Montag, 25. März 2013

Erfolgsautoren einst und jetzt

Am letzten Samstag verschlug es uns in die "freie Reichstadt" Reutlingen und dort in eine Ausstellung namens "Das blaue Genie". Es war eine Sonderausstellung zum 200. Geburtstag des Schriftstellers Hermann Kurz, der im 19. Jahrhundert eine bedeutende Rolle insbesondere bei den schwäbischen Dichtern spielte, heute aber nahezu vergessen ist. Beim Lesen der Briefe fühlte ich mich an viele Aussagen heutiger Autoren erinnert. Da ging es - vor allem - um die gegenseitige Unterstützung: "Teilen", würden wir heute sagen. Sie schrieben sich gegenseitig Briefe, ermunterten einander, verfassten Rezensionen und schoben sich Kontakte zu Verlagen und Zeitschriften zu. Der Fall von Hermann Kurz ist relativ tragisch, er gilt als sogenannter "erfolgloser Autor". Kurz mühte sich, freute sich über sein erstes selbstverdientes Geld als Autor, musste sich und seine Familie jedoch mit anderen Arbeiten über Wasser halten: Als Publizist und Übersetzer. Später musste er sogar eine Stelle als subalterner Bibliothekar auf dem Schloss Hohentübingen annehmen. Abends eilte er von dort herab auf den Marktplatz, wo sich die Studenten in der Kneipe vergnügten. Er aber saß im Hinterzimmer des Hauses an der Ecke, übersetzte klassische Stücke und grämte sich wahrscheinlich darüber, dass das Einkommen seines Freundes David Friedrich Strauß ("Das Leben Jesu") mit 2000 Gulden ein Vielfaches über seinem lag. Die glücklichste Zeit in seinem Leben mag die der Revolution von 1848 gewesen sein, weil er sich dort verstärkt einbringen konnte. Seine Tochter, Isolde Kurz, wurde ebenfalls Schriftstellerin, gar keine schlechte, wie ich finde. Später wurde sie von den Nazis rezipiert, weil sie im 1. Weltkrieg für den Krieg Stellung genomen hatte. Beide waren mit Eduard Mörike, Hermann auch mit Ludwig Uhland, Justinus Kerner und anderen Autoren der Zeit befreundet. Hermann Kurz starb, und das ist die besondere Tragik seines Lebens, bei der Errichtung des Uhland-Denkmals in Tübingens Neckarauen - an einem Sonnenstich.

Den Bogen zur heutigen Zeit schlägt für mich ein Blogbeitrag von Schreibkraft, im letzten Juli geschrieben: Autoren dürfen jammern, aber sich nicht beschweren.
Interessant auch das Interview mit Andreas Eschbach im Literaturcafé. Daraus folgt für mich: Wir müssen uns entscheiden, was wir wollen: ob unsere Bücher in den Buchhandlungen liegen oder ob wir die äußerst schwierige Arbeit des Selbstvermarktens auf uns nehmen wollen. Ob wir wenigstens teilweise davon leben wollen oder es l'Art pour l'Art betreiben. Oder irgendetwas dazwischen. Ob wir unser Autorenleben, wie die Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, mit anderen Autoren teilen möchten. Und welche Lebensbereiche, die ja zwangsläufig unter dem Schreiben schrumpfen, uns außerdem noch wichtig sind.