Dienstag, 19. Februar 2013

Das diebische Elster-Formular

Wenn ich morgens aufwache, höre ich die Elstern keckern und im Walnussbaum miteinander zanken. Sie zanken sich um die größten Brocken, wie alle Kreaturen auf der Welt sich um die dicksten Brocken zanken. Der Elster wird nachgesagt, dass sie Silberlöffel stiehlt, um ihr Nest damit aufzuwerten. Seit ein, zwei Jahren gibt es eine andere Art von Elster, die nicht minder silberlöffelgierig ist. Die Steuererklärungen kommen nicht mehr mit der Post, sondern man muss sie online ausfüllen oder aber persönlich zum Rathaus wackeln und die Formulare abholen. Etwa im September letzten Jahres bekam ich die Aufforderung vom Finanzamt, nun doch endlich meine Steuererklärung abzugeben. Ich habe es mit der Elster versucht, aber irgendwann hatte ich das Bedürfnius, in die Tastatur zu beißen und die Wände hoch - und runterzurasen. Immer, wenn ich ein Feld nicht ausgefüllt habe, das ich nicht ausfüllen k o n n t e, ging es nicht weiter. Man konnte das Dingens dann weder speichern noch ans Finanzamt weiterleiten. Schließlich habe ich kapituliert und bin zum Rathaus unserer Stadt gegangen, den Wagen so geparkt, dass ich nicht auch noch ein Knöllchen abkriegen würde. Die Formulare lagen griffbereit beim Empfang. Nun füllte ich den Vordruck brav aus und bekam ein paar Monate später den Auftrag, eine geringe Summe nachzuzahlen, was ich auch tat. Aber es muss außerhalb der angegebenen Frist gewesen sein, denn nach einer Mahnung kam ein Schreiben mit der "Androhung einer Zwangsvollstreckung"!. Ich habe nur den Kopf geschüttelt und mich gefragt, was der Bürger sich eigentlich noch alles gefallen lassen muss - nachdem er jahrelang zum Beispiel 10 Euro Praxisgebühr gezahlt hat, was dann mit einem Mal nicht mehr nötig war.

Nun ist es wieder soweit: Die Steuererklärung ist fällig. Diesmal ging es einwandfrei mit dem Ausfüllen des Elsterformulars, und ich war schon fast glücklich. Alle Bescheinigungen des Arbeitgebers, der Bank und des Verlages lagen griffbereit. Gerade wollte ich aufatmend auf "Ans Finanzamt übermitteln" drücken, da kommt ein roter Balken und sagt, ich solle die Religionsgemeinschaft eintragen. Wie könnte ich das, ohne zu lügen, da ich doch ausgetreten bin? Also schreibe ich "Keine" hin. Und will abschicken. Da kommt ein roter Balken und sagt: Ich solle das ausländische Land eintragen, in dem ich Kapitalertrräge erwirtschaftet hätte. Ja heilisakralausitzidanocheinmal! Will ich es ausdrucken, streikt der Drucker, meldet Papierstau, obwohl da gar kein Stau ist und hat kaum noch Tinte drin. Ich habe das alles jetzt erstmal mit einem Fluch in die Dateien zurückbefördert. Ich muss es der diebischen Elster ja gar nicht so bald in den Rachen werfen. Sie werden nämlich, sobald sie von einer "Einnahme aus selbständiger Arbeit" hören (sprich: Verlagsertrag) sofort den spitzen Schnabel wetzen und mir mindestens ein Drittel bis die Hälfte davon wegnehmen und womöglich noch viermal im Jahr eine Steuervorrauszahlung auf meine Bücher von jeweils 300 Euronen abfordern! Zweimal ist es mir schon gelungen, das abzuwenden, weil die Einnahmen ja gar nicht regelmäßig fließen. Wollt ihr wissen, was ich an einem Buch verdiene? Über zwei Jahre verteilt? Knapp zwei Monats-Nettogehälter! Da frage ich mich wirklich, wie Durchschnittsautoren jemals von ihrer Arbeit leben können sollen!