Donnerstag, 31. Mai 2012

Mit Volldampf in die Leere

Immer wieder stelle ich fest, bei meinen Klienten, anderen und mir selbst, dass  rastloses Tätigsein nicht etwa dazu führt, zur Ruhe zu kommen oder sich weiterzuentwickeln, sondern mit zielsicherer Genauigkeit an einen Punkt bringt, an dem man sich nur noch leer fühlt. Ich bin heute sehr müde. Müde von der Überflutung mit Reizen, denen ich es gestattet habe, über mich hinwegzurollen und mich mitzureißen. In meinem Nachbarblog sehe ich, wie man mit diesem Phänomen umgehen kann. Als ich bei Twitter war, dachte ich eigentlich jeden Tag: was, das soll ich jetzt auch noch lesen, und wieder so viel Text, aber eigentlich musst du dich ja informieren. Das führte dazu, dass ich stundenlang im Internet hing. Okay, dort bin ich nur noch sehr selten. Von November 2011 bis März 2012 habe ich meinen letzten Roman geschrieben, im April habe ich ihn überarbeitet. Und seitdem hänge ich wieder im Internet ab, bin bei FB, informiere mich, lese lange Texte und komme zu kaum noch was. Wieso wundere ich mich eigentlich, dass ich noch kein neues Projekt angefangen habe? (Wenigstens kann ich abends abschalten und richtig genussvoll und konzentriert lesen.) Ich wünsche mir, dass ich wie Alice -und Petra - soweit komme, auch mal tagelang abzuschalten und mich wieder wesentlichen Dingen zu widmen. Dass Schreiben so ein wesentliches Ding ist, erfahre ich immer dann, wenn ich es tue. In einer internen Fortbildung hörte ich vor einiger Zeit, dass z.B. der Aufenthalt in der Natur Teil des Heilungsprozesses bei psychischen Krankheiten sein kann. Nein, ich werde jetzt nicht gleich drauflosschreiben und auch nicht stundenlang durch die Natur rennen -das wäre schon wieder rastloses Agieren. Für das Wochenende haben wir uns einfach ein paar kleine Dinge vorgenommen: Spaziergänge, Besuch eines 19. Jahrhundert-Festes in Calw, etwas essen, fotografieren.

9 Kommentare:

  1. Liebe Christa

    Ich denke, das hin- und hergerissen sein gehört zum Autorinnenleben. Auch ich kenne diese grausam hektischen Phasen - und stimme dir bei, dass hektischer Aktivismus, getrieben vom Gefühl "wenn ich dabeibleiben will, muss ich" zu nichts führt. Nie bin ich unzufriedener und grumpeliger als in jenen Zeiten, in denen es mir zu langsam geht, weil ich mal wieder warte (auf einen Vertrag, eine Idee, Geld, Leseanfragen usw.) Normalerweise sind das dann auch bei mir die Zeiten, in denen ich im Netz ersaufe, um mich wenigstens virtuell bemerkbar zu machen. Obwohl ich meine Mechanismen mittlerweile durchschaue, falle ich doch ab und zu (aber nicht mehr immer wieder) auf sie herein.

    Seit ich eine wirkliche Alternative habe (das internetlose Haus in den Bergen), schaffe ich es, mir dort oben meine Freiräume zu holen. Im Tal unten geht das nicht. Wo ein Anschluss an die virtuelle Welt besteht, nutze ich ihn auch. Aber auch daran arbeite ich. Ich möchte fokussierter leben und arbeiten. Um das blöde Wort "Entschleunigen" zu benutzen: genau das möchte ich. Weil ich herausgefunden habe, wie viel Kraft darin besteht. Beim Entschleunigen fokussiere ich mich. Was ich mache, mache ich sehr konzentriert - nur das eine aufs Mal. Um gleich noch einen ziemlich ausgeleierten Begriff zu verwenden: Da bin ich wirklich "bei mir" und bei der Sache. Dabei schaut erstaunlicherweise viel mehr heraus als beim zu hektischen "Herumpfurren." Entschleunigen heisst also nicht notgedrungen, weniger produktiv zu sein.

    Ich wünsche dir ein wunderbares Wochenende mit guten, erholsamen Auszeiten.

    Alice

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  2. Liebe Alice,

    von so einem Haus in den Bergen (oder an einem See) träume ich schon, solange ich zurückdenken kann! Ich wünsche mir, dass ich demnächst in meinem Urlaub wenigstens ein klein wenig "zu mir" komme. In solchen Momenten wird alles wieder bedeutsamer, und ich bin viel näher dran an den Dingen. Wobei, und du hast es ja auch erwähnt, der kommunikative Aspekt bei diesen virtuellen Aktivitäten vorherrschend ist. Dir wünsche ich ebenfalls noch viele fruchtbare Auszeiten und ebens viele fruchtbare virtuelle und relle Diskussionen!

    Christa

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  3. Liebe Alice, liebe Christa,
    ich finde mich bei euch beiden sehr wieder, so dass ich denke, das bringt das Autorendasein auch mit - wer lange aus der Welt abtaucht, hat auch nachher einen Hunger (manchmal bis zum Überfressen) an Kommunikation, das ist ja normal.
    Und jeder findet dann seine Freiräume - ich lebe z.B. völlig auf dem Lande, hab die Einsamkeit vor der Tür und tauche dann zum Abschalten ein in die Stadt, aus der die Städter flüchten!

    Was ich bei mir festgestellt habe: Ich begreife Lebenszeit mit zunehmendem Alter als zu wertvoll und endlich, um sie mit Dingen zu vertun, die mir persönlich im Wege stehen oder die mich frustrieren. Und dazu gehört ganz oben auf der Liste die immer länger werdende Warterei, dieser Umgang mit den Autoren in den Wartephasen und manchmal auch das geringe Feedback nach der Maloche (so nach dem Motto "nettes Manuskript").

    Das habe ich für mich abgeschafft. Feedback hole ich mir anders (und zu einem sehr großen Teil direkt von LeserInnen auch in den Social Media). Und ich warte nicht mehr. Wenn mir nach einem Projekt ist oder nach Schreiben, dann tu ich's. Die Frage nach dem veröffentlichen ist inzwischen dem Schreiben selbst nachgeschaltet, hat nicht mehr diese zwingende Priorität, weil ich ja theoretisch alles veröffentlichen kann, was ich nur will. Drum muss ich auch nicht mehr auf andere hören, die mir erzählen, es sei grade rot statt grün modern. Und das "entschleunigt" mich persönlich am meisten, ich werde dadurch viel gelassener.

    Herzlichst,
    Petra

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  4. Liebe Petra,

    ja, ich glaube auch, dass das Ausgeliefertsein, das Warten, das Schlimmste ist und von Anfang an war. Hab mich noch nie so sehr zwischen den Stühlen gefühlt! Eure Beispiele und Statements habe jetzt dazu geführt, dass ich mich an eine Kollegin gewandt habe, die zwei ihrer Printbücher als E-Books rausgegeben hat. Vielleicht kann ich aus ihren Erfahrungen lernen, erste Schritte selber zu machen.

    Herzlichst
    Christa

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  5. Liebe Christa,
    haben die Psychologen nicht irgendeinen schlauen Spruch von wegen Aktion statt Re-Aktion, um sich nicht ausgeliefert zu fühlen?

    Herzlichst, Petra

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  6. Liebe Petra,

    da fällt mir verschiedenes ein:
    Lass dich nicht vereinnahmen! Noch besser, frei nach Hesse:
    Hat der Verlag/ Agent dich oder hast du den Verlag/ Agent (müsste ich eigentlich bei FB posten!:-)
    Als therapeutische Begleitung würde ich sagen: SIE haben es in der Hand! Sie können ja sagen, aber auch nein. (Bei mir würde ich vielleicht denken: da muss ich aber noch eine Zeitlang als Hilfs-Ich dahinterstehen!:-)

    Herzlichst
    Christa

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  7. "Ich begreife Lebenszeit mit zunehmendem Alter als zu wertvoll und endlich, um sie mit Dingen zu vertun, die mir persönlich im Wege stehen oder die mich frustrieren. "

    Liebe Petra

    Da geht es mir genau wie dir! Ich bin zu alt für irgenwelchen blöden Mist. Deshalb warte ich auch nicht mehr. Entweder es kommt was, oder ich mach's selber. Das Witzige ist: In dem Moment, in dem ich mich entschieden hatte, genau nur noch das zu tun, was ich will und auch genau so, wie ich es will, kamen die Verträge und die Anfragen. Als ob ich auf irgendeine mysteriöse Art dieses neue Selbstbewusstsein ausstrahlte. Hmmmmm ...

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  8. "Das Witzige ist: In dem Moment, in dem ich mich entschieden hatte, genau nur noch das zu tun, was ich will und auch genau so, wie ich es will, kamen die Verträge und die Anfragen."

    Ist mir auch schon mal so gegangen. Nachdem ich einem Verlag eine Absage erteilt hatte, kamen neue Angebote, von denen bisher zumindest eins realisiert wurde.
    Ich kenne sogar Leute, die das Warten in der Supermarktschlange als vertane Lebenszeit empfinden.

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