Samstag, 22. April 2017

Es geschah beim Zahnarzt

Vor zwei Tagen hatte ich einen Termin. So einen Termin von der Art, bei der man froh ist, wenn er endlich hinter einem liegt. Meinen Zahnarzt kenne ich seit Jahren, ebenso die Fachkraft für die professionelle Zahnreinigung. Seitdem ich diesen Zahnarzt und diese Fachkraft für Zahnreinigung habe, war nichts Bemerkenswertes mehr mit den Zähnen. Die beiden wissen, dass ich Romane schreibe bzw. geschrieben habe. Mein Zahnarzt hat auch eine ganze Bücherwand mit Klassikern zu Hause stehen. Diesmal war die Behandlung nur eine mehr kosmetische Korrektur, die es aber in sich hatte. Da wurde sehr viel Wasser eingesetzt, viel mehr als früher, als es nur den langsamen, elend knirschenden und den schnelleren, in hohen Tönen kreischenden Bohrer gab. Natürlich hat es auch diesmal wieder nicht weh getan. Dafür machte mir das Wasser im Mund zunehmend zu schaffen, obwohl es ständig abgesaugt wurde. Da kam der Schluckreflex zum Einsatz. Nachdem ich gebeten worden war, die Augen zu schließen, ertönte mit einem Mal ein unterirdisches Grollen, als wenn ein Vulkan kurz vor dem Ausbrechen stünde. Lachend mussten wir feststellen, dass meinem Zahnarzt der Magen knurrte. Zwischendurch plauderten wir über das Schreiben, wenn mein Mund gerade mal frei zum Sprechen war. Wie es damit ginge? Ach, es wird immer schwieriger, gerade habe ich ein Manuskript an eine Agentur geschickt und keine Antwort erhalten. Da fiel ihm ein, dass man es ja auch ganz anders machen könne. Eine Studentin, zum Beispiel, sitze immer im Café und beobachte die Leute. Über das, was sie aufschnappt, schreibe sie Geschichten und habe ein Buch daraus gemacht. Ich habe auch schon im Café geschrieben, aber ganze Romane, fällt mir ein. Dann gäbe es ja auch noch diese Zahnarztgeschichten und ähnliche Events, meinte er, über die man berichten könne. Während ich so auf dem Schragen liege, denke ich an den Kleinverlagsroman, dessen Rechte ich zurückerbeten hatte, um es nochmal selbst aufzulegen. Ebenfalls keine Antwort. Die Welt ist so arm an Antworten geworden!

Warum tue ich mir das an, warum schreibe ich immer weiter, wenn die Welt doch immer weniger zu lesen und immer mehr draufzuhauen scheint? Warum haue ich nicht einfach ab wie neulich ins herrliche Taubertal, wo die Dörfer noch unverändert auf den Höhen stehen und keiner den anderen von der Straße drängeln will? Oder wie bei der Wanderung abseits vom Eyachtal, wo der Wald verwunschen und einsam dasteht, die Wegränder mit Wiesenschaumkraut, Anemonen und Veilchen gesäumt sind. Die Bücher, die mir in der letzten Zeit am besten gefallen haben, waren vom kleinen Verlag Klöpfer&Meyer in Tübingen, auch das von dem "Liebesgedächtnis".

Das unterirdische Grollen wiederholte sich noch ein zweites, ein drittes Mal. Auf meine Frage, ob er nichts zu Mittag gegessen hätte, antwortete er, im Gegenteil, er war beim Chinesen, und es sei fast zu viel gewesen. Ich kenne die chinesischen Restaurants gut, auch wenn ich nicht der absolute Fan davon bin. Meistens gehe ich aus Solidarität mit dorthin, esse eine Suppe mit Gemüse und Hühnerfleisch, eine mit köstlichen kleinen Maultaschen und/oder knusprig gebratene Ente. Jedesmal, wenn wir vom Chinesen zurückkommen, müssen wir sofort auf die Toilette. Bei einem der letzten chinesischen Essen hörten wir die Leute am Nebentisch darüber reden. Habt ihr auch wieder Durchfall davon bekommen?, wurde da gefragt. Sie glaubten und ich glaube, es ist das Glutamat, und deshalb schmeckt das auch so würzig.

Ja, ich könnte in Zukunft kleine Anektdoten des Alltags erzählen, anstatt über das Leben, das Schreiben und die Läufte der Welt zu berichten.