Dazu habe ich noch den Vortrag des Literaturagenten Ernst Piper gefunden, der unter anderem auch die jetzt zunehmend vertraglich festgelegten Nutzungsrechte des Verwerters in bisher noch unbekannten Nutzungsarten beleuchtet.
http://www.goethe.de/wis/med/dos/dig/zdb/de1523169.htm
Ich persönlich habe keine Bedenken, in Zukunft kein Buch mehr in die Hand nehmen zu können.
Die Millionen von Büchern, die jetzt im Umlauf sind oder gedruckt werden, werden ja nicht eingestampft, sondern weiter vertrieben, zum Beispiel über die Antiquariate oder Bücherflohmärkte, die sich meiner Beobachtung nach großer Beliebtheit erfreuen.
Was könnte denn eine noch unbekannte Nutzungsart sein? Vielleicht solche kleinen, taschenkalenderähnlichen Dinger, die man überallhin mitnehmen und per Knopfdruck die Seiten aufschlagen und beliebig lesegerecht vergrößern kann. (Aber die gibts sicher schon längst).
Ich weiß noch, dass den Kinos der Tod angesagt wurde, als das Fernsehen aufkam. Die Schallplatte ist tatsächlich weitgehend der CD gewichen. Früher war ich eine leidenschaftliche Zeitungsleserin-jetzt beziehe ich meine Informationen aus Fernsehen, Radio und Internet. Nur noch am Wochenende lese ich Zeitung, wegen des Reiseteils.
Gestern Abend habe ich PC und TV ausgeschaltet gelassen und den ganzen Abend einen Bildband von Eva Walter und Thomas Pfründel gelesen (Vom Taubergrund zum Bodensee). Das war sehr gemütlich und hat mich irgendwie frei und glücklich gemacht. Ein Reiseziel haben wir heute schon angefahren und dabei ganz andere Sachen entdeckt als die im Buch angegebenen-die Städtchen Oberderdingen und Diefenbach, rund um Maulbronn, wo wir dann abends durch das dunkle Kloster gingen, derweil uns der Wind um die Nase pfiff. Ich bekam plötzlich Lust, meinen Maulbronn-Roman weiterzuschreiben.
Mir persönlich wäre es am Liebsten, wenn alle Formen nebenher bestehen und sich ergänzen können, wovon ich ja auch schon längst profitiere: Ich schaue, wenn ich irgendwohin will, in mein Reisebuch, vergewissere mich im Internet über Öffnungszeiten usw. und schreibe ggfs. über das Gesehene im Computer.
Hallo Christa,
AntwortenLöscheninteressanter Artikel, danke!
"Was könnte denn eine noch unbekannte Nutzungsart sein?"
Um es von der Vergangenheit aus zu erklären: In Buchvertrag übergibst du Nebenrechte, die früher ganz eindeutig und klar waren. Dann kam die technische Entwicklung und die Nebenrechte vermehren sich. Zuerst gibst du dem Verlag vielleicht nur das Recht, deinen Text auf CD-ROM zu nutzen. Dann brauchte er plötzlich das Online-Recht. Dann das Onlinerecht für Drittanbieter, weil er seine Website nicht alleine bastelt etc. Im Entstehen ist vielleicht die Nutzung des Buches auf dem i-phon, in Jahren vielleicht die Übertragung des Textes auf das Terminal an deinem Kühlschrank.
Der neue Urheberrechtszusatz macht es jetzt leider für Autoren komplizierter, weil man sich im Gegensatz zu früher gegen Nachteile schützen muss, die man noch nicht kennt. Die Verträge werden länger, komplizierter (ich schwitze gerade über so einem Mammutwerk) - viele "neue" Honorierungswege wie z.B. über die VG Wort funktionieren noch gar nicht (deshalb die Widerspruchsaktion bei unbefristeten Verträgen an Verlage).
In diesem Zusmmenhang ist das zu sehen, was Piper schreibt:
"reflektiert Jeremy Rifkins These, dass in der modernen Gesellschaft die Teilhabe an der Nutzung wichtiger ist als der Besitz ("access versus property")"
Die neue gesetzliche Regelung und die derzeitigen Entwicklungen führen dazu, dass am Autor immer mehr "buy-out" geschieht (wie längst an den Journalisten), sprich, er wird immer pauschaler und geringer entlohnt, anstatt ordentlich für Einzelrechte - falls er das nicht explizit einzeln im Vertrag festlegt.
Das führt wie in der Musikindustrie dazu, dass die Rechtenutzer am Werk besser und öfter verdienen als dessen Schöpfer und Urheber. Autoren müssen sich also in Zukunft auch Gedanken um Honorierungen machen, vielleicht auf die Seite der Verwerter wechseln, z.B. indem sie eine roduktionsfirma für sich selbst aufmachen. Nur mal so als Idee.
"Die Millionen von Büchern, die jetzt im Umlauf sind oder gedruckt werden, werden ja nicht eingestampft, sondern weiter vertrieben, zum Beispiel über die Antiquariate oder Bücherflohmärkte, die sich meiner Beobachtung nach großer Beliebtheit erfreuen."
Das bringt aber dem Autor absolut nichts, denn der ist verramscht und weg vom Fester! Es verdienen nur noch die Händler und der Verlag. Bei manchen Tauschbörsen ist es noch übler - da gibt's jede Menge illegaler Piraterie, die mit elektronischen Formen sprunghaft steigt.
Machen wir uns nichts vor: Es wird heute immer schneller verramscht, um Kosten niedrig zu halten und Profit zu machen. Immer mehr Bücher trifft es bereits nach Monaten, die Maximalfrist für eine Entscheidung liegt heute im Schnitt bei zwei Jahren. Mit böser Zunge kann man das eine "kalte Enteignung" der Autoren nennen.
Kurzum: Es sieht gut aus für die Zukunft des Buchs. Es sieht aber gar nicht gut aus für angemessene Entlohnung und wirtschaftliches Überleben von Autoren. Schreiben wird langsam zum Luxus.
Herzlichst,
Petra
PS: Apropos Büchereinstampfen: Man verwendet manche tatsächlich schon als wärmedämmendes Material, weil sich das mehr lohnt als das Antiquariat.
AntwortenLöschenDanke für die ausführliche Information, Petra. Es wird wirklich immer komplizierter. Ich habe mir jetzt noch verschiedene informationen z.B. vom Literaturcafé etc. beschafft und die entsprechenden Paragarphen meiner beiden letzten Verträge noch einmal genau gelesen. Wenn ich es richtig verstanden habe, werde ich an allen, auch an unbekannten Nutzungsarten beteiligt,ebenso an der Verramschung. Vor Vertragsabschluss hatte ich mich noch von meinem Rechtsanwalt und meinem Agenten beraten lassen.
AntwortenLöschenAber ich sehe hier auch große Gefahren für die Autoren. Dass zum Beispiel journalistische Artikel ins Netz gestellt und nicht gesondert entlohnt werden, wusste ich bisher nicht. Mal sehen, wie dieEntwicklung weiterhin verläuft-da heißt es aufpassen, weil alles immer komplizierter wird.
Herzlichst
Christa
"Dass zum Beispiel journalistische Artikel ins Netz gestellt und nicht gesondert entlohnt werden, wusste ich bisher nicht. "
AntwortenLöschenDer sogenannte Buy-out-Vertrag ist noch viel fieser, Christa. Früher haben freie Journalisten von der Mehrfachverwertung ihrer Artikel gelebt. D. h., sie haben sie selbst an mehrere Verwerter verkauft, ob gleichen Text oder etwas variiert. So kam man bei einem Zeilenhonorar von damals vielleicht 20 Pf bei fünf Verkäufen auf immerhin eine Mark Bruttoeinnahmen.
Es ist schon viele Jahre her, da gab es bei großen Zeitungen nur noch BO-Verträge. Wer sie nicht unterschreibt, kann gehen. Jetzt ist es die Zeitung, die allerlei Nutzungen vergibt (und selbst ausführt, wie z.B. Online-Ausgaben) und daran verdient. Das wäre o.k., wenn die Honorare das berücksichtigten, aber die sind genauso besch...eiden wie vor den BO's.
Das ist z.B. einer der Gründe, warum ich in meiner Kolumne oft Artikel selbst verschenke. Für einzelne Artikel ohne Abnahme in Reihe lohnt es sich finanziell nicht mehr, auch nur einen Finger zur Bewerbung krumm zu machen.
Übrigens trifft die Entwertung von schöpferischer Arbeit auch andere Texterberufe. Sie endet in der Haltung von Verbrauchern Text gegenüber. Diese haben eine Nehmerhaltung, wollen wie im Internet alles kostenlos und bequem, wer Texte schreibt, kann nicht viel können, wenn er Verschenkarbeit verrichtet. Da hört man in der PR schon öfter von Kunden Absagen mit der Begründung: "Ach was, so ein 120-Zeiler, den tippt doch meine Sekretärin auch runter."
Wir kennen das von Buchkunden, die Bücher auch immer billiger haben wollen un glauben, Buchautor könne jeder mal schnell werden, macht ja auch fast keine Arbeit.
Deshalb warne ich Autoren vor Blauäugigkeit - ich habe es schon im Brotberuf hinter mir, was aus solchen Entwicklungen wird. Für Buchautoren wird's eng - nach der Medienkrise wurden schon die Journalisten Weinhändler. ;-)
Herzlichst,
Petra