Dienstag, 19. Oktober 2010

Stand by me

Nachdem ich nun "Jenseits von Eden" durchgelesen habe, weiß ich etwas mehr. Warum gehören solche Romane zu den besten der Weltliteratur? Weil sie Fragen behandeln, die den Menschen immer beschäftigen werden. Nicht nur Gut und Böse, Konflikte innerhalb von Familien oder Staaten, nicht nur Kain und Abel, das Sich-in-die Welt-Stellen gehören dazu, ebenso die Muster in Familien, die über Generationen hinweg greifen. In diesem Roman war alles aufgelöst bis auf eine Frage, die mich brennend interessiert hätte: Wie kam Kate oder Cathy dazu, so "böse" zu sein? Dass sie lieber Hure sein wollte als auf einer kalifornischen Ranch zu versauern, konnte ich nachvollziehen. Aber dass sie in der Kindheit Alice sein wollte, die immer mehr verschwindet, erklärt nicht ihren perfiden Drang, auf hinterlistige Art zu morden. Der Suizid dagegen ist konsequent. Damit verschwand sie für immer. Irgendwie könnte man sagen, dass dies eigentlich auch ein "Heimatroman" ist, teilweise auch ein Krimi, denn es geht um Mord, um Schuld und Sühne und die Frage der freien Entscheidung, aber auf einer Metaebene, sozusagen. Nun liegen noch die "Früchte des Zorns" vor mir.

Für mich hat sich heute während einer Versammlung das bestätigt, was ich vor einiger Zeit schon schrieb: Andere Kollegen empfinden es ebenso wie ich, dass man auf sich acht geben und nicht zu oft und zu weit über seine Grenzen gehen sollte. Das gilt für den Beruf wie für das Schreiben. Ich erlebe gerade eine exreme Bodenständigkeit, das heißt, ich bin viel in der konkreten Welt, unter Menschen und nehme mich dabei ganz anders wahr. Es hat alles wieder eine Bedeutung angenommen, sieht klar und greifbar aus, jeder Gegenstand, jedes Gespräch sind mir nah, sind bei mir. Es gibt also zwei erstrebenswerte Zustände für mich: Die des Schreibens, der anderen Welt, die ich baue mit ihren Figuren und Geschichten und Schauplätzen, und die des realen Lebens. Was dazwischen ist und sich zu sehr überschneidet, führt zu unbefriedigenden Zuständen. Dazu gehört auch das Warten auf die Reaktion von Verlagen, das Herumsurfen nach irgendetwas, das die Stille des Raumes ausfüllen soll, wenn man glaubt, man trete auf der Stelle. Und alles wird nur stiller und grauer oder auch fast apokalyptisch wie der kalte Regensturm, der über die Wälder fegt. Oder der Versuch, auf allen Hochzeiten zu tanzen, dabei bricht man sich zu leicht ein Bein. (So kann ich aus beruflichen Gründen am Freitag auch nicht zur Buchhandlung Mumm in Pforzheim-Dillweißenstein fahren). Das ist eine Option für mich: bei den Figuren, Schauplätzen, Handlungen stehen, dann bei den Menschen, Orten, Räumen und Geschehnissen, nacheinander, nicht gleichzeitig. Sie sind nur dann wirklich und lebendig, wenn sie bei mir stehen. Und so wird auch wieder die Zeit des Schreibens und Entwerfens von neuen Texten kommen. Für diesen Gedanken habe ich jetzt, in diesem Moment, an diesem Tag, die Geduld.