Samstag, 25. Mai 2019

Von digital brutal runter auf real

 Das Schreiben gehörte schon immer zu meinem Leben, aber seit fast zwanzig Jahren ist es die Grundlage desselben geworden. Inzwischen habe ich zehn Romane und zwei Sachbücher veröffentlicht, ein ganzer Roman und ein überarbeiteter Kleinverlagsroman liegen noch auf Halde, und es gab in diesen zwanzig Jahren kaum eine Phase, in der ich nicht geschrieben habe. Seit etwa sechs Wochen, genau seit dem 6. April 2019, liegt der Griffel still bzw. schweigt die Tastatur. Nicht nur ich selbst habe bemerkt, dass ich mal eine Pause brauche. Aber es ist schon grauslich, das durchzuhalten. Ich hänge herum, surfe durch die Foren und sozialen Medien, aber da ist auch nicht viel los, dass mich über längere Zeit fesseln könnte. Wie wäre es, sich mal wieder mehr dem realen Leben zuzuwenden?

Heute Morgen habe ich aus dem Fenster geschaut, die Sonne leuchtete über meinem kleinen Garten und dem Walnussbaum. Plötzlich schreckte ich auf. Was waren denn das für Geräusche? Rückten meine Vermieter über mir wie verrückt mit den Möbeln? Noch ein Blick aus dem Fenster: Da hatte sich vom Schwarzwald her eine tintenschwarze Gewitterwand aufgebaut. Eine Stunde raste es über uns hinweg, dann begann der Regen. Zwei schöne Tage hatten wir letzte Woche, die wir auch mit langen Spaziergängen und einer Wanderung auf der Alb verbrachten. Sollte ich jetzt mein Pausengelübde brechen? Im Papyrus Autor hatte ich schon vor einiger Zeit einen vorläufigen Krimiplot und ein paar Figuren in der Datenbank aufgestellt. Dazu hatte ich aber keine Lust. Also mal sehen, was mein neuester Krimi bringt. Ein paar Buchhandlungen haben das E-Book schon aufgenommen, eine Linzer Buchhändlerin hat sich sogar bei FB gemeldet. Aber das braucht alles seine Zeit -Das Printbuch erscheint ja erst im Juli. Zumindest laufen die "Martinsmorde" kontinuierlich. Ich bin müde, mache es mir auf dem Sofa gemütlich und löse reale Kreuzworträtsel.

Abends fällt mal wieder mein HD-Fernseher aus (so alle paar Wochen für ein paar Stunden). Also auch kein Filmegucken. Dann habe ich eine Frage an Google gestellt. Wie ist es eigentlich, wenn man vom ziemlich digitalisierten zum analogen, realen Leben zurückkehren will? Dazu habe ich zwei Links gefunden. https://bit.ly/2X8rVA6 .Bei Smartphonebesitzern - es sollen über 90% aller Deutschen sein - verschmelzen die digitalen und die realen Welten. Ich habe nur ein Handy, das ich selten brauche, aber mein Laptop leistet die gleichen Dienste. Mein reales Leben ist nämlich ebenfalls mit dem digitalen eng verschmolzen. Was macht das mit einem? Außer Entfremdung von da draußen engt es die Wahrnehmung und die Gefühle ein. Und die Sinne. Dann: Zehn Dinge, die man wieder im Realleben machen sollte. https://bit.ly/2EjbU36

-Mal wieder ins Kino gehen
-Fotos abziehen lassen - das habe ich schon lange nicht mehr gemacht.
-Mit Leuten sprechen, anrufen. Da gibt es nicht viele, ein paar nahestehende Menschen, Nachbarn, mit denen man übers Nüssesammeln usw. mal ins Gespräch kommt. Im Schwimmbad immer wieder Smalltalks. Zufallsgespräche wie gestern im Antiquariat in Weil der Stadt oder mit Exmann und Lebenspartner. Ex überreichte mir das Muttertagsgeschenk unseres Sohnes, einen Krimi von Nele Neuhaus. Dazu eine handschriftliche Karte, die mich an die Worte aus seiner Kinderzeit erinnerten. Filmreif der Einwand des Ex zum Jetzigen, der sich über die Einmischung der Exgatten in die neuen Beziehungen ereifert hatte: "Du bist ein Göckele". Darauf dieser: "Ein Gockel hat immer mindestens drei Hennen!" Mein Ex und ich lachten minutenlang darüber, denn es gibt wirklich drei Hennen!

-Konzerte besucht haben wir auch schon lange nicht mehr und sind in letzter Zeit nicht weiter als in die Schweiz gereist. Aber ich lese dicke Bücher und Zeitungen, und wir treiben uns draußen herum, wann immer das Wetter mitmacht. Und kreativ war ich die letzten neunzehn Jahre auch.

Am Allerbesten sind die Spaziergänge und Wanderungen in der Natur. Vorgestern waren wir auf der Pfullinger Wiese und begegneten nur zwei Personen (am Wochenenden ist es dort manchmal recht voll). Einer mit Strohhut meinte auf die Frage, ob dahinten noch mehr von den Orchideen kommen: "Das hier ist nur die Ouvertüre!" Der andere war allein unterwegs und verschwand schnell Richtung Trauf. Zusammen mit dem tausendfachen Grillen der Zikaden war es in der Tat wie der Besuch eines Freilandkonzertes. Auf dem Rückweg fanden wir einen Kreuzenzian, den wir bisher nur im botanischen Garten in Tübingen gesehen hatten. Der Bärlauch blühte noch und duftete wie beim Italiener. Nur in der Natur, beim Kochen und Essen und bei Ausflügen kann man die Welt noch mit allen Sinnen erfassen.



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