Freitag, 2. Dezember 2011

Der Autor als Futterlieferant

Als ich mit dem Schreiben und Veröffentlichen anfing, bekam ich durch Autorenkollegen und -Kolleginnen das Bild von einem Autor, der dem Markt der Bücher und der Eitelkeiten, der schnellen Vermarktung und noch schnelleren Verramschung total ausgeliefert ist. Was heute noch auf den Stapeln der Buchhandlungen liegt, ist morgen schon verschwunden, was die Leser in ihren Regalen stehen haben, wird alle zwei Monate ausgetauscht. Beachtet werden nur diejenigen, die eh durch Fernsehen, Film, Politik und Wissenschaft berühmt sind. Du, der Autor, schindest dich also Monate und Jahre, schaust, dass alles bis ins letzte Detail stimmt - und dann wird es gekauft, gelesen und weggelegt. Aber tröste dich, lieber Autor, bei einer viel existentielleren Tätigigkeit ist es doch noch viel schlimmer:
Wenn du ein gutes Essen kochst, egal, für wieviele Leute, stehst du doch auch stundenlang in der Küche, und dann ist es binnen weniger Minuten aufgegessen. Grad dass mal jemand sagt: Hat gut geschmeckt! Und dann fängst du wieder an, Rezepte zu studieren, einzukaufen, zu schnippeln, zu braten und zu kochen ...
Der Vergleich hinkt, könnte jetzt jemand sagen. Tut er auch. Denn das Buch ist ja über das rein Stoffliche hinaus ein ideeller Wert. Worte reichern sich im Kopf, in der Seele von Lesern an, Mahlzeiten allenfalls als Brennstoff oder kleine Wampe am Bauch. Der Autor ist auch nicht ausgeliefert, er darf alles selbst bestimmen, sogar den Zeitpunkt, an dem er sein Manuskript abzuliefern gedenkt. (Meines gedenke ich im Juni oder August 2012 abzuliefern.) Und jetzt beginnt wieder die Zeit der großen Freiheit. Ich kann schreiben, was ich will, recherchieren, was ich will, Figuren erschaffen, die ich will, mich an Handlungsorte und in Zeiten versetzen, von denen ich früher nicht einmal zu träumen wagte. Bis das Manuskript abgeliefert, lektoriert und im Handel ist. Dann wird es ausliegen, gekauft, gelesen und weggelegt. Und dann ist wieder etwas Neues dran. Der Autor muss nachlegen wie einst die Kohlenschaufler in den Zügen, bis die Buchhandlungen und die Köpfe der Leser so angereichert sind, dass sie es nie mehr vergessen werden. Und wenn sie (die Bücher) nicht gestorben sind, dann leben sie noch morgen.