Sonntag, 2. März 2014

Das kalte Herz

Was veranlasst einen jungen Regisseur unserer Tage, durch den nördlichen Schwarzwald zu reisen, sich mit der Geschichte des Kohlenmunkpeters, des Glasmännleins und des Holländer-Michel zu beschäftigen und dann das Experiment zu wagen, es auf die Bühne des Stuttgarter Schauspiels zu bringen? Warum fasziniert mich dieses Märchen von Wilhelm Hauff seit Kindesbeinen so sehr, dass ich selbst meinem Schwarzwald-Krimi ein Zitat aus dem "kalten Herz" vorangestellt habe? Und was macht diese Geschichte so zeitlos, dass sie auch heute noch auf Monate ausverkaufte Plätze garantiert? Der Regisseur Armin Petras fasst es selber zusammen, indem er fragt, wieviel Heimat in uns stecke, wie viel Wald und wieviel Autobahn? Auf der gleichen Seite gibt es einen Hinweis auf die Schwarzwälder Dorfgeschichten von Berthold Auerbach, seinerzeit einer der meistgelesenen Autoren, von Schriftstellern wie Honoré de Balsac, Leo Tolstoi, Iwan Sergejewitsch Turgenew und Mark Twain hochgelobt. Diese Märchen und Geschichten bringen uns die Zeit der beginnenden industriellen Revolution, der Hungersnot, der Auswanderungen und dem realitätsnahen Leben der Landbevölkerung näher. Dem einen, Wilhelm Hauff, war nur ein kurzes, schaffensreiches Leben vergönnt. Er starb mit 25 Jahren an Typhus. Aber viele werden noch seine Märchen kennen, das "Wirtshaus im Spessart" oder den Roman über "Lichtenstein", nach dessen Vorbild Schloss Lichtenstein, eines der berühmtesten Schlösser Deutschlands, gebaut wurde. Berthold Auerbach (1812-1882) lebte immerhin 70 Jahre, ein wechselvolles, bewegtes Leben. Vor etwa zehn Jahren hatte ich sogar die Absicht, einen biografischen Roman über ihn zu schreiben, was der Verlag aber mit der Bemerkung abwies, er sei doch nur regional bekannt. Es hätte sich gut angelassen, zumal Auerbach in meiner nächsten Umgebung (in Horb-Nordstetten) geboren wurde und begraben ist. Diese Dichter und Schriftsteller des neunzehnten Jahrhunderts werden mir immer nahe stehen, und ich wünsche der Inszenierung Das kalte Herz in Stuttgart auch weiterhin viel Erfolg und eine allmähliche Erwärmung der Herzen!
Das kalte Herz im Museum Schloss Neuenbürg, zwischen Pforzheim und Freudenstadt.

"Draußen im Wald heulte der Sturm und raste in den Tannen, man hörte da und dort sehr heftige Schläge, und es schien oft, als ob ganze Bäume abgeknickt würden und zusammenkrachten. Die furchtlosen Jungen wollten hinaus in den Wald laufen und dieses furchtbar schöne Schauspiel mit ansehen, ihr Großvater aber hielt sie mit strengem Wort und Blick zurück. »Ich will keinem raten, daß er jetzt vor die Tür geht«, rief er ihnen zu."

Wilhelm Hauff (1802-1827), „Das kalte Herz“

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Mit Ihrem Kommentar erkennen sie die Datenschutzerklärung dieses Blogs an.(Oben in der Navigationsleiste)