Donnerstag, 8. August 2013

Wieviel Mut braucht man, um heute Schriftsteller zu sein?

Zwei Interviews mit Schriftstellern fielen mir heute Vormittag in die Hände:
Einmal das mit Nina George im Buchreport "Man braucht Jahre, um über Nacht den Durchbruch zu schaffen"  und Alexander Pfeiffer "Wieviel Mut braucht man, um heute Schriftsteller zu sein?", Buchmarkt vom 21.06.13. Die eine hat den Durchbruch geschafft, der andere wartet noch darauf. Die Einschätzungen ähneln sich, die Bedingungen haben sich, wie schon lange bekannt, rapide verschlechtert. Der Beruf des Schriftstellers sei ein kränkender, sei ein Risiko mit viel Selbstverantwortung und Freiheit. Man müsse schussfest sein. Und beim Schreiben selbst ist man immer einsam, möchte ich hinzufügen, zumindest einsam an realen Figuren. In seiner selbstgeschaffenen Welt ist man allerdings mehr aufgehoben als anderswo. Beide kommen zu dem gleichen Schluss: Was ist es, das Autoren trotz miesester Bedingungen, ewigem Klinkenputzen bei Verlagen und Agenturen und oft miesen Verkäufen dazu treibt, immer weiter zu schreiben? Es ist der Drang, Geschichten zu erzählen, wie Nina George es ausdrückt, alles, was seit Kindesbeinen auf sie eingestürmt ist, zu verarbeiten und in eine Form zu bringen. Es klingt also nach Selbstverwirklichung, sei aber auch eine Dienstleistung. Alexander Pfeiffer urteilt dabei über die Self Publisher: Er habe Bücher, deren Rechtevertretung durch die Verlage abgelaufen waren, an E-Book-Distributoren gegeben, glaube aber nicht, dass sich durch Self Publishing per se nennenswerte Erlöse erzielen lassen. Hier irrt der Wiesbadener Schriftsteller, wie ich meine. Ich kenne sehr wohl Beispiele, und nicht nur aus den USA!

Was kümmert es denn eine Autorin, die keine Vollzeitschriftstellerin ist, warum man Mut dazu braucht, heute Schriftsteller zu sein? Wenn man sich einmal die negative Seite betrachtet, hat das Schreiben einiges an Frust gebracht, an nervtötender Warterei, an Kränkung und an Ringen um die eigene Stimme. Es hat den Verlust anderer Interessen mit sich gebracht, hat die Brotarbeit gestört und vorübergehend zu Schulterverspannungen und einem Mausarm geführt. Auf der anderen Seite hat es das Leben geradezu verdoppelt, hat zu glücklichen Momenten, Tagen, Wochen, Monaten und Jahren verholfen, die ohne das Schreiben gar nicht zu erreichen gewesen wären! Und es hat Kontakte gebracht, die mir hier auf dem Land früher völlig unmöglich gewesen wären. Die Eigenschaften, die Nina George nennt: Erzähltechniken, Empathie, Psychologie, Bildung, Sitzfleisch, Geduld, Risikobereitschaft, Abwerfen der Eitelkeit sind ebenso auch Grundvoraussetzungen meines Psycho-Berufes. Ich muss mich in meine Klienten einfühlen, muss sitzenbleiben, wenn es ihnen schlecht geht, muss Geduld haben, wenn es Jahre und viele Kämpfe dauert, bis sich etwas ändert. Ich muss das Risiko zum Experiment haben und muss es hinnehmen, wenn so ein Experiment auch einmal scheitert. (Bei der Eitelkeit bin ich mir nicht so sicher, ob die jemals auszurotten ist). Auf jeden Fall war es zwingend (wie das Virus, von dem Pfeiffer spricht?), dass ich sowohl einen therapeutischen Beruf als auch den Nebenberuf als Romanautorin ergriffen habe.