Mein Sohn David hat mir einen Artikel aus dem "Spiegel" geschickt, den ich mit Interesse gelesen habe. Burnout ist eine Ausweichdiagnose. In einem Interview kommt der Psychiater Ulrich Hergerl zu dem Schluss, dass der Begriff "Burnout" inzwischen zu einer Ausweichdiagnose gworden sei. Es sei leichter, mit einem Etikett wie Burnout zu leben als mit dem der Depression, die meist dahinterstecke. An diesem Ansatz ist durchaus eine Menge dran, zumal jeder weiß, dass die Depression unsere Volkskrankheit Nr.1 ist. Und dass sie dadurch, dass seit den 80er Jahren immer mehr Aufklärung betrieben wurde, besser behandelt werden kann. Die Suizidzahlen seitdem hätten sich von 18000 auf 9600 jährlich halbiert.
Es fehlen mir aber noch ein paar Nuancen. Der Test ist sehr oberflächlich, einen wissenschaftlich fundierteren kann man sich für 24 Euro kaufen. Und es stimmt zum Beispiel nicht, dass Hochleistungssportler davon verschont blieben. Der Druck auf die Sportler, auf das Arbeitsleben überhaupt hat immens zugenommen, das wird niemand bestreiten. Vor allem sind es die Einsparungen, die immer mehr Arbeit auf immer weniger Köpfe verteilen. Die Beschleunigung aller Prozesse, die sensorische Verarmung der Kommunikationsstrukturen, Vereinsamung, Leistungsorientierung für die meisten und Gewinnmaximierung nur für wenige. Da fallen einfach mehr Menschen, auch ohne latente Depressionen, durch das Raster, die früher unerfasst geblieben wären. Gestern kam ein Bericht über die Herstellungsbedingungen von spanischen Tomaten, Computern und Billig-Discounter-Kleidung, was dazu führen müsste, dass augenblicklich die Waren teurer und die Bedingungen für die Arbeitskräfte in Alemeria, in China und in Bangla Desch verbessert werden müssten. Aber ich bin ja darauf angewiesen, billige Artikel zu kaufen, sagten manche, die dazu interviewt wurden. Da geht es nicht mehr um Depressionen und Burnout, sondern um Ausbeutung! Vielleicht sollten wir von zunehmender Erschöpfung der Lebensressourcen von immer mehr Menschen auf diesem Planeten sprechen?
Hier ein Test von Focus Online, der sich vor alem mit Belastungen durch den Arbeitsplatz befasst.
Ich habe den Film gestern auch gesehen, und er hat mich sehr bedrückt.
AntwortenLöschenMich ebenso. Ich sehe in den Läden jetzt alles mit ganz anderen Augen und schaue genau, wo die Dinge herkommen und wie sie dort wohl produziert werden.Dazu passend bekam ich jetzt von meinem Sohn den Bericht der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit(GIZ), für die er seit einem Jahr in Afghanistan tätig ist. Dort werden Projekte als Hilfe zur Selbsthilfe durchgeführt, zum Beispiel werden Tomaten, die sich nicht absetzen lassen, erfolgreich zu Tomatenmark verarbeitet und geben Bauernfamilien ein Auskommen. Junge Leute werden zu Berufsschullehrern ausgebildet, Straßen und Wasser leitungen werden gebaut. Auch über das Jahr 2014 hinaus, wenn die Hilfstruppen abgezogen werden, bleibt die Organisation im Land.
AntwortenLöschenLiebe Christa,
AntwortenLöschengute Frage, deine letzte Frage.
Ich fürchte, mit dem Burn-out ist es wie mit dem Einkaufen - es entwickelt sich zu einem Zwei-Klassen-Ding. Wenn ich kaum noch weiß, wie ich mich über Wasser halten kann, entscheidet allein der Blick auf den Preis. Und genauso gibt es eine Menge Menschen, die sich die Diagnose und Therapie von Burn-out nicht leisten können, weil sie sonst ihre Arbeit ganz verlieren. Und das ist dann auch Ausbeutung...
Herzlichst,
Petra