Montag, 29. April 2013

Es steht eine Mühle im Schwarzwälder Tal


Dass wir wohnen, wo andere Urlaub machen, wurde mir gestern wieder sehr stark bewusst. Der Himmel war tief verhangen, alles troff vor Nässe, Nebel umwaberte die Schwarzwaldberge vor meinem Haus. Es galt, einen Verwandtenbesuch nahe Pforzheim abzustatten. Das Nagoldtal war inzwischen ergrünt und erblüht, zwischen den dunklen Tannen schimmerte das junge Laub der Buchen hervor, an der Straße flammten Forsithien, die Wiesen waren mit Teppichen von Anemonen und Primeln bedeckt. Überall Feste, überall Massen von Fahrzeugen auf dem Weg zu ebendiesen Festen. Nach dem Besuch wanderten wir durch einen Tunnel von Schwarzwaldtannen, die Vögel sangen um die Wette, als gelte es, die Gedanken an den langen Winter auszulöschen. Der Rückweg führte durch eine weitläufige Schrebergartenanlage, mit allem, was dazu gehört: lauschige Ecken, Regentonnen, Tulpen und Traubenhyazinthen, blühende Obstbäume, Magnolien und Gartenzwerge. Gegen Abend machte sich ein Hungergefühl breit. Der Flohmarkt in Calw wurde schon wieder aufgeräumt. Wir tranken eine Latte Macchiato bei einem unserer Lieblingsitaliener. Die junge Bedienung räumte ein, dass es ihr am liebsten wäre, wenn alle Handys abgeschafft werden würden. Man werde so unselbständig gemacht durch die Geräte, die Paare würden sich nicht mehr miteinader unterhalten, sondern die ganze Zeit telefonieren. Das Kopfrechnen hätte sie völlig verlernt.
Auf der Weiterfahrt biegen wir kurzentschlossen in das Seitzental ab. Zwanzig Jahre lang sind wir hier vorbeigefahren und hatten das Gasthaus "Talmühle" rechts liegen lassen. Mal sehen, was die für eine Speisekarte haben. Ein älterer Mann führt seinen Hund Gassi.
Kriegt man hier was zu essen?, fragt mein Begleiter.
Freilich, meint der Mann, seit 40 Jahren, warm oder kalt. Das Kochen überlasse ich inzwischen meiner Frau. Wenn wir mal nicht mehr sind, ist das vorbei.
Auf der kleinen Speisekarte neben dem Eingang und auf einer Tafel stehen die Speisenangeschrieben: Schnitzel mit Pommes und Salat, Bratwürste mit Kartoffelsalat, Zwiebelrostbraten, Wurstsalat, das Übliche halt. Drinnen alles wie dazumal, eine gemütliche Gaststube, ein Tisch besetzt mit Einheimischen, die fast erschrocken hochfahren, als sich die Fremden in ihrem Reich einfinden.Wir bestellen kurzentschlossen die Schnitzel. Das Eis ist schnell gebrochen, die Wirtin fragt nach, ob wir auch Kartoffelsalat zum Schnitzel haben wollten. Der ist dann aber schon reichlich auf dem Salatteller. Den können nur die Alteingesessenen im Schwarzwald, auf der schwäbischen Alb und im Unterland so machen. Das Schnitzel ist dermaßen zart, die Pommes dünn und die Soße so gut, dass ich sie noch Stunden später auf der Zunge spüre. Sollen wir noch einen Schnaps für die Verdauung bestellen?, fragt mein Begleiter mich.
Die Soße war besonders gut, kommentieren wir, als die Wirtin die Teller abräumt.
Das ist auch keine Plastiksoße, die mache ich selber, meint sie verschmitzt. Darf ich Ihnen noch einen Schnaps anbieten?
Was für einen haben Sie denn?
Obstler oder Zwetschgenschnaps. Den habe ich für die Gäste selbst geschenkt gekriegt.
Der Gästeschnaps ist in Schwaben doch immer der, den man unliebsamen Verwandten anbietet, denke ich bei mir. Er ist dann aber ausgezeichnet. Wie erwartet, wird die Rechnung mit einem Kugelschreiber auf Papier geschrieben.
Dieser Schwarzwaldtag war einer der besten, die ich seit Monaten erlebt habe! Heute ging er mir noch einmal durch den Kopf, die Mühle im Schwarzwälder Tal fiel mir ein. Wenn ich ein Buch über den Schwarzwald geschrieben hätte, würde ich solche geheimen kulinarischen Orte nicht erwähnen. Das Tal und die frühere Mühle sind auf keiner Homepage zu finden. Sie sind morgen vielleicht schon nicht mehr da in dieser Form. Ich würde die Landschaften erwähnen, die Städte, die Flora und Fauna, Berge, Wasserfälle und Museen, Bauernhöfe und Wanderungen in dunkle Täler und über luftige Höhen, würde den Kelten und Römern nachspüren und mir vorstellen, wie die Menschen hier über Jahrhunderte gehaust haben. Wenn ich mir den Schwarzwald vorstelle, sehe ich Tannen und rote Felsen, Farne und Moose, Schluchten und vornehme Bäder, den Holländer Michel und Kurparkanlagen. Und die Schriftsteller und Philosophen, die dort gelebt oder es bereist haben, gewandert sind und darüber schrieben, wie Mark Twain, Hermann Hesse und Martin Heidegger und nicht zu vergessen der Volksschriftsteller und Pfarrer Heinrich Hansjakob.

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1 Kommentar:

  1. Schön beschrieben und auch den Zauber des Schwarzwaldes. In solche Restaurants wie die Mühle kehre ich gern ein. Leider gibt es sie immer seltener.

    Herzliche Grüße und einen schönen Feiertag
    Ute

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