Samstag, 14. September 2013

Der lange Weg nach Ludwigsburg

NachLudwigsburg kamen wir gestern wie die Jungfrau zum Kind: Eine mehr oder weniger verregnete und kalte Woche Urlaub näherte sich ihrem Ende. Was, bitte, sollte man "urlaubsmäßig" unternehmen, um nicht dazusitzen und zu überlegen, was man an Neuigkeiten bei FB oder im Blog einstellen könnte, ob man liest, die Wohnung putzt oder häppchenweise (s.o.) am Roman weiterschreibt? Der Wetterfrosch von SW3 hatte armschwingend verkündet, nördlich von Stuttgart gebe es etwas größere Chancen auf etwas Sonne und blauen Himmel. Also, auf nach Stuttgart! Es ging auch zügig voran, aber an der Gemarkung Böblingen-Hulb begann etwas, das sich zu einem mittleren Horrortripp auswachsen sollte. Die Autobahn ist hier in den letzten Jahren auf beiden Seiten dreispurig ausgebaut worden, was immer wieder zu Staus und Behinderungen führte, oft natürlich, wenn wir gerade in den Urlaub fahren wollten. Jetzt ist das Teilstück fertig - und was sollten wir erleben? Den ärgsten und dichtesten Stau, der uns jemals untergekommen ist! Die Leute fuhren schon auf der Standspur, um endlich aus dieser Hölle zu entkommen, aber diejenigen, die es schafften, konnten dann auch nur Stoßstange an Stoßstange weiterfahren. Endlich war es auch uns gelungen. Was aber dazu führte, dass wir endlos im Stau weiterfuhren, auch auf dem Land, und nicht mehr wussten, wo es langging. Zweimal ewig im Kreis herum, mit Blick auf die blaue Mauer der Alb. Im SWF1 wurde berichtet, dass es dort, wo wir waren, recht warm sei, nämlich 16°. Ich ballte die ganze Zeit die Fäuste und starrte grimmig-verzweifelt geradeaus, während mein Partner, mit dem Naturell des Drummers, tobte und aus dem Fenster hinausschimpfte. Schließlich sahen wir, dass auf der Autobahn die Autos wieder fuhren. Es war tatsächlich so, und hier fanden wir auch den Grund für die ganze Misere: an dieser Stelle wurde die AB nämlich wieder zweispurig! Autos lagen manövrierunfähig am Straßenrand, eine Frau sprach ohne jede Hoffnung in ihr Handy. Ja, wie endete das wohl noch an diesem Tag? Quer durch das westliche Stuttgart, im Stau natürlich, Zuffenhausen, Kornwestheim - und dann endlich tauchte Ludwigsburg auf! Eigentlich wollten wir nach Marbach, der Schillerstadt, aber in der Residenzstadt Ludwigsburg war gerade der Himmel aufgerissen, und die Sonne überstrahlte alles mit einem goldenen Schimmer. Hier pulsiert das Leben gelassener als in Stuttgart, auf der Autobahn und anderswo. Der Ratskeller hat ein wunderschönes Gartencafé, wo wir auch wieder unsere Latte tranken. Die machen vorzügliche Torten und Pralinen. Ich erstand eine der wenigen Süßigkeiten, die ich wirklich mag, nämlich edle Geleefrüchte. Vorbei am Mörikehaus in der Oberen Kirchstraße betraten wir den riesigen Marktplatz mit der Kirche, dem Brunnen, Cafés und hinten im Eck dem Haus, in dem Justinus Kerner, Arzt und Geisterseher, geboren wurde. Die Staus waren vergessen. Da ich Urlaub hatte, musste ich auf dem Rückweg noch einmal zuschlagen, nämlich in der Fischhalle, in der ich ein Stück Räucheraal mitgehen ließ.
Schloss Ludwigsburg, Südseite, im Vordergrund die Berliner
                                                           
Nun aber zum Hightlight des Tages: Der blühende Barock im Schlossgarten! Es war inzwischen 17.26, und wir warteten vier Minuten, bis der Preis um zwei Euronen runterging. Was juckt`s, wir hatten doch Zeit! Eine Gruppe nebenstehender Berliner bot das jedoch Anlass zum Schwabenwitz: Die Schwaben hätten ja immer einen Anlass zu sparen! Da wir keine Schwaben sind, focht uns das nicht an, zumal sie selbst die vier Minuten warteten.
Den südlichen Schlossgarten - und alles Übrige - hatten wir zuletzt im Frühjahr gesehen, als noch das meiste kahl war. Jetzt staunte ich nicht schlecht, was für Superlative der Spätsommer und Herbst noch bringen können.
                                                        
Wie so oft, begegnete mir auch eine Figur wieder, die zumindest als Herrscher und Landesvater in meinem neuen Roman vorkommt: Herzog Carl Eugen, der in diesem Schloss wirkte und kreieren ließ, die Künste förderte, aber auch seinen Untertanen die Hand abhacken ließ, wenn sie Holz aus den Alleen stohlen. Er brachte den Dichter Friedrich Daniel Schubart für zehn Jahre auf den Hohenasperg, weil er sich in seinen Schriften gegen die Obrigkeit gewandt hatte. Des Herzogs Mätresse Franziska von Hohenheim hatte der Dichter als "Lichtputze, die qualmt und stinkt" bezeichnet, so dass es den beiden ein Vergnügen war, den Delinquenten nach zehn Jahren gebrochen aus dem Kerker kommen zu sehen. Und auch Schiller musste vor dem Herzog nach Mannheim fliehen, sonst hätte er die Aufführung seiner "Räuber" in Mannheim nicht miterleben können und es hätte ihn vielleicht auch in die Verliese des Hohenaspergs verschlagen. Ein Besuch bei Schubart in dessen Zelle inspirierte ihn übrigens zu den "Räubern".

                                                     

Und die Moral von der Geschicht: Man sollte niemals aufgeben, auch wenn sich der Weg zum Ziel auch als noch so dornig und weitläufig erweist!