Samstag, 16. Oktober 2010

Zielgroupie (Heimat-) Krimi

Heute hat mich wieder einmal der Hafer gestochen: Ich habe mich als Zielgroupie verkleidet. Lodenjacke, darunter ein schwarzes Tshirt mit Totenkopf, Gamshut, Handschuhe und schwere Springerstiefel. Auf herausspritzendes Blut, Maden und surrende Fliegen habe ich aus Gründen verzichtet, die sicher verzeihlich sind. Möglicherweise wäre ich nämlich abgeführt worden. Dafür zeigte mein Gesicht die erforderliche Leichenblässe. Tatort sollten zwei große Buchhandlungen einer schwäbischen Großstadt sein. Und wirklich: Da lagen all die Werke, die zu meinem Outfit passten, und mein Herz, das sich nun infiziert ähm identifiziert hatte, schlug höher, als es die passenden Gegenstücke fand. Dabei sind die Regionalkrimiregale weiter gewachsen. Zu den Eifelkrimis kamen Allgäu-, Alb-,Schwarzwald-und Gäu-Krimis, mit jeweils wechselnden einheimischen Ermittlern. Die grauenvolle Tat beging ich-zum Leidwesen der Zielgruppenforscher: Ich winkte mit meinem Klappmesser, ließ es klirrend kreisen, nahm meine Springerstiefel in die Hand und entfernt mich vom Tatort, ohne Spuren in der Kasse hinterlassen zu haben. Hoffentlich hat mich niemand beobachtet. Denn ich weiß, dass ich mich frevelhaft verhalten habe:
Inzwischen füllen Lesungen dieser Bücher ganze Säle, es sind immer sehr lustige Abende, Heimatabende möchte man fast sagen. Da hats mich fast gewundert, dass keine Kuh muhte, als wir in den strömenden Regen hinaustraten. Abends entledigte ich mich des Groupie-Outfits, das hätte ich aber schön bleiben lassen können, denn es ging grad so weiter. Heimatkrimis schlagen inzwischen selbst die Einschaltquoten von Stuttgart21-Berichten. Eigentlich wäre es doch ein Leichtes und Schönes, sich auf diese populären Züge aufzuschwingen und einfach mitzufahren, das sagte ich ja schon mal. Nun ging es also weiter. Heimatkrimiabend im Bayrischen Fernsehen, einmal um die Stadt Kempten, dann Würzburg. Ja, das schaue ich mir gern an, schon wegen der Landschaften und Städte. Und schließlich soll der Kluftinger auch Grimmepreis-verdächtig sein. Warum nur gab es vor ein, zwei Jahren dann schon warnende Stimmen zu den Zielgruppen? Und ausführliche Analysen zu den Regionalkrimis?Ist es wieder ein Pferd, das angezogen hat undviele, viele galoppieren hinterdrein?

6 Kommentare:

  1. Ehrlich gesagt lese ich überhaupt keine "Heimat"-Krimis. Dachte ich.
    Tatsächlich habe ich aber alle Kluftingers mit Genuss gelesen. Wenn ich jetzt noch mehr krame, finde ich vielleicht noch andere Bücher dieses Genres in meinem Regal.
    Deiner Beschreibung nach (Totenkopf-T-Shirt, Klappmesser) ist da noch mehr zu erwarten als ich je gedacht hätte.;-)

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  2. "Deiner Beschreibung nach (Totenkopf-T-Shirt, Klappmesser) ist da noch mehr zu erwarten als ich je gedacht hätte.;-)"

    Diese Utensilien sind anderen Zielgruppen zuzurechnen. Und bei mir hat sich die Forschung geirrt, denn ich lese jetzt "Jenseits von Eden" von John Steinbeck - aus der Bücherei.

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  3. Ich unke ja nur ungern, aber wenn der Regiokrimi nun schon zum "Heimatkrimi" abgestiegen sein sollte, wird ihm bald das geschehen, was dem historischen Roman geschieht. (Ich kann's allerdings von Frankreich aus nicht beurteilen.)

    Oder wie sagte ein Programmchef eines Verlags mal so treffend: "Wenn man auf einen Zug aufspringen kann, den man klar vor sich sieht, ist der Zug bis zum Erscheinen längst abgefahren."

    Aber das Outfit macht mich schon neugierig. Totenkopf-T-Shirt und Lodenware - das klingt, als hättest du nach "Heimatsachbüchern" von Sarrazin & Co. gesucht?

    Gegruselte Grüße ;-)
    Petra

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  4. Was den Heimatkrimi betrifft:
    Am letzten Samstag war der Kluftinger-Film "Erntedank" Auftakt eines "Heimatkrimiabends", der bis 1.20 ging. Den ersten habe ich angeschaut, hatte aber Konzentrationsschwierigkeiten wegen des bayrischen Dialekts. Da trat dann übrigens auch noch eine Sense auf. Jetzt habe ich mir die Vorschau noch einmal angeschaut: Die Lesungen finden in ausverkauften Stadthallen statt, und in Theatern, und als Theaterstück kommt es demnächst nach Memmingen. Es scheint also ein großes Bedürfnis in der Bevölkerung nach Regioheimat zu bestehen, wie es auch der Bestseller von Sarrazin zeigte. Wo sind die deutschen Werte?
    Dabei bezogen sich meine Anspielungen auf andere Krimis oder Cover, die man so in den Buchläden sieht. ("Leichenblässe")

    Auf einen Zug aufzuspringen, der schon fährt und bald am Ziel ist, das ist der Punkt, an dem bei mir eine Warnleuchte angeht. Ich beobachte das sehr genau. Bald wird der Zug wegen Überfüllung geschlossen sein. Und last not least die historischen Romane: Spätestens, als eine Buchhändlerin auf die Frage einer Klientin von mir, ob ich nicht mal signieren könne, sagte: Davon gibt es zu viele,
    war mir klar, dass der Zug abgefahren war.

    Grüße
    Christa

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  5. Liebe Christa,

    wobei du die Sache mit dem Signieren nicht zu eng sehen brauchst. Buchhändler machen das schlicht - außer bei Bestsellern - deshalb nicht gern, weil man signierte Exemplare nicht remittieren kann. Wenn sie also die Bücher nicht sofort beim Signieren verkaufen, haben sie ein immenses Risiko, darauf sitzen zu bleiben.

    Ein anderer Weg wäre der, sich einen Stamm-Buchhändler zu nehmen, der auch Bücher versendet. Und dann auf feste Bestellung von Kunden zu signieren und diesen Signierservice auf der Website anzubieten. So hat keiner ein finanzielles Risiko und die LeserInnen sind glücklich.

    Herzlichst,
    Petra

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  6. Gute Idee, aber das mache ich natürlich nicht ins Blaue hinein, der Arbeit ist schon genug ...
    Wer ein Buch von mir signiert haben wollte, machte das immer direkt. Von völlig Fremden wurde das noch nie gewünscht.
    Der Buchhändlerin ging es schon auch um Lesungen-denn im Programm war eine Bestseller-Historienautorin.:-)

    Herzlichst
    Christa

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