Samstag, 3. Juli 2010

"Ich bin dann mal offline"-ein Trend

Im Börsenblatt vom Mai ist mir ein aufschlussreicher Artikel über die neuen Trends bei Büchern begegnet. Man braucht sich also nicht mehr auf den beschwerlichen Weg nach Santiago de Compostela zu machen oder einen Massai heiraten, sondern kann aus erster Hand Selbsterfahrungen verfolgen, die, wenn es alle nachahmten, wohl zu einer weltweiten Pattsituation führen würden. Wir kennen das ja: Es braucht nur der Strom auszufallen, und schon stehen wir ziemlich hilflos im Finstern.Was haben wir eigentlich gemacht, bevor es Computer, Handy und Co. gab? Man kann sich das heute kaum noch vorstellen. Ich habe bestimmt viel mehr telefoniert und Briefe geschrieben. Und morgens die Zeitung gelesen. Wir saßen zusammen, zu Hause, im Garten oder in der Kneipe und haben miteinander geredet. An der Uni gab es große
Veranstaltungen, landauf, landab Demonstrationen. Das gibt es zwar auch heute noch, jedoch sind der PC und andere Medien längst zu einer alles entscheidenden Größe geworden. Ob wir das uns nicht längst schon selbst gesagt haben? Aber Hand aufs Herz: Würde es uns leicht fallen, ein halbes Jahr auf all das zu verzichten? Oder für immer? Nein, wird jetzt der eine oder andere sagen, kann ich mir nicht leisten, ich hänge beruflich davon ab. Ich auch. Die Alternative heißt, sowohl wie auch beim Schreiben: Papierberge oder bequeme Emails. Meine letzten zehn Jahre basieren auf Emails, ganze Konflikte wurden monatelang damit ausgetragen.
Ich finde es also löblich, wenn sich Autoren dieses Themas annehmen. Vielleicht trägt es sogar zur Rettung des Buchhandels bei, denn wenn wir keine Mails mehr haben, müssen wir doch etwas anderes lesen. Ich frage mich nur, wie dieser Trend -zu Selbstversuchen meine ich-weitergehen wird. Ein paar schöne Titel könnte ich mir vorstellen: Mein Jahr als Vampir. Wie ich zum Mörder wurde. Meine Drogen und ich. Gesundes Kochen mit Genfood uswsf.:-)

4 Kommentare:

  1. Was haben wir eigentlich gemacht, bevor es Computer, Handy und Co. gab?, fragen Sie.
    Ich habe hin und her überlegt und kam zu keinem Ergebnis. Die Wahrheit ist: Ich kann mich nicht erinnern.
    Von 32 Jahren gab es bei mir nicht sehr viele ohne PC, Handy & Co. Auch Straßenspiele gab es kaum, dafür aber schon Nintendos. Ein wenig trauer ich jetzt - warum bin ich nicht zehn Jahre früher geboren worden, oder zwanzig;)
    Liebe Grüße
    Nikola

    AntwortenLöschen
  2. "Auch Straßenspiele gab es kaum, dafür aber schon Nintendos."

    Das sind doch Videospiele? Ja, ich kann mich daran erinnern-mein Sohn hat -i Alte von vielelicht sechs, sieben Jahren -gern Geschicklichkeitsspiele gemacht, allerdings hat er auch
    Papierbötchen im Bach schwimmen lassen, vor den Zauberruten Angst gehabt und Manfred Manns Earthband gehört. Straßenspiele? Es gab Zeiten, da konnte man auf der Straße Federball spielen und Hüpfkasten, Himmel und Hölle.
    Die sehe ich manchmal heute noch, ebenso Drachen.
    Ich denke, man kann sich das immer zurückholen, sobald man mal ein Gerät abschaltet.

    Liebe Grüße
    Christa

    AntwortenLöschen
  3. Früher mehr telefoniert? Ist das Handy denn kein Telefon? ;-)

    Ich frage mich immer, wie alt diese Jammerautoren sein mögen, die ihren Bestseller auch in den Computer tippen. Nun habe ich fast ein halbes Jahrhundert gelebt und erinnere mich, wie wir als Kinder auf einer alten Mühle von Schwarz-Weiß-Fernseher ein kleines weißes Rechteck von "Ball" gegen zwei Bande hauten und die noch viel älteren Erwachsenen, die heute über siebzig sein müssten, begeistert mitdaddelten.

    Aber nein, früher war alles besser, früher haben die Frauen noch brav die Wäsche auf dem Waschbrett geschrubbt, anstatt das Waschprogramm einzuprogrammieren und einen Beruf ausüben zu können. Früher haben nur Eliten lesen und schreiben können, nur Minderheiten Zugang zu Büchern gehabt.

    Ist eigentlich all diesen Kulturkritikern bewusst, dass sie genau von dieser digitalen Generation leben, in der es demokratisch Zugang zu Informationen gibt und Text als Medium von so vielen Menschen wie kaum jemals zuvor geschaffen und konsumiert wird, ob auf Computer oder Handy? Wo man sich dann zum Treffen oder zur Demo verabredet?

    Ich wäre sehr für eine Selbsterfahrung als Vampir. Wie wär's mit "Wie ich an meinem Daumen lutschte, weil mir ein Bestseller einfallen musste"? ;-)

    Herzlichst,
    Petra - digital wie analog kompatibel...

    AntwortenLöschen
  4. "Ich wäre sehr für eine Selbsterfahrung als Vampir. Wie wär's mit "Wie ich an meinem Daumen lutschte, weil mir ein Bestseller einfallen musste"? ;-)"

    An so was habe ich auch schon gedacht. Darauf eine Blutmahlzeit!:-)

    Herzlichst
    Christa

    AntwortenLöschen

Mit Ihrem Kommentar erkennen sie die Datenschutzerklärung dieses Blogs an.(Oben in der Navigationsleiste)