Freitag, 29. Mai 2015

Vom Glück, eine "Glückshaut" zu haben

Heute aufgelesen am therapeutischen Wegesrand: Es gibt Menschen, die als Säuglinge einen Rest der mütterlichen Eihaut auf dem Kopf haben. Schon im Mittelalter wurde dieses Phänomen "Glückshaut" genannt. Den Inhabern dieser Glückshaut wurde vorausgesagt, dass sie es im Leben einmal besonders leicht haben würden und dass ihnen alles gelingen würde, was sie sich vorgenommen haben. Im Märchen "Der Teufel mit den drei goldenen Haaren", aufgezeichnet von den Brüdern Grimm, wird der junge Hans mit so einer Glückshaut geboren. Ihm wird weisgesagt, dass er mit vierzehn Jahren die Tochter des Königs heiraten würde. Bis es dazu kommt, muss er aber etliche Abenteuer bestehen, die für ihn tödlich hätten enden können. Wie in einem Traum gelingt es ihm, eigene Kräfte zu mobilisieren, die Gefahren mit Humor und Mut zu meistern und die für ihn nötigen Hilfen zu mobilisieren. Und so erreicht er all seine Ziele, ohne ernsthaften Schaden dabei zu nehmen.

In moderne Sprache und Psychologie übersetzt bedeutet dieser Prozess, dass Hans ein überaus resilientes Kerlchen ist, denn seine Glückshaut schützt ihn vor negativen Gedanken und Gefühlen. Er hat nicht einfach nur Glück, sondern er zelebriert diese Fähigkeit zum Glück zu seinem eigenen und dem Nutzen anderer. Die Krisen werden nicht als unüberwindbare Berge empfunden, die man niemals bewältigen wird, sondern als Herausforderung und als Chance, daran zu wachsen. Schauen wir uns noch einmal die "sieben Säulen der Resilienz", der psychischen Widerstandsfähigkeit, an.
1. Säule: Optimismus
2. Säule: Akzeptanz
3. Säule: Lösungsorientierung
4. Säule: Die Opferrolle verlassen
5. Säule: Verantwortung übernehmen
6. Säule: Netzwerkorientierung
7. Säule: Zukunftsplanung
(Entnommen dem Beitrag "Einführung in die Resilienz" von Klaus Eitel).

Während der Beschäftigung mit diesem Thema kam mir der Gedanke, dass wir Autoren vielleicht auch versuchen, diese Widerstandsfähigkeit schreiberisch zu erarbeiten. Die Geschichte von Hans mit der Glückshaut erinnert an die Heldenreise des Odysseus, die vielen Geschichten und Filmen dramaturgisch zugrunde liegt und auch therapeutisch, zum Beispiel in der Gestalttherapie, genutzt wird. Die Elemente "Opferrolle verlassen" und "Verantwortung übernehmen" scheinen mir dabei überragend zu sein.