Samstag, 12. März 2011

Kommnikationsstörungen durch das Internet

In unserer Zeitung, dem Schwarzwälder Boten", las ich gerade ein Interview mit der Psychotherapeutin Franziska Ihle. Schwerpunkt ihrer Therapien: Ängste, Phobien, Panikstörungen, Zwagsstörungen, Depressionen, Pesönlichkeitsstörungen. Das Interview ist auch in der"Stuttgarter Zeitung" erschienen:
Der Internet-Irrsinn.
Darin äußert sie sich darüber, wie das Internet mit all seinen Kommunikationsmöglichkeiten zwar Kontakte fördert, sie aber oberflächlicher macht. Das führt dazu, dass sich die psychischen Probleme vieler Menschen verschärfen. Frau Ihle meint, dass soziale Phobien heute häufiger auftreten als früher, in einer Zeit, in der es nur das Telefon als Fern-Kommunikationsmittel gab. Emotionen anderer könnten nicht mehr so gut wahrgenommen, Beziehungen nicht mehr real gestaltet werden. Das Gehirn kann die enorme Informationsflut nicht mehr verkraften. Man lenkt sich ab, um sich nicht mit sich selber beschäftigen zu müssen. Frau Ihle empfiehlt, nur noch 1-2 mal am Tag Emails abzurufen, und eigentlich bräuchte man nach jeder Email 15 Minuten Zeit, um sich zu erholen, die sich aber keiner nimmt. Ich fühle mich angesprochen und möchte wieder verstärkt darauf achten, einen Ausgleich zwischen Realität und Virtualität zu schaffen, denn um die realeWelt komme keiner herum.

11 Kommentare:

  1. Das ist ja irre, GENAU das beschäftigt mich auch gerade, und ich habe, genau wie du, in diesen Minuten ein Blogartikelchen dazu getippt.

    "Ich fühle mich angesprochen und möchte wieder verstärkt darauf achten, einen Ausgleich zwischen Realität und Virtualität zu schaffen"

    Da können wir uns virtuell die Hand reichen ;-)

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  2. Liebe Christa,

    wie gut, dass Du das ansprichst! Ehrlich gesagt, finde ich zweimal am Tag E-Mails lesen schon ziemlich häufig. Ich versuche mich sogar auf einmal zu beschränken, weil ich es auch nicht beruflich nutze. Ohnehin ärgert man sich nur über diverse Werbemails.

    Früher war das Sozialverhalten einfach anders. Dadurch das viele Omas bzw. Kriegerwittwen zuhause waren, hatte das Sozialnetz eine andere Dichte. Das vergisst man immer, wenn man politisch propagiert, dass alle Frauen arbeiten sollen. Diejenigen, die nicht arbeiten gehen, erfüllen zusätzliche Funktionen in der Nachbarschaft, gucken mal nach der Omi von nebenan und fahren sie zum Arzt oder zum Einkaufen. Es bleiben am Tag auch mal ein paar Minuten zum Reden übrig.

    Bei uns auf dem Land gibt es das noch, dass der eine nach dem anderen guckt - und wenn es nur aus Neugier ist.;)
    Ist das bei Dir auch so?

    Liebe Grüße
    Nikola

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  3. Dem möchte ich heftig widersprechen: Es liegt am Menschen selbst, wie er damit umgeht.

    Ich habe noch nie so einfach so viele interessante Menschen auch im Reallife kennengelernt, ich war nie vorher so mobil (und so viel unterwegs). Und ich habe den Eindruck, gerade Social Media fördert spontanes Kennenlernen auch im Leben - was früher die Kneipe übernahm oder das Dorffest. Einen meiner besten Echtleben-Freunde habe ich in einem dämlichen Forum kennengelernt.

    Es gibt mittlerweile #Twittagessen sogar bei Verlagen, wo man sich spontan zum Mittagessen trifft, es werden bei der Buchmesse Gruppentreffen mit wildfremden Menschen aus der Buchbranche verabredet. Ich selbst habe gerade zwei Frauen eingeladen, die ich noch nie zuvor gesehen habe und nur per Internet kenne - und unlängst einen schönen Tag mit drei "virtuellen" BücherFrauen verbracht, die extra aus Berlin und Stuttgart nach Baden-Baden angereist sind zum "BlindDate".

    Natürlich wird nicht aus jeder Begegnung eine Lebensfreundschaft, aber aus mancher entsteht mehr, auch die Arbeit betreffend. Und ich muss mir sagen lassen, dass ich ein sehr zurückgezogener Mensch bin im Gegensatz zu anderen! Außerdem überrascht mich immer wieder, wie hilfsbereit so mancher Fremde ist, was man von den Nachbarn auch auf dem Dorf nicht immer sagen kann.

    Würden denn diejenigen, die an psychischen Störungen durchs Internet leiden, ohne Internet wirklich aktiv draußen auf Menschen zugehen? Oder verschärft nicht das Medium nur Probleme, die bereits vorhanden sind?
    Herzlichst,
    Petra

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  4. Was die Hilfsbereitschaft von Fremden im Netz angeht, muss ich Dir Recht geben. Das habe ich auch schon erlebt. Es entwickeln sich sehr herzliche, freundschaftliche Beziehungen, vergleichbar mit Brieffreundschaften - nur, dass man nicht so lange auf einen Brief warten muss.;)
    Vielleicht liegt das einfach daran, dass man über das Netz eben genau die Leute 'trifft', die genau die selben Interessen haben. Im näheren Bekanntenkreis finden sich sonst nicht so viele Literatur-Interessierte - zumindest nicht bei mir.:(
    Trotzallem ist es schöner, einfach mal raus in die Sonne zu gehen und am Zaun zu quatschen. Landleben hin oder her.

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  5. Liebe Nikola,
    so ist das auch bei mir, zumal ich in Frankreich von der deutschen Buchbranche komplett abgeschnitten wäre. Natürlich tratsche ich über den Zaun und rede gern mit dem Knecht vom Hühnerbauern oder den Holzfällern - aber dass kann nicht alles sein ;-)
    Ich habe sogar durchs Blog nette Leute hier in der Nachbarstadt kennengelernt, denen ich dort in Jahren nicht über den Weg gelaufen wäre.

    Ich denke einfach, dass die meisten Menschen ganz gut hin und her zu schalten wissen und dass die Virtualität ja auch längst Teil der Realität geworden ist. Ich kenne auch ein paar Internetsüchtige, aber die hätten früher wahrscheinlich gesoffen, Drogen genommen oder gespielt, wer weiß?
    Liebe Grüße,
    Petra (muss wieder an den Zaun...)

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  6. Hallo, ihr Lieben,

    "Oder verschärft nicht das Medium nur Probleme, die bereits vorhanden sind?"

    Damit hat Petra den Kern dessen, was Frau Ihle meinte, beschrieben. Ich kenne jemanden, der sich jahrelang nur hinter seinemComputer verkrochen hat, immer dicker wurde und jeden Kontakt mit der Außenwelt verlor und allmählich wieder hervorgeholt werden musste. Keiner von denen, die an einer sozialen Phobie leiden, würden natürlich ohne
    Internet mehr auf Menschen zugehen. Und doch beobachte ich Verhaltensänderungen. Es wird lieber gemailt als angerufen, auch beruflich. Der Vorteil ist dann wieder-ich weiß das zu schätzen-dass man demjenigen nicht stundenlang hinterhertelefonieren muss, sondern dass die Mail ankommt und beantwortet wird. Es ist klar, dass die M ö g l i c h k e i t , mehr Leute kennnzulernen und sich auch mit ihnen zu treffen und zusammenzutun, sehr viel größer ist als früher. Ich habe auch Leute aus dem Internet kennengelernt, vor allem Schreibende, und mich mit ihnen getroffen, und merkwürdigerweise konnte man genau da weitereden, wo man aufgehört hatte. Ich kenne auch zunehmend Menschen, die ihren Lebenspartner über das Internet gefunden haben. Ich glaube aber, dass nicht nur das Hin-und Herschwenken zwischen Realität und Virtualität wichtig ist, sondern die Qualität der Beziehung ü b e r h a u p t. Mit den oberflächlichen Kontakten wird man sich gewiss niemals treffen, sondern nur mit den gewachsenen oder spontan so sympathischen, dass man sie zu einer Freundschaft oder Arbeitsbeziehung erweitert. Frau Ihle spricht aber noch etwas anderes an, das ich meinte und das Alexina und Nikola meinen: Das Sozialgefüge ist durch die Medien sinnlich-emotional verarmt. Was Nikola mit der Dorfgemeinschaft anspricht, zeigt das sehr deutlich. Auch in meiner Nachbarschaft beobachtet jeder jeden, man hilft sich, stellt einem anderen aber auch mal fürsorglich den Mülleimer raus, wenn der es noch gar nicht will!:-) In seinem Buch"Ausgebrannt"hat Andreas Eschbach das übrigens für mich sehr einleuchtend beschrieben-als nach dem Ausgehen des Öls der Supermarkt einging und der Tante-Emma-Laden wieder boomte. Damals musste man sich noch vor dem Atomschlag fürchten, heute steht die Welt an der Wende ihrer Kapazitäten und Ressourcen und vielleicht auch an der Schwelle einer noch einmal veränderten Kommunikation-ich habe heute Abend noch einige Sendungen und Kommentare zur Lage inJapan und zum GAU gesehen. Es ist wie die berühmte Salami und das Messer, die ich immer wieder gern zitiere: Man kann die Salami mt dem Messer schneiden oder jemanden damit töten. Ich möchte lernen, das Gute der Medien zu nutzen, da sie nun einmal nicht mehr wegzudenken sind-
    und mich wieder mehr auf konkrete, sinnlich-emotional menschliche Werte besinnen.
    In Japanhelfen helfen die Computer zum Beispiel, den Hilfstruppen den Weg zu weisen, helfen tun die Menschen dann selbst.

    Herzlichst
    Christa

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  7. Grad lauf ich vom Computer weg - wie, Alexina, Blog-wo, wo? Muss ich gleich verlinken

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  8. Liebe Christa,
    ich verbringe viele Jahre meines Lebens auf dem Lande (in zwei Ländern) und kann euer romantisches Bild vom Dorfleben überhaupt nicht teilen. Eine Dorfgemeinschaft ist nicht nur eine Stütze, sondern dient vor allem dem Erhalt und Kontrolle (!) einer gewissen Norm: Wer nicht mitmacht, wer anders ist, wer die Normen bricht, wird so brutal ausgegrenzt wie sonst in einer Sekte. Wohl dem, der reinpasst...

    Ich kann in der guten altmodischen Art, das Straßenfegen zu überwachen, dem Nachbarn die Gardinen nachzumachen und samstags kollektiv das Auto zu waschen, durchaus auch eine emotionsverarmte Oberflächlichkeit sehen!

    Dass diese Dorfgemeinschaften überall zerbröseln, liegt jedoch nicht am Internet, sondern an zwei anderen, viel älteren Faktoren: Der Arbeitsmobilität und dem Wunsch nach persönlicher Freiheit und Individualität. Das bringt Probleme mit sich, muss aber per se nicht schlecht sein.

    Ich lebe nun in einem Dorf, das inzwischen sehr durchmischt ist mit "Fremden", wie das auf dem Dorf so schön heißt, mit Leuten, die weit weg arbeiten und auch nicht mehr die Zeit haben, für andere viel zu arbeiten, weil sie spät abends totmüde nach Hause kommen. Alles Egoisten, erkaltet? Als der Sturm Lothar wütete, sind all diese Egoisten spontan auf die Straße gegangen, haben den Rettungskräften geholfen und sind von Haus zu Haus, um nachzuschauen, ob niemand verletzt ist. Damals haben sich diese "oberflächlichen" Typen, die sich sonst nicht grüßten, per Radio vernetzt - heute würden sie das Internet nutzen.

    Herzlichst,
    Petra (aus idyllelosem Dorf)

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  9. Nein, eine Idylle ist mein Dorf nun auch nicht, und eigentlich ist es offiziell sogar eine Stadt. Zu "Arbeitsmobilität" und "Individualität" hätte ich noch schlicht und einfach "Auto" hinzufügen können. Ich erwische mich selbst manchmal dabei zu denken: schnell weg, sonst verwickelt mich jemand in ein endloses Gespräch!:-)D i e Zeit habe ich einfach nicht, besonders wenn die Gespräche in Monologen über dies und das, den Müll, den Schornsteinfeger und die richtige Bepflanzung der Beete besteht ...in meiner Kindheit und Jugend habe ich es allerdings noch erlebt, dass man jeden in der Straße, im Dorf kannte und wusste, was mit ihm war. Später, wieder in einem 2000-Seelen-Dorf, musste auch ein Lothar kommen, damit die Leute wieder zusammenrückten.

    Herzlichst
    Christa

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  10. ich denke, wie so vieles andere hat auch diese Sache zwei seiten. ich halte nichts davon, die virtuelle kommunikation generell an den pranger zu stellen. mein leben wurde dadurch schon sehr bereichert. allerdings halte ich es für wichtig, seine erwartungshaltung zu überprüfen, also dieses medium als das zu sehen, was es ist, eine möglichkeit unter vielen, mit menschen in kontakt zu treten und sich auszutauschen. dass es keine tiefen emotionalen beziehungen ersetzen kann, steht wohl außer frage.

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  11. Vollkommen d'accord, Masumi, ich würde noch ergänzen: Das Internet hat mein Leben u n d mein Schreiben sehr bereichert.

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