Sonntag, 9. Juli 2017

Unterwegs in Büchern und Zeitgeschichte

Gestern sind wir einfach mal so ins Blaue hinausgefahren. Das Blaue war allerdings gar nicht so blau wie in den Tagen davor. Es war drückend heiß, ca. 32°. Über der schwäbischen Alb und dem Neckartal türmten sich graue bis tintenblaue Wolken, ein Jenseitstheater mit  riesenkohlförmigen, schneeweißen Gebilden dazwischen. Tübingen quoll aus allen Nähten, da war nämlich ein Sommertheater angesagt. Es ist wohltuend, einfach mal ohne Ziel unterwegs zu sein. So verschlug es uns in eine kleine Gemeinde, in der wir schon des Öfteren Kaffee (oder Rhabarberschorle) getrunken haben. Zwei ältere Männer unterhielten sich über die Ereignisse in Hamburg beim Gipfeltreffen der Staatschefs. Sie waren voller Wut auf die vandalierenden Autonomen. Auch hier fand ein Fest statt. Ich wunderte mich über die "altmodischen" Stände mit Wurfbällen und Wettangel-Fischchen über Wassertrögen. Erinnert mich fast an die Jahrmärkte meiner Kindheit. Mittendrin wies ein Pappfeil auf einen Bücherflohmarkt hin. Die örtliche Bücherei wollte Platz schaffen für Neues, und so konnte man für je einen Euro Bücher aussuchen. Mein Partner hatte später eine Riesentüte voller Weltliteratur. Ich selbst sah nur diese dicken Bücher speziell für Frauen, die mir meist nur noch ein Gähnen abringen. Interessant war das Gespräch mit der Buchbetreuerin. Jemand aus dem Bekanntenkreis habe selbst ein Buch herausgebracht, das sei aber voller Fehler gewesen. Ach ja, man könne als unbekannter Autor auch ein Lektorat bekommen? Im Übrigen bevorzuge sie das deutsche Buch. Deutschland first, dachte ich, jetzt auch schon auf diesem Gebiet? Allerdings lese ich Krimis zur Zeit auch nur von deutschen Autoren, zuletzt begeistert den historischen Krimi von Jan Kilman "Heldenflucht", einen Roman aus der Zeit nach dem ersten Weltkrieg, und ein gelungener Genremix aus Historie und Krimi.

In der nächsten Stadt (Nürtingen) fand ebenfalls ein Fest statt. Eigentlich kamen wir gar nicht hinein, und eigentlich wollten wir nicht schon wieder auf ein Fest. Aber irgendetwas spülte uns dann doch dorthin. Unterwegs begegneten wir zwei Polizisten. Mein Freund, kontaktfreudig wie immer, fragte die Frau, wie weit es noch bis zum Fest sei (zu dem wir ja eigentlich gar nicht hinwollten, aber zum Wandern war es einfach zu heiß, die Badeplätze waren überfüllt, und zuhause im abgedunkelten Raum sitzen wollten wir natürlich ebenfalls nicht).
"Gefühlte 100 Km" meinte die Polizistin und wischte sich den Schweiß von der Stirn. "Naja, so zwei Minuten, dann sind Sie dort."
"Ganz schön hart, was ihr Polizisten da habt leisten müssen", fuhr mein Freund fort.
Sie lachte.
"Ich bin vom Ordnungsamt. Aber das war eine übergroße Herausforderung, das kann man wohl sagen. Ich kann wirklich nicht verstehen, wie eine schwarze Truppe so hemmungslos und voller Gewalt und Hass Bürger gefährden, ihr Eigentum vernichten, schweren Raub und Brandstiftung begehen kann!"
Es ging dann noch ein wenig weiter. Ich selbst bin inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass die Schwarzen mit ihrer Vermummung provoziert haben. Darauf hätte die Polizei mit Deeskalation reagieren können statt mit raschem Auflösen der Demonstration. Das rechtfertigt aber nicht im Mindesten die menschenverachtenden, brutalen Übergriffe in den folgenden drei Nächten. Ich habe bei Facebook Beiträge gesehen, in denen die Autonomen in die Nähe der SA gerückt werden. In den 80er Jahren, im Mutlanger Basiscamp, haben wir übrigens mal ein Rollenspiel gemacht und wollten herausfinden, was passiert, wenn innerhalb einer friedlich demonstrierenden Gruppe Gewalt ausbricht. Alle Versuche, die Gewalttätigen körperlich daran zu hindern, endeten in neuer Gewalt. Ich glaube, die Lösung war, eine Kette um sie herum zu bilden. Ob das allerdings auch praxistauglich gewesen wäre, steht auf einem anderen Blatt. Und über die Bekämpfung des Terrorismus wurde anscheinend überhaupt nicht geredet auf dem Gipfel.