Montag, 11. Dezember 2017

Was brauchen wir wirklich?

Wir befinden uns wieder in der Vorweihnachtszeit, und ich muss sicher nicht mehr darauf hinzuweisen, dass sagen wir mal neunzig Prozent vom dem Klamauk überflüssig ist. Was brauchen wir wirklich an Weihnachten? Eigentlich nicht mehr als das, was wir Älteren als Kinder kannten: Brennende Kerzen, einen Tannenbaum, Sterne, Lametta, einen Korb mit Orangen und Süßigkeiten, Schnee und ein festliches Essen. Naja, Geschenke natürlich auch. Und die Familie. Die ersten Weihnachtsmärkte, die ich erlebte, waren klein, glänzend und duftig, wie zum Beispiel der in Wildberg hier um die Ecke - vor etwa zwanzig Jahren. Die Leute hatten ihre Garagen geöffnet, es lag Selbstgemachtes zum Verkauf aus, und zum Essen gab es echte Thüringer Bratwürste. Seitdem hat es sich immer mehr kommerzialisiert, und wir gehen nur noch selten auf einen dieser Märkte. Zum Beispiel erlebten wir am vergangenen Wochenende in Horb eine herbe Enttäuschung. Der Markt war von der pittoresken oberen Altstadt an den Platz am Fluss verlegt worden, es wehte ein eisig kalter Wind, so dass einem die Lust auf Würste oder Kartoffelchips am Spieß verging. Mittendrin stand ein Zelt mit einer Falknerei, ein Stück weiter dröhnte Popmusik von einer Bühne, auf der verkleidete Mädchen herumtanzten. Wir waren schnell durch, und es war klar, dass uns auf allen Märkten das Gleiche erwarten würde. Später las ich in der Zeitung, dass die Betreiber der kleinen Stände mit dem Honig oder den Wachskerzen nicht mehr kommen würden, weil sich wegen der Vogelschau alles um diesen Stand gedrängt hätte und keiner mehr zu ihnen durchkam.

Was wir wirklich brauchen, habe ich am vergangenen Wochenende erlebt. Die Heizung ist zweieinhalb Tage lang ausgefallen, die Vermieter waren verreist. Nachdem ich endlich jemanden auf dem Handy erreicht hatte, kam am Sonntag notfallmäßig der Monteur. bis dahin hatte ich in der Wohnung jede Wärmequelle aufgesucht, die verfügbar war. Den kleinen Radiator, einen Sonnenstrahl ab und zu. Beim Kochen schaltete ich jede Herdplatte an, um Kartoffeln, Gemüse und anderes zuzubereiten und die Abwärme zu genießen. Die Eisfüße steckte ich ab und zu in eine Schüssel mit heißem Wasser. Am Nachmittag fegte ein mittlerer Schneesturm über das Land hinweg, auf den Straßen war Panik ausgebrochen, überall blinkten Lichter, eine Weltuntergangstimmung. Der Monteur erzählte, dass es auf dem Kniebis (in 1000 Metern Höhe) schon wieder regne. Er schaufelte Asche aus der Heizung, aber sie blieb weiterhin die ganze Nacht kalt. Ich konnte an nichts anderes mehr als an Wärme denken. Wie haben es die Steinzeitmenschen bloß ausgehalten? Es war ja sicher nicht für jeden eine Höhle da mit einem Feuer und Felswänden zum Bemalen. Wenn das Klima zu rau wurde, sind sie in den Süden gezogen. Und es ist noch nicht vorbei: Bevor jetzt die Wohnung überhaupt wieder aufgewärmt ist, geht die Heizung schon wieder aus. Das sind die Nachteile der Computerheizungen, bei meinem Ölofen konnte ich früher alles selber regulieren.

Ein anderes Thema ist das Einkaufen (Grundbedürfnis: Essen und Trinken). Heute las ich in der Zeitung, dass die Deutschen wieder mehr in Einzelhandelsgeschäften kaufen sollten. Durch das Internet-Bestellgeschäft würden diesen ihre Grundlagen entzogen. Alle Welt kauft im Internet, und wie ich bei einer Fernsehsendung ("Amazon-gnadenlos erfolgreich") mitbekam, sind es allein 44 Millionen, die bei dort Waren, nicht nur Bücher, bestellen. Die übrigen 44 Millionen drängen sich in den Discountern und Supermärkten. Und alle haben ihren Dreck am Stecken, behandeln ihre Mitarbeiter unwürdig und schlampen zunehmend bei der Qualität. Wenn ich ein Buch brauche, gehe ich in die Buchhandlung. Oder ich lade mir ein E-Book meiner Wahl auf meinen Reader. Ja, ich kaufe auch gern beim Aldi, da ist es angenehm, das Gemüse ist frisch, und es gibt immer ein Thema wie Spanien, Griechenland, Frankreich usw. An der Kasse geht es zügig voran. Trotzdem gab es auch da schon Schlagzeiten wegen der Mitarbeiter. Dass es auch anders geht, hat Tim Mälzer heute Abend gezeigt: Eine Familie kam eine Woche lang mit 150 Euro für fünf Personen aus, und zwar mit Bio-Lebensmitteln. Einzig deswegen, weil sie nicht die genormten teuren Waren, sondern die mit kleinen Macken gekauft und alles wiederverwendet hatten. Ich werde mein Konsumverhalten daraufhin mal wieder überdenken. Es muss ja nicht gleich die Kiste Apfelsinen direkt vom spanischen Bauern sein, so viel könnte ich niemals verbrauchen. Aber ich weiß jetzt, dass ich viel weniger kaufen muss, um das zu bekommen,was ich wirklich brauche: Gut schmeckende Lebensmittel.

Der dritte, persönlichere Punkt ist die Aufmerksamkeit und die Anerkennung von anderen, die jeder von uns benötigt (wenn das Wichtigste, nämlich die Lebensgrundlage, gesichert ist.) Ich merke, dass dieser Hunger nach Anerkennung bei mir weniger geworden ist. Meine berufliche Zeit habe ich erfüllt, ab und zu schreibe ich noch einen Zeitungsartikel für meinen Verein. Kürzlich traf ich eine ehemalige Klientin, die mich gleich umarmte, was während des Dienstes verpönt war. Ich habe drei Verlage wegen meines Romans über den dreißigjährigen Krieg angeschrieben (Backlist), ein kleiner, feiner E-Book-Verlag hat sich schnell gemeldet und die Exposés dieses und drei anderer Romane angefordert. Ich warte eigentlich gar nicht so richtig auf Antwort, wahrscheinlich kommt erst im neuen Jahr etwas, wenn überhaupt. Und ich freue mich über Rankings meines E-Book- Bundles vom Verlag, ohne davon viel zu erwarten. Im Moment glaube ich, dass sich mein Bedürfnis nach Anerkennung im Moment tatsächlich erfüllt hat, selbst bei Facebook und Twitter schaue ich nur noch ab und zu rein. Ich bewundere diejenigen, die sich da reinhängen, um am Zustand der Welt ein bisschen was zu ändern, aber das Gros sind doch diejenigen, die sich selbst beweihräuchern und Punkte sammeln. Wichtiger ist für mich jetzt, die Bude warm zu haben und mir zu überlegen, wie ich mir mein Leben in dieser durcheinandergequirlten Welt für mich und andere einrichten kann.