Dienstag, 22. April 2014

Eigene Stimme oder Orientierung am Markt?

Eine alte und meist heftig diskutierte Frage unter Autoren ist die, ob man nun schreiben soll, was man will bzw. was man selbst gern lesen würde oder ob man sich an den Bedürfnissen des "Marktes" orientiert. Zu dieser Frage hat Hans - Peter Roentgen den Erfolgsautor Sebastian Fitzek interviewt, nachzulesen im Tempest Newsletter vom 21. April 2014. Ich konnte es nicht verlinken, deshalb fasse ich die entscheidenden Passagen einmal zusammen.
Zu einem Mythos über den Buchmarkt gehört die Annahme vieler Autoren, dass es eine Formel für einen Bestseller geben würde. Oder dass man mit Marketing alles verkaufen könnte. Fitzeks Erstlingswerk "Die Therapie" wurde allein durch Mundpropaganda zu einem Überraschungshit. Das zweite verkaufte sich trotz intensiver Werbekampagnen nur halb so gut. Sein Agent hatte ihm den Rat gegeben, die Geschichte nicht in den USA, sondern dort spielen zu lassen, wo er sich auskenne, also spielte sie in Berlin. Der Durchbruch strafte die Ansicht Lügen, dass Psychothriller nicht in Deutschland spielen könnten.Wer immer in den Fußstapfen anderer geht, hinterlässt nie eine eigene Spur (oder wird nie Erster). Man muss seine eigene Stimme, seine eigenen Themen finden. In Verlagen und von Agenten würde aber häufig darauf hingewiesen, dass man sich daran orientieren solle, was sich gerade verkauft. Was ist nun richtig? Es sei verdammt hart, sich gegen diese gängigen Vorurteile durchzusetzen, meint Fitzek. Genau so hart sei es aber, sich als der tausendste Autor am Markt zu behaupten, der wie die 999 anderen vor ihm versucht habe, den Erfolg von Harry Potter, Twilight oder Shades of Grey zu kopieren. Hier noch der Link zu einem vollständigen Interview in der Krimi-Couch zum Thema "Trends": Ich schreibe nicht nach Trends, sondern nach Ideen.

 Ich selbst habe nie versucht, jemanden zu kopieren (außer in jungen Jahren in meinem Tagebuch, in dem ich einmal den Stil von Max Frisch kopierte). Wohl aber hatte ich, sobald ich zu einem größeren Verlag kam, gewisse Genre-Vorgaben zu erfüllen. Und die führten auch zu den erwarteten Verkäufen. Die mit den eigensten Ideen führten eher ein Schattendasein. Auch mein Krimi entspricht nicht den klassischen Genre-Erwartungen, auch mein historischer Krimi nicht. Es kann also durchaus passieren, dass sie mehr oder weniger unsichtbar bleiben, wenn es mir nicht gelingt, sie sichtbar zu machen. Dazu habe ich aber schon einige Ideen.

Zu den Vorgaben ist mir noch etwas aufgefallen. In meiner blutigen Anfängerzeit in einer Autorenwerkstatt, (wo ich übrigens Nika Lubitsch kennen- und schätzen lernte, wir haben gegenseitig viele unserer Geschichten kommentiert), gab es jeden Monat eine Schreibaufgabe. Anfangs waren es Begriffe wie "Wasser" oder "Stein" oder "Grenzen", zu denen man sich etwas einfallen lassen sollte. Meiner Erfahrung nach waren die Geschichten desto schlechter, je enger die Vorgaben waren. Gestern habe ich mal ein paar meiner etwa 60-70 Kurzgeschichten, Fragmente usw. gelesen, die dabei herausgekommen sind, und gleich 10-20 rausgeschmissen. Sehr gut sind die mit der großzügig und frei interpretierbaren Aufgabe geworden, wenn sie aber enger gefasst war, kamen dabei ziemlich ähnliche Geschichten heraus. Oft leisteten die Autoren (auch ich) Widerstand, indem sie am Thema vorbeischrieben. Aus all dem (und von nicht marktorientiert denkenden Kollegen) habe ich gelernt, eine eigene Stimme zu entwickeln. Ohne rot zu werden kann ich sagen, dass ich mich in den vierzehn Jahren seitdem enorm weiterentwickelt habe.