Kürzlich verließ ich mit meinem Einkaufswagen einen großen Supermarkt. Vor mir liefen eine Mutter und ihre kleine Tochter, vielleicht drei, vier Jahre alt. Mit einem Mal drehte sich das Mädchen zu mir um, streckte mir selig lachend ihre Banane entgegen, die es gerade bekommen hatte, wandte sich wieder nach vorne und hüpfte so vergnügt weiter, dass ich dachte: So wenig reicht schon aus, um einen Menschen glücklich zu machen! Ich selbst habe das durch einen kurzen Ortswechsel ebenfalls erfahren. Vor etwas mehr als einer Woche machte ich mich mit einer Bekannten auf, um in die große Metropole Berlin zu reisen, wo mein Sohn David und seine Verlobte Dany sich am 11. Oktober das Jawort geben wollten. Es war meine erste Reise seit Beginn von Corona, es hatte sich erst mal nichts mehr ergeben.
Wider Erwarten kam der Zug nur mit 5 Minuten Verspätung in Herrenberg an. In Stuttgart staunte ich über das neue Areal der Sparkasse beim Bahnhof, wo man gegen Kreditkarte Kaffee trinken konnte. Allerdings hingen die Plastikfahnen der Stuttgart-21-Baustelle immer noch neben dem Weg zu den Zügen. Weiter ging es über Mannheim und Frankfurt ins Bergische, da saß ich wie früher eine Stunde lang im Bistrowagen und in einem anderen fast leeren Abteil und ließ die -mir von früher her bekannte - Landschaft an mir vorüberziehen. Kassel, Stendal in Brandenburg, weite Ebenen. Es ist ratsam, wie wir an einem Donnerstag zu fahren, wie wir später erfuhren, hatte die nähere Verwandtschaft am Montag Ausfälle bei den Zügen. Im Stadtteil Tempelhof-Schöneberg bezogen wir unsere Unterkunft "Limehome", was sich als sehr großes, nettes Apartmenthotel erwies. Abends ein gutes Essen beim Italiener- ich hatte statt Pizza Minestrone und Kalbsleber mit Gemüse bestellt.
Der Abend endete noch etwas hektisch, weil meine Gefährtin und ich ungeübt waren beim Einchecken mit Code. Beim ersten mal hatte David es gemacht. Ich war noch mal draußen und tippte dann den Code ein - nichts rührte sich! Schreck lass nach. Seitlich war das Fenster der Freundin erleuchtet, ich rief hinauf, aber nichts geschah. Ich dachte schon, Scheiße, jetzt muss ich warten, bis jemand nach Hause kommt oder draußen übernachten! Schließlich kam ich drauf, dass ich nicht nur den Code eingeben (den ich dann auswendig kannte), sondern ihn auch noch mit einem Häkchen bestätigen musste. Gott sei´s gelobt und getrommelt. Sehr gutes Bett zum Schlafen, und morgens fanden Hildegard und ich schnell einen türkischen Bäcker, der Latte und ofenwarme Croissants anbot.
Die Wohnung von David und Dany kannten wir noch nicht - ich staunte, wie viel Grün es in diesem Stadtteil gibt und wie einfach und locker das Leben sich gestaltetet. Auf dem Balkon war ein hellgrünes Flaumbündel gelandet, vielleicht ein Nestling, Grünfink, den David wieder zum Fliegen brachte. Den Nachmittag nutzen Hildegard und ich, um etwas von der Stadt zu sehen. Also mit Bussen und Bahnen in die Mitte. Das Brandenburger Tor war mir wohlbekannt, und trotzdem ist es immer wieder ein erhabenes Gefühl, darunter durchzulaufen, zusammen mit Touristen aus aller Herren Länder.
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Bei der Traukirche von Danys Eltern |
Ich war mit 12 Jahren das erste mal in Berlin, zusammen mit meinem Vater zu Besuch bei seinen Cousinen, die in einer Villa mit einem herrlichen Zwetschgenbaum am Grunewald lebten. Die Fahrt durch die DDR habe ich sehr düster in Erinnerung, keine Leuchtreklame, Cola schmeckte scheußlich, und einmal wurden wir von bewaffneten Beamten in die Bude gewinkt. Unheimlich. Ich habe noch den Todesstreifen gesehen und die zerstörte Gedächtniskirche. Das nächste Mal bei einer Klassenfahrt, ans Pergamonmuseum mit dem großen Altar erinnere ich mich gut. Und an die Theateraufführung "Der Mann von La Mancha". Noch heute kann ich es singen: "Er träumt den unmöglichen Traum, bekämpft den unschlagbaren Feind, erträgt den untragbaren Kummer ..."
Hildegard und ich besuchten das Mahnmal des Holocaust, das einfach zu finden war. Sehr beklemmend und eindrücklich!

Dagegen fanden wir ein Berliner Museum nicht und liefen uns dabei die Hacken wund. Das U-Bahnnetz ist hier, im ehemaligen Ostsektor -sehr veraltet, keine Reklame an den Wänden, keine Rolltreppen, ein trockener Käsekuchen im jüdischen Museum rettete uns gerade noch, bevor wir aus den Latschen kippten. Hier wurden wir ganz streng von Sicherheitsgruppen durchsucht. Abends gab es eine Zusammenkunft und eine Geburtstagsfeier in der Wohnung. Gottseidank sind Hildegard und ich am Samstagmorgen noch mal losgezogen. Erstmal die Tempelhofer Flughafenanlage, martialisch, überall grimmig blickende Adler der Nazis. Und dann die Museumsinsel! Davor war ein riesiger Kunst-und Flohmarkt aufgebaut, beim Spaziergang an den Museumsgebäuden vorbei hatte ich ein Gefühl, in einem anderen Land angekommen zu sein. In einem Land, einem Ort, wo Kultur noch eine wichtige Rolle spielt.
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Das Alte Museum mit der Antikensammlung |
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Ein Arm der Spree, sie umrundet die Museumsinsel |
Das Hochzeitsessen: Beim "Attila", einem kroatischen Feinschmeckerrestaurant. Es war rammelvoll, und es gab Vorspeisenplatten mit Lachs, Salaten, Carpaccio und allerlei Sonstigem, Platten mit Seezunge und anderem Fisch, mit Fleisch, Cevapcici, Gemüse, Pommes, Duvec-Reis und Bratkartoffeln, und dann noch Hochzeitstorte und viele Nachtische, Bier und Slivovic. Des Nachtischs habe ich mich wie immer enthalten. Gute Gespräche mit alten Verwandten und Bekannten, und ich habe sogar gesungen, nämlich die Fortsetzung der anwesenden Familie mit Kindern von "Ringlein, Ringlein, du musst wandern" "...ach wie herrlich ach wie schön, keiner kann das Ringlein sehn." Davids Onkel hielt eine Rede, auch auf Davids Vater und mich, und er erzählte auch noch ein paar Witze.
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