Dienstag, 6. April 2010

Ritterland Wertheim

Das Interesse am Thema "Ritterland Wertheim", ursprünglich Münsingen, scheint nach wie vor groß zu sein. Meine Haltung dazu hat sich nicht geändert:
Die Idee eines Themenparks finde ich durchaus gut, wenn sie nicht zu einer Gigantomanie ausartet. Und dazu könnte es durchaus kommen, wenn das Interesse an Freizeitparks schon rückläufig ist. Dieses Projekt könnte sich als gigantische Fehlinvestition erweisen, mit allen negativen Folgen für das reizende Städtchen Wertheim, seine Gastfreundlichkeit und seine Infrastruktur. Wir haben Wertheim im letzten Jahr besucht und waren sehr angetan von dem Städtchen, seiner Kultur, den Menschen und der Umgebung. Dient der Freizeitpark wirklich den Interessen dieser Stadt und ihrer Bürger?
Hier ein neuerer Artikel dazu.
Das Interesse am "Mittelalter" scheint zwar noch ungebrochen-fast jede mittelalterliche Stadt, die ich kenne, hat inzwischen ihre Spiele und Nachtwächter und Märkte-aber man sieht ja selbst am Buchmarkt einen Rückgang. Jede Welle überrollt sich irgendwann selbst. Was mir wirklich gut gefallen hat, waren folgende, mehr oder weniger "mittelalterliche" Einrichtungen:
Die Bachritterburg Kanzach
Das Freilichtmuseum Beuren und andere Freilichtmuseen in Neuhausen, die Vogtsbauernhöfe im Schwarzwald etc. Sehr schön finde ich auch die "gewachsenen" Spiele in den Städten, wie in Dinkelsbühl, Schwäbisch Hall, Bretten und Maulbronn. Die Ritterspiele in Horb hier gleich um die Ecke haben sich inzwischen zu den größten Europas ausgewachsen. Was ich zunehmend vermisse, ist Authentizität. Das heißt, das kommerzielle Angebot hat in meinen Augen überhand genommen. Eigentlich möchte ich sehen, schmecken und riechen, wie es damals ausgesehen, gerochen oder geschmeckt hat, oder auch nur annähernd. Eine simple Rote als Ritterwurst zu verkaufen ist einfach. Der knusprige Spieß, den ich einmal sah und den ich leider nicht bekam, wird im MA eher selten gewesen sein. Ich denke, man hat Gerstenbrei und Mehlsuppe, Brot und Fladen, Kohl und Speck gegessen. Bei den Reichen gab es freilich Fleisch, Braten und Geflügel aller Art, oft in Unmassen, oft mit Fleischbrei gefüllt wegen der fehlenden Zähne, Pfauen, Störche, Fisch und Fleisch in den abenteuerlichsten Konstruktionen, Riesentorten in Form von Burgen usw. wie auch Wein und Bier-
Mir unvergesslich ist auch das Spiel um den vergeblichen Versuch, wahrscheinlich der Werdenberger, Burg Wildenstein im Donautal einzunehmen. Warum nicht mehr solcher kleineren Spektakel, die etwas mit dem jeweiligen Ort und seiner Geschichte zu tun haben? Liebend gern würde ich jedes von ihnen besuchen. (Für diejenigen, denen es noch nicht bekannt war: Die Burg Wildenstein hat mich zu meinem Roman "Die Pilgerin von Montserrat" inspiriert, weiter unten
in der Leiste zu sehen.)
Hier noch ein Link auf die Vorstellung des Konzeptes in Lindelbach.

5 Kommentare:

  1. Christa, dein Vergleich zum Buchmarkt hat was! Leider wird aus dem gespielten Mittelalter immer häufiger Fast-Food - und wenn es nicht noch ein paar Reenactment-Gruppen herausrissen, wäre es reiner Jahrmarkt.

    Ich kann dein Gefallen an Bretten zum Beispiel nicht teilen. Ich war da in den frühen Achtzigern aktiv dabei, weil ich in der Umgebung wohnte. Damals war dieser Anspruch wirklich noch da, möglichst nah an eine Darstellung zu kommen, bei der jeder in der Bevölkerung mitmachen konnte. Und da gab es eben auch jenen Gerstenbrei u.ä., vor allem aber auch Kritisches. Denn bei den Festen wird ja nur ein Heile-Welt-Mantel-und-Degen-Mittelalter gezeigt.

    Ich weiß, dass es anderen immer noch gefällt, wie es heute ist - ich umfahre Bretten zu Peter und Paul weiträumig. Das ist wohl das Los einer bestimmten Bekanntheit und - wie du richtig sagst - von Kommerzproduktionen...

    Auf der anderen Seite lockt der Ritter so ewig wie das Weib - es funktioniert halt.
    Ich habe bei meiner Europaarbeit ja mit Tourismusentwicklung zu tun. Einerseits ist es eine Chance für viel Orte, für Einkünfte und Arbeit zu sorgen, oft die letzte Chance. Aber Touristen verändern das Leben grundlegend. Wer da nicht nachhaltig und bewusst plant, kann einen ganzen Ort zerstören. Um Wertheim wäre es schade, wenn das passierte.

    Denn irgendwann gehen uns die authentischen Orte aus, in denen man noch jenseits der Animationsindustrie echtem Mittelalter nachspüren kann...

    Herzlichst,
    Petra

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  2. Ich bin einfach hoffnungslose Romantikerin, Petra, und damit auch Verdrängerin. Mir hat es in Bretten beim allerersten Mal gefallen, ebenso in Horb. Beim zweitenmal ging uns schon die Wurst auf den Wecker und der ganze Trubel. Maulbronn werde ich so in Erinnerung behalten, wie ich es im Juni 2004 erlebt habe. Nach Horb gehen wir nicht mehr gern, nachdem die Fläche mit den Spielen eingezäunt wurde und wir als Zaungäste vertrieben wurden. Die Devise scheint zu sein: Immer größer, immer kommerzieller! Ich teile deine Meinung, dass so etwas sehr behutsam geplant werden muss, um wirkliche Infrastruktur und Entwicklung in die Orte zu bringen. Und das anze erinnert mich auch an die früheren Reisen nach Griechenland, Spanien, Italien nd Frankreich. Die erste Generation der Touristen hat noch "Echtes" erlebt, echte Gastfreundschaft, zum Beispiel. Sobald dann jemand im Reiseführer einen "Geheimtipp" gab, fuhren alle hin, um auch etwas umsonst in der Wirtschaft zu bekommen. Und schon war der Ärger da, war die zweite Generation da,
    und die dritte, und die vierte wird dann hoffentlich diejenige sein, die verträglich und nachhaltig mit den Bewohnern und den Ressourcen umgeht. Aber es wird, wie bei den Büchern (der Vergleich wird mir erst jetzt so richtig klar) immer eine Masse geben, die gefüttert werden will und diejenigen, die wollen, dass es ihnen schmeckt.
    Im Übrigen finde ich es toll, dass du dich bei der Europaarbeit und dem Tourismus engagierst!

    Herzlichst
    Christa

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  3. ich hab gerade deinen Bericht gelesen und möchte dich einfach mal einladen ins Adventon zu kommen. Ganz besonders Ende Mai, da gibt es das Event "KOchen im Mittelalter". Ich selbst habe da schon mitgemacht und kann nur sagen, die Speisen sind anders aber gut.
    Schau einfach mal hier
    www.adventon.de
    wir versuchen alle, ob die Angestellten oder die Hobbiisten, so authentisch wie möglich zu sein. Wir z.B. von unsere Gruppe, nähen unsere Kleidung selber und immer öfter sogar mit der Hand.
    lg maritta

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  4. Hallo, Maritta,

    ich habe mir die Seite angeschaut
    und das Projekt wiedererkannt. Da sind wir mal vorbeigefahren und haben uns gesagt: da müssen wir hin! Danke für den Link!

    LG
    Christa

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  5. Im Konzept des Ritterlands ist doch festgehalten, dass "MIttelalter" gesehen, geschmeckt und gerochen werden soll. Inklusive historischer Speisen und Getränke.

    Allerdings nicht beschränkt auf eine Burg oder einen Marktplatz - sondern eine ganze "Welt für sich".

    Übrigens sind die "Württemberger Ritter", die mit dem Initiator Hummel hinter dem Projekt stehen der größte Mittelalter-Verein in Deutschland. Das sind Leute, die leben Mittelalter, mit Herz und Enthusiasmus.

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