Dienstag, 30. November 2010

Krähen im Winter









Das Gedicht von Friedrich Nietzsche fand ich gestern in einem Roman.


Vereinsamt

Die Krähen schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein, -
Wohl dem, der jetzt noch - Heimat hat!

Nun stehst du starr,
Schaust rückwärts, ach! wie lange schon!
Was bist du Narr
Vor Winters in die Welt entflohn?

Die Welt - ein Tor
Zu tausend Wüsten stumm und kalt!
Wer das verlor,
Was du verlorst, macht nirgends Halt.

Nun stehst du bleich,
Zur Winter-Wanderschaft verflucht,
Dem Rauche gleich,
Der stets nach kältern Himmeln sucht.

Flieg, Vogel, schnarr
Dein Lied im Wüstenvogel-Ton! -
Versteck, du Narr,
Dein blutend Herz in Eis und Hohn!

Die Krähen schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein, -
Weh dem, der keine Heimat hat!

Friedrich Nietzsche (1844-1900)

Jetzt verstehe ich, warum die Menschen Advent feiern, Familien gründen, in der kalten Jahreszeit zusammenrücken-und schreiben. Und Pause machen. Und weitermachen.

13 Kommentare:

  1. Liebe Christa,
    man kann das auch so sehen: Raben- und Krähenvögel begleiten uns auf der ganzen Welt. Und wenn ich die paar Hanseln in Schwarz hier im Elsass sehe, sehne ich mich nach den Rabenwintern in Polen zurück, wo der schwarze, lärmende Himmel mit Auf- und Untergang der Sonne ein unvergessliches Naturschauspiel war (@Nikola: wir haben da eine gemeinsame Tierliebe).
    Jedesmal wenn ich einen sehe, dann denke ich, der könnte mir jetzt wunderbare Geschichten aus anderen Ländern erzählen.

    Man kann "Heimat" auch einfach nur im Kopf haben, nicht an Orten. Und dann Pause machen, um den eigenen Kopf wiederzuentdecken... Der Winter ist eine wunderbare Zeit für Innenschau, fürs Zur-Ruhe-Kommen.

    Herzlichst,
    Petra in der Teepause ;-)

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  2. "Man kann "Heimat" auch einfach nur im Kopf haben, nicht an Orten. Und dann Pause machen, um den eigenen Kopf wiederzuentdecken".

    Das hast du wunderbar ergänzt, Petra! Und deine Raben in den Polenwintern höre ich richtiggehend krächzen.

    Herzlichst
    Christa

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  3. Ich höre sie auch! Heute morgen sogar vor der Haustür, weil beim Nachbarn ein Huhn von einem Greifvogel verletzt wurde. Das war ein Spektakel - herrlich.
    (@Petra: Du glaubst gar nicht, wie sehr mich das freut!)

    So ganz ohne Gedicht möchte ich Dich aber nicht verlassen. Bei Raben gibt es ja Auswahl genug, deshalb hier eins von Fontane:

    Die drei Raben

    Drei Raben saßen auf einem Baum,
    Drei schwärzere Raben gab es kaum.

    Der eine sprach zu den andern zwei'n:
    »Wo nehmen wir unser Frühmahl ein?«

    Die andern sprachen: »Dort unten im Feld
    Unterm Schilde liegt ein erschlagener Held.

    Zu seinen Füßen liegt sein Hund
    Und hält die Wache seit mancher Stund'.

    Und seine Falken umkreisen ihn scharf,
    Kein Vogel, der sich ihm nahen darf.«

    Sie sprachen's. Da kam eine Hinde daher,
    Unterm Herzen trug sie ein Junges schwer.

    Sie hob des Toten Haupt in die Höh
    Und küßte die Wunden, ihr war so weh.

    Sie lud auf ihren Rücken ihn bald
    Und trug ihn hinab zwischen See und Wald.

    Sie begrub ihn da vor Morgenrot,
    Vor Abend war sie selber tot.

    Gott sende jedem Ritter zumal
    Solche Falken und Hunde und solches Gemahl.

    Theodor Fontane

    Liebe Grüße
    Nikola

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  4. Liebe Nikola,
    oj, wie schmachtig ;-)
    Du kennst sicher das wunderbare Buch von Bernd Heinrich: Die Seele der Raben - macht rabensüchtig!
    Als ich klein war, lief bei uns immer ein halb zahmer Kolkrabe herum und ich tippelte nebenher und redete mit meinem "Raben Kolk", diesem imposanten Wesen, das alles zu verstehen schien. Leider ist es viele Jahre her, seit ich zum letzten Mal echte Kolkraben in freier Natur gesehen habe.
    Herzlichst,
    Petra

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  5. Leider habe ich noch nie Kolkraben in freier Natur gesehen. :-(
    Die Seele der Raben habe ich natürlich gelesen und dabei mitgefiebert wie bei einem Krimi. Besonders schön finde ich auch "Rabenschwarze Intelligenz" von Josef H. Reichholf. Darin erzählt er wirklich köstliche Geschichten von seinen gezähmten Raben aus Kindertagen. Warum es bei der Haltung von Raben heute so strenge Auflagen gibt, kann ich nicht ganz verstehen. Das würde viel zum Verständnis dieser wundervollen Tiere beitragen und wäre allemal besser als sie abzuschießen und zu vergiften.
    Überhaupt bin ich ganz verrückt nach Flattervieh. Aber Raben, hach, die sind schon etwas ganz Besonderes.
    Herzliche Grüße
    Nikola

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  6. Hab jetzt auch noch ein bisschen nachgeguckt, was es mit diesen
    wunderbaren Tieren auf sich hat.
    Sie sollen so intelligent sin, dass sie Nüsse von Autos knacken lassen und bei Grün hinfliegen, um die Nuss zu holen, oder sich selbst im Spiegel erkennen. Ich habe sie auch schon immer geliebt. Sie sitzen gern scharenweise im Winter in den Bäumen. Nur eins habe ich nicht verstanden:
    Als ein Rabe in einer Leseprobe von mir auftauchte, meinte ein Leser: Das sei abgegriffen!(:-

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  7. Vielleicht wegen der vielen Klischees zum Thema "böser" Rabe (Aasfresser, Rabenmutter etc.)?
    Da bin ich überfragt.
    Aber es gibt natürlich sehr häufig den Namen Rabe in Titeln, allerdings immer als Synonym für etwas Negatives. Auch auf Buchcovern trifft man ihn oft. Ich behaupte jetzt mal frech, dass es der Vogel ist, der am meisten fotografiert wird.

    Liebe Grüße
    Nikola

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  8. Haben Sie das Video schon gesehen?
    http://www.youtube.com/watch?v=PNqNfxo42J8
    Krähen sind ganz schön raffiniert. ;)

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  9. @Nikola: Der Rabe wurde zu häufig als Symbol verwendet, schon immer. Symbol für Weisheit, als Todesbote.

    @Heinrich: Ich habe mir das Video angesehen. Unglaublich, was die Krähen (Nebelkrähen, glaub ich?) da anstellen ...:-)
    Als Kind wollte ich auch immer einen zahmen Raben haben.

    Grüße
    Christa

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  10. Übrigens sind leider auch ganz normale Raben bei uns selten geworden (weil abgeknallt, vergiftet etc.). Für die Sichtung eines Kolkraben muss man schon in sehr intakte abgelegene Gebiete gehen (z.B. Vogesen). Was bei uns schwarz herumflattert, sind meist Krähen, also die kleineren Rabenviecher ;-)

    Was die Mythen und Symbole betrifft, so geht das ja fast allen mit dem Tod verbundenen so: die Ambivalenz geht verloren, weil die positiven Anteile des Todes in einer Gesellschaft nicht mehr gewollt sind, weil verdrängt wird. Aber jedesmal, wenn wir uns von einem Teil einer Symbolbedeutung abschneiden, bleibt diese unterschwellige, unerklärliche Faszination. Ich habe das mal an der Rose untersucht, die ja auch nicht nur süßlich und herzallerliebst war - dort ist es genau andersherum.
    Herzlichst,
    Petra

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  11. Die meisten, die wir sehen, seien Rabenkrähen, habe ich mal gelernt, eine Unterart der Aaskrähe.
    Was Rosen betrifft, bist du ja die absolute Expertin, Petra. Ich habe nur gemerkt, dass ich bei einer Beerdigung instinktiv weiße Rosen gekauft habe. Insofern ist das Wissen irgendwie in uns drin.
    Herzlichst
    Christa

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  12. In dem Video sind tatsächlich Nebelkrähen zu sehen. Die gibt es bei uns auch nicht, eher in Osteuropa.
    Als ich zwecks Recherche durch das Web flatterte, habe ich nicht wenige Versandhandel für Jagdbedarf entdeckt, die offen mit Lockkrähen werben, um damit Rabenvögel besser abknallen zu können. Dabei ist der Abschuß von Singvögeln gesetzlich verboten (und Raben sind Singvögel!). Das wird irgendwann Folgen haben, gerade für Tiere, die ein so ausgeprägtes Sozialverhalten haben.
    Bei uns auf dem Dorf gibt es glücklicherweise viele Rabenkrähen. Wie schön wäre es, zu Grabe getragen zu werden, mit Rosen (vielleicht gibt es bis dahin eine perefkte schwarze?)und Rabengekrächz.

    Liebe Grüße
    Nikola

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  13. Seit 5 Jahren darf ich mich der Freundschaft einer ganzen Krähenkolonie erfreuen. Auch wenn diese stark auf die Leckerbissen , die ich ihnen mitbringe gegründet ist, bin ich dankbar für die schönen Momente, die ich mit ihnen erleben durfte .Für mich sind es magnetische Tiere:
    http://www.youtube.com/user/kolumbus2209#p/u
    Ich spreche nur selten mit ihnen, aber ich höre ihnen gern zu , beobachte sie gern, lese gern in ihrer Mimik und mache mir Gedanken über ihr Verhalten und ihr Leben. Ich entdecke viele Gemeinsamkeiten(Freundschaft, Eifersucht,Neid, Streit, Versöhnung, Trost, Raffinesse) und wenige aber bedeutsame Unterschiede (kein Mobbing, kein Hass, phänomenales Gedächtnis, perfekte Menschen -und Hundekenntnis)zu unserer Spezies.
    Fazitspruch: "Irren ist menschlich aber NICHT krähisch.."

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