Dienstag, 11. August 2009

Urlaub in Deutschland (Nr.2)

Was kann man machen, wenn man Urlaub hat-von der Arbeit und vom Schreiben, jedoch die Massen- und Lastminuteziele vermeiden will? Am Mittelmeer schmoren die Urlauber bei 40° Hitze, wenn sie nicht vor Angst bibbern müssen wegen der Schweinegrippe oder den Anschlägen der ETA. So hatte ich also kurzentschlossen eine Pension im Fränkischen Seenland gebucht, nicht weit von Wolframs-Eschenbach, der Heimat des Parzival-Dichters. In der Rückschau besehen, hätten wir auch gleich angesichts des ersten Monumentalstaus umkehren können. Doch dann hätten wir einen wahnsinnigen Tripp verpasst.
Deutschland hat sich zu einem überdimensionierten Baustellenland gemausert. Natürlich, Ferien, sonst haben wir diese Zeit tunlichst vermieden, aber wir mussten ja. Bis Stuttgart brauchten wir 1 1/2 Stunden und schlichen uns auf Nebenstrecken durchs Gebirge bis Aalen. Dort kamen erstmals Urlaubsgefühle auf, im Gasthaus zum Spion in der Fußgängerzone. Weiter gings ins Fränkische hinein, und hier endlich leere Straßen. Aber irgendwie blieb das Land dann auch leer und staubig. Im Pensionszimmer fiel uns gleich die Türklinke in die Hand, der Blick vom Balkon ging auf eine Fabrik. Shame over me!:-)Der See, an dem wir einstmals mit einer Gruppe um ein Feuer saßen, war mit Wohnmobilen verrammelt. Also schnell der wütenden Wirtin etwas in die Hand gedrückt und ab Richtung Ingolstadt! Das Altmühltal ist eine Reise wert, insbesondere Weißenburg und Pappenheim, ja,das mit den Pappenheimern. Ingolstadt sehr weitläufig und belebt, es fehlte nicht an Freiluftkneipen, aber an Unterkünften. Highlight war das Kloster Weltenburg mit dem Donaudurchbruch. Eine naiv buntüberladene Kirche und ein übervoller Klosterhof. Gewimmel und Bratendüfte. Es zählt zum Weltkulturerbe und darf deswegen auch seine Speisekarte auf der Internetseite offerieren (merke: Einen bayerischen Schweinebraten kriegt man sonst schon ab 4.90 Euro!)Im Renaissancestädtchen Neuburg an der Donau das Gleiche: Niemand bietet Unterkünfte an, obwohl sich der Donauradweg inzwischen zur Autobahn hochstilisiert hat. Schließlich tat sich etwas auf in Donauwörth, dort saßen wir dann beim Italiener unter einer Palme wie im Süden, mit Meeresfrüchtesalat und Pappardelle.
Die große Frage am nächsten Tag: Sollten wir durch all die Baustellen und Staus zurückfahren oder weiter nach Bayern eindringen? Das Wetter hielt, die Temperatur lag bei etwa 30°, und die Sachen klebten am Körper. Regensburg, ein Mittelaltertraum, ebenfalls uns bekanntes Weltkulturerbe, aber es spuckte uns aus. Vielleicht würden die Seen bei Rosenheim etwas für uns bereit halten. Aber dort kamen wir nie hin. Es ging kreuz und quer durchs Land, auch hier in jedem Nest eine Baustelle mit Umleitung, so dass wir nicht mehr wussten, wo wir waren. Umkehren zwecklos. Kurz vor Wasserburg ein Badesee mit freundlichen Wirtsleuten. Dort kann man Urlaub machen, frohlockten wir. Beim Huberwirt war auch noch ein Zimmer frei, hoch über dem wunderschönen Städtchen Wasserburg am Inn. Völlig fertig streckten wir uns auf die Betten hin. Da ging es los, Trommelwirbel klangen aus der Stadt herauf. Da mussten wir uns druntermischen, keine Frage. Die ganze Stadt war ein einziges Schauspiel, Pferdewagen mit Salzsäcken beladen, ja, so roch es auch in meinem Roman, Ritter, Trommler, Ratsherren und ein Mann, der vom Dach des Ratshauses herunterschrie.

Ganz früh am Morgen schon wach, ein Blick in einen Urwald vor dem Fenster und ein reichhaltiges Frühstück. Radler sausten im Frühnebel vorbei. Wohlgemut versuchten wir uns Rosenheim und seinen Seen zu nähern. Wir haben sie niemals gefunden! Gleich wieder eine Umleitung über 30 Kilometer, an jeder Ecke eine Baustelle. Ob die erhöhten Krankenkassenbeiträge dazu verwendet werden, um die Leute krank zu machen? Überall umherirrende Urlauber. Drohende Wolken bauten sich von allen Seiten auf. Geschlagene Stunden irrten wir nun, von Heimweh geplagt, um München herum, zwischendurch von Unwettern halb von der Straße gefegt (das hatten wir doch schon mal?)Umleitungen, Staus, ein Alptraum, eine Apokalypse! Einzige Lichtblicke waren die Schönen Erding und Landsberg/ Lech. Vertraut am Abend, nach langen Kämpfen, die Schwäbische Alb. Aber was sahen die entzündeten Augen? Umleitungen, Baustellen überall. Was ist nur in dieses Land gefahren? Bauen sie Straßen, um die abzuschrecken, die darauf fahren sollen? Zuhause dann der Horror aus den Nachrichten.
Tropische Wirbelstürme, ETA-Anschläge, Schweingrippenimpfungstests und Terrorgruppen.
Deutschland, deine Straßen, denk ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht ...