Mittwoch, 25. August 2010

Wovon träumen Krimiautoren?

Vor zehn Jahren, bevor ich mit dem belleristischen Schreiben begann, hatte ich den Traum, einen historisch-literarischen Kalender zu kreieren, als Gemeinschaftswerk. Acht Jahre lang schrieb ich Romane, von denen vier veröffentlicht wurden. Der Kalender ist inzwischen gemacht. Drei Kurzgeschichten sind in einer Anthologie untergebracht. Und heute stoße ich auf Textstellen eigener Produktion, die sich haargenau in den Erzähltext des Sachbuchprojektes einpassen. Das Werk ist in seinem Rohbau fertig. Jetzt wird es eine längere Zeit geben, in der es wieder und wieder überarbeitet werden wird, dazu kommen erzählende Passagen, bewegliche sozusagen, die das Ganze miteinander verbinden. Also, ich fahre zum Beispiel von Tübingen nach Schwäbisch Hall, durch eine historische, literarische und kulinarische Landschaft. InTübingen feiern die Stiftler ein Fest, es geht neckarabwärts nach Stuttgart, dann nach Osten, ins Kochertal. Das Schwäbisch Haller Landschwein guckt mich aus dem Stall heraus mit seinen Knopfaugen an. Bestimmten historischen und literarischen Personen begegne ich immer wieder, darunter Mörike, Hölderlin, Kerner, Uhland, Graf Eberhardt im Barte, Herzog Ulrich von Württemberg, Wilhelm Hauff, dem Maler Jerg Ratgeb. Ein schönes Stück Arbeit, die noch vor mir liegt. Und eigentlich ist der Traum vom Schreiben damit erfüllt. Ob ich aufhören sollte?
Krimi und Thriller sind nämlich eine gewaltige Zäsur, wenn man die bisherige Entwicklung betrachtet. Der Sprung ist weit, und tief kann sich der Autor im Netz der Krimikonkurrenz verstricken. Schreib es für dich!, wurde mir oft geraten. Ich habe es ja alles für mich geschrieben. Wen könnte das interessieren? Mehr als man an zwei Händen abzählen kann? Ja, es stimmt: Wenn niemand je das gelesen hätte, was ich schieb, wäre mir der Antrieb verloren gegangen, da bin ich anders. Nur für mich, das schreibe ich in mein Tagebuch. Blitzeinfall: Ich könnte doch meine eigene Duftmarke entwickeln. Wie wäre es mit einem Wandermörder? Dann kann ich davon träumen, einstmals als Buch der Bücher zu erscheinen!
Und: Wovon träumen wohl Krimi- und Thrillerautoren? Gestern habe ich einen amerikanischen Wissenschaftsthriller aus den 90er Jahren angefangen, aus dem modernen Antiquariat. Sehr spannend, aber irgendwie alles schon einmal dagewesen. Sir Arthur Conan Doyle hat doch auch so eine spannende Geschichte über den venezianischen Urwald geschrieben. Ist nicht Sherlock Holmes darin verschwunden? Und reißende Woodoo-Bestien, Anatomie der Leichen, Blut und Gestank hatten wir ebenfalls zur Genüge. Schön, ich werde ihn zu Ende lesen, weil ich wissen will, wer und was dahintersteckt.
Dann die Regionalkrimis: Wenn ich Sendungen über bestimmte Regionen anschaue, wird neuerdings jedesmal ein Krimiautor gezeigt, der die Orte seiner Leichenfunde begeht und bezeigt. Bald werden die Regiokrimis so überhand nehmen, dass der Trend vorbei ist, bevor er sich erst so richtig entfalten konnte. Und auf abfahrende Züge sollte man nun wirklich nicht mehr aufspringen! Denn bald sind sie wegen Überfüllung geschlossen.
Als Autor sollte man im eigenen Interesse Trends beobachten, ob man nicht zufällig in ihren Sog gerät. Oder ungewollt und unbewusst Cora-gestylte Romane für die Masse schreibt. Damit wir uns richtig verstehen: Ich w i l l diese Krimis schreiben, sobald der Handlungsablauf für mich schlüssig ist. Das wollte ich ja schon nach dem zweiten Buch. Kann es sein, dass es einfach selten geradlinig, sondern oft auf Umwegen, mit Irrtümern und Kurskorrekturen vor sich geht?