Mittwoch, 15. Januar 2014

Stimme verloren?

Ich weiß aus Erfahrung, weil es mir mit anderen ebenso geht, dass Blogbeiträge über das eigene Schreiben für Leser nicht besonders interessant sind. Ich gebe trotzdem einen Kommentar zu dem ab, was in den letzten Tagen geschehen ist, weil es eine für mich wichtige Phase war und ist. Ich habe mir also meinen sogenannten Krimi noch einmal vorgenommen. Es ist ein Text, den ich mindestens zehn Jahre in mir rumgetragen hatte, bevor ich damit begann, eine Geschichte daraus zu bauen. Am Anfang war ein Mord in einem Schwarzwalddorf, real, den der Sohn einer Messie begangen hatte. Dazu zwei Kneipen in eben jenem Dorf, eine davon gut-bürgerlich, die andere eine XXL-Kneipe, in denen Hamburger-und Schnitzelberge verkauft wurden neben unzähligen Colaweizen. Drum herum die Dorfbewohner, eine eingeschworene Gemeinschaft. Und mittendrin der Martinsritt mit seiner titelgebenden Bedeutung. Allmählich wuchs diese Geschichte und geriet schließlich auf den Tisch meines Ex-Agenten, der mir noch ein paar Tipps gab.

Seitdem ist ein weiterer historischer Roman erschienen und der Anfang eines neuen geschrieben. Der Schwarzwaldkrimi geriet immer mehr in Vergessenheit. Doch alle paar Monate zog ich ihn wieder hervor, um zu prüfen, wie weit er inzwischen gereift und fortgediehen war. So auch am vergangenen Wochenende. Und ich zergrübelte mir zum wiederholten Mal den Kopf, warum die ersten Kapitel, besonders der Anfang, so komisch klangen. Da bin ich zigmal drüber, und es klang immer noch komisch. Lag es am Getöse des Social Media oder an dem des Reallebens? Hatte ich meine Stimme verloren? War ich entmutigt und desillusioniert durch die negative Entwicklung der Buchbranche? Wahrscheinlich ist keins davon der Auslöser. Ich glaube inzwischen sogar an folgenden Satz:
Das Schreiben verlernt man so wenig wie das Schwimmen oder Fahrradfahren.
Man muss sich nur ein wenig warmlaufen, um wieder reinzukommen.

Was war nun eigentlich mit diesem Anfang passiert? Irgendwann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Er war ca. drei bis vier Jahre alt, während ich den übrigen Roman im Jahr 2012 geschrieben habe. Außerdem war er noch Teilstück eines anderen Konzeptes, das nicht realisiert werden konnte. Wie sollte ich nun dieses komische Gebilde wegkriegen? Ich machte, für meine Verhältnisse, einen Quantensprung, denn ich versetzte den Anfang einfach mal in die Ich-Perspektive. Ausgerechnet ich, die ich diese Perspektive immer gehasst habe wie die Pest und Bücher gar nicht erst gekauft habe, wenn ich das mitbekam. Ich schrieb um, ließ die Teile durcheinanderpurzeln wie in einem Grabbelsack, druckte aus: Und siehe da, ein ganz neuer Roman entfaltete sich vor meinen Augen! Das Fieber hatte mich wieder ergriffen, das so lang entbehrte, und alles in meiner Umgebung änderte sich, wurde schöner, wärmer, sinnvoller, selbst die Arbeit ging mir leicht von der Hand wie selten. Das ist das Wesentliche am Schreiben. Und ich lernte daraus, dass eine Stimme sich auch verändern kann.