sur in Kalifornien, als Aussteiger unter Gleichgesinnten. Meines Wissens schrieb er zehn Jahre lang nichts und veröffentlichte 1957 einen Aufsatz über diese Zeit (Big Sur and the Oranges of Hieronymus Bosch).Die anderen Einträge, die ich zum Thema "kreative Pausen" gefunden habe, stammten meist von Bloggern, von Studenten oder Professoren. Für Autoren scheint das Thema also, zumindest im Netz, keines zu sein. Irgendwo las ich auch, eine solche Pause brauche natürlich nicht darin zu bestehen, stunden-, tage - und wochenlang die Wände anzustarren oder mit dem Kopf dagegenzuschlagen. Man könne sich ruhig eine Auszeit draußen oder drinnen oder ganz anderswo gönnen. Natürlich! Alle Prozesse bei mir waren immer von ständigen Pausen unterbrochen, Arbeitspausen, Wanderpausen, Essenspausen, Urlaubspausen, Stadtbummelpausen. Deshalb brauche ich auch keine reine, abgegrenzte kreative Pause. Denn was sollte das anderes sein als eine ewige Wiederholung der immerselben Pausen?

Nein, ich brauche einfach mal eine andere Sicht der Dinge. Sollte mal wieder etwas anderes machen als diese ewigen Romane zu schreiben, die ja heutzutage immer schwerer an die Verlage, Agenten und LeserInnen zu bringen sind. Gleichzeitig haben sich die Bedingungen im Self Publishing verschlechtert. Manche Autoren, die ich kenne, sind dabei, eigene Verlage aufzubauen oder haben das schon getan. Zu dem Ganzen ist mir etwas eingefallen: Ich habe in meinen Dateien aufgeräumt und die Hälfte meiner Kurzgeschichten aus den Jahren 2000-2006 als unbrauchbar rausgeschmissen. Drei davon wurden in einer Anthologie veröffentlicht, sind noch 23 von 50 übrig. Dazu habe ich einen neuen Blog eingerichtet, in dem ab und zu eine dieser Geschichten erscheinen könnte. Heute habe ich angefangen mit der Geschichte "Wenn der Schäfer mit dem Dackel", die vielleicht dem einen oder anderen aus der Vergangenheit noch bekannt sein könnte. Dabei geht es um das Leben mit einem treuen Hund, der eine Mischung aus Schäferhund und Dackel war. Ähnlich werde ich mit der Halde von zwei oder drei unveröffentlichten Romanen, Exposés und Ideen verfahren, das heißt, das Unbrauchbare löschen und das Recycelbare behalten. Diese "ordnende" Tätigkeit bewahrt mich davor, das "Kreative" allzu schmerzlich zu vermissen und hat damit eine nicht-kreative Funktion.Und was meine Blogs angeht: Die sind von der Pause natürlich ausgenommen - es ist eine Pause des Veröffentlichens.
Kopf hoch! Es gibt noch eine Welt da draußen