Donnerstag, 11. Dezember 2008

Wir Hurenkinder

Der Schnee rieselt ungerührt weiter und bepudert die Tannen dick wie im Bilderbuch, leider auch mein Auto und den Gehweg. Seit heute Morgen schon summe ich Winterlieder vor mich hin, während ich Schaufel und Besen schwinge. Wenn Stein und Bein vor Frost zerbricht und Teich und Seen krachen/ das klingt ihm gut, das hasst er nicht, da kann er tot sich lachen!
In letzter Zeit war hier in der Nachbarschaft viel von Huren die Rede. Darüber müsste ich mal nachdenken. Aber nicht ohne meinen - na?

"Ich bin schon da", flüstert mir das Schreibteufelchen ins Ohr. "Denn ich schaue dir immer über die Schulter, egal, was du machst. Jetzt denkst du also über die Hure nach."
"Ja, sind denn alle Huren, die's für Geld machen?"
"In gewisser Weise schon, sie verkaufen ja etwas."
"Aber nicht sich selbst."
"Du hast es wieder mal erfasst", sagt das Teufelchen und gibt mir einen liebevollen Stups.
"Warum hast du eigentlich so dünne Arme und Beine?", frage ich, werde rot, weil man so was eigentlich nicht fragt.
"Du gibst mir zu wenig Nahrung", sinniert das Teufelchen und sieht auf einmal ganz zusammengeschnurrt aus.
"Was, soll ich noch mehr zweifeln und grübeln, mir noch mehr auf den Rücken packen?"
"Aber nein. Du sollst im Kontakt mit mir bleiben. Dazu gleich eine Frage: Was soll das da heißen, "Wir Hurenkinder"? Weißt du nicht, was Hurenkinder sind?"
"Hab's grad noch mal bei Wiki nachgelesen. Hurenkinder wissen nicht, woher sie kommen, Schusterjungen wissen nicht, wohin sie gehen. Aber die Hurenkinder sind die Schlimmsten."
"Damit hast du aber nichts zu tun", schnaubt das Teufelchen. "Das ist die Sache des Setzers."

Hier bricht das Gespräch ab. Mir ist eingefallen, dass ich noch meinen Espresso trinken wollte und schauen, wieviel der Schnee wieder unter sich begraben hat.

4 Kommentare:

  1. Ein fröhliches Hallo aus der "Nachbarschaft", Christa!
    Falls dich meine Satire getroffen haben sollte, so wisse, dass es branchenintern tatsächlich schon so etwas wie eine "Untergattung" gibt, die ihren Namen allerdings von einem sehr berühmten Vorbild bekommen hat. Und dass diese Untergattung derzeit wie geschnitten Brot gesucht ist, sollte dich eigentlich erfreuen?

    Herzlichst, Petra

    AntwortenLöschen
  2. Ja, deine Satire und auch sonstige Anmerkungen haben mich hellhörig gemacht, Petra. Ich glaube, ich habe selbst geahnt, dass es populär ist, sonst hätte ich meinen
    Ursprungsroman vor ein paar jahren auch nicht "Die Huren von Venedig" genannt.:-)

    Herzlichst
    Christa

    AntwortenLöschen
  3. Himmelchen, ich sollte mit riesigen aufgeblasenen Lachballons arbeiten. Christa, das war SATIRE. Und die "Untergattung" bezieht sich auf eine bestimmte Art, historische Romane zu schreiben, nicht auf Huren... achherrjemineh, was hab ich da mit meiner Genderforschung nur angerichtet! Ich sag das Mr. John, ja?

    Breitest grinsend,
    Petra

    AntwortenLöschen
  4. Hach... Thomas hat eben in meinem Blog all meine Lachballons zum Platzen gebracht. Ich bin zu langsam für diese Welt...

    AntwortenLöschen

Mit Ihrem Kommentar erkennen sie die Datenschutzerklärung dieses Blogs an.(Oben in der Navigationsleiste)