Donnerstag, 14. Februar 2013

Georg Lotz und die "erbettelten Rezensionen" oder: ruhmsüchtige Autoren

Hamburg Jungfernstieg 19.JH, gemeinfreies Bild

Mein Vorfahr Georg Lotz (1784-1844), war kein großer Schriftsteller, aber ein Literaturkritiker, Autor, Übersetzer und Verleger. Darüber hinaus vermittelte er Theateraufführungen in seinem Haus in Hamburg. In dem Buch über das Hamburger Biedermeier von Herrmann Blumenthal wird Lotz als "eine exemplarische literarische Existenz in der 'wenig aufgehellten Geistesgeschichte Hamburgs im neunzehnten Jahrhundert" gewürdigt.
Zitat Blumenthal: "Er war Kaufmann in Marseille, dann als Agent mehrerer Handelshäuser in Berlin und Leipzig tätig, bevor er sich wieder in seiner Heimatstadt Hamburg niederliess. Georg Lotz gründete 1817 die Zeitschrift "Originalien", mit der er über seine Heimatstadt hinaus Bedeutung erlangte. Ein Augenleiden liess ihn völlig erblinden. Mit einer umfassenden Würdigung von Lotz' Leben und Werk sowie einer umfangreichen Auswahl aus seinen damals vielgelesenen Schriften (Gedichte, Versspiele der Muße, Novellen (Die Jüdin von York. Stumme Liebe) und literarische und kritische Aufsätze über Veröffentlichungen  (...)anderer Autoren."
Zitat Ende.

Diese Biografie über meinen Vorfahr habe ich aus der umfangreichen Bibliothek meines Vaters Johann Georg Lotz entnommen, der die vielen alten Bücher wiederum von seinem Vater Paul Lotz erhalten hatte. Die Bibliotek diente mir übrigens schon mal als Ausgangspunkt eines Romans, der nie veröffentlicht wurde, ebenso wie das Kontor meines Großvaters in der Ferdinandstraße nahe der Hamburger Alster. Paul Lotz war ein bibliophiler Antifaschist, der in die Niederlande emigrierte und deshalb bei uns immer "Opa Holland" hieß. Darin befinden sich auch Tagebücher von Friedrich Hebbel, dessen Erfolgsstück "Judith" Georg Lotz in seinem Haus in Hamburg aufführen ließ. Es ist von Streitereien mit der Dame eines Literatursalons die Rede, die davon sprach, die Rezensionen seien "erbettelt", was Hebbel zurückweist. Allerdings habe Lotz ihn mit Goethe verglichen, was man ja nun wirklich nicht tun dürfe (in Wirklichkeit hatte Lotz geschrieben, das Stück gefalle ihm am besten gleich nach "Faust II: Freund-und Feind-Stimmen zu Hebbel). Ist das nicht wie in einem Autorenforum? Da treten Franz Kafka, Sigmund Freud, Theodor Fontane, Theodor Storm auf und viele andere Schriftsteller ihrer Zeit, verreißen den armen Hebbel oder loben ihn hoch in den Himmel. Hebbel bedankt sich enthusiastisch in seinen Tagebüchern. Würde er heute leben, hätte er das wohl in einem Blog getan! :-)

Dasss es auch durchaus lustig zuging, zeigt der "poetische Scherz" von einem Adolf Müllner, den Lotz in den Originalien veröffentlichte: Lotz hatte Müllner ein Paket mit Hummern und Madeira geschickt. Daraus entspann sich folgender Dialog:
Lotz: "Glücklich, wenn unser Fleisch behaget dem tragischen Fürsten,
Und er lächelnd gesteht: siehe, die Bursche sind gut.
Denn wer genug getan hat seiner Mitlebenden Besten,
Der hat genug getan jeder folgenden Zeit."

Darauf Müllner: "Krebse verderben Verlegern den Magen,
Kurz vor der Leipziger Messe zumal;
Aber ein Autor kann Hummer vertragen 
Bei dem madeiragefüllten Pokal. (...)" 

Jungfernstieg-in der ersten Straße links befand sich das Kontor meines Großvaters

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Verleger und Autoren-eine unendliche Beziehungsgeschichte!