Nur wenige Kilometer von meinem Wohnort entfernt gibt es ein Gebiet, das ich seit Anbeginn kenne wie meine Westentasche. Es ist der Egenhauser Kapf, eine Anhöhe am Rand des Schwarzwaldes, die seit 1969 als Naturschutzgebiet ausgewiesen ist. Auf ihren Muschelkalkböden wachsen seltene und vom Aussterben bedrohte Pflanzen wie Orchideen, Enziane und Silberdisteln. In diesen Corona- Zeiten ist das Gebiet bei schönem Wetter besonders überlaufen, aber die Menge verstreut sich bald wieder in der weiträumigen Fläche. Egenhauser Kapf
Gestern, am zweiten Weihnachtsfeiertag, unternahm ich zusammen mit meinem Sohn David und Dany, seiner Verlobten, eine größere Wanderung auf diesem Kapf. Das ist inzwischen eine Weihnachts-Tradition geworden. Wir sind schon zu dieser Zeit im Tiefschnee herumgestapft, haben uns Wind und Wetter ins Gesicht blasen lassen, den Schmetterling gemacht und sind immer wieder denselben oder andere, neue Wege gegangen.
Der verschneite Kapf im Jahr 2014
Ein Stück bergauf hinter der Klinik gibt es einen größeren Parkplatz, von dem aus man die Tour starten kann. Wir haben dann den traditionellen Weg gewählt. Man kann entweder durch die Heide nach oben gehen, aber das ist nur zu anderen Jahreszeiten wirklich reizvoll. Hier stehen nämlich im Frühling, im Sommer und im Herbst viele seltene Pflanzen. Wir sind die geteerte Straße hinaufgelaufen bis zu einem weiteren Parkplatz. Links sieht man einen verwitterten Gartenzaun. Dort unten steht ein altes Ausflugslokal, das bis vor etwa zehn Jahren noch bewirtschaftet war. Inhaber waren eine ältere Frau und ihr Sohn. Beide waren das, was man "Unikate" nennt. Es gab kleinere Speisen, Eis aus der Gefriertruhe, Kaffee und eine Terrasse, die von großen Volieren mit Wellensittichen umringt war. Die waren sogar im Winter draußen. Was bei einigen zum Kältetod führte. Auf der anderen Seite vom Parkplatz oben geht es zu einer zerklüfteten Steinbruchlandschaft. Er war ein Lieblingsspielplatz meines Sohnes, mit Höhlen, Klettersteigen und einer kleinen Ruine. Dort hatten wir kurz nach dem Atomunfall in Tschernobyl ein Feuer gemacht und gegrillt, ohne etwas vom radioaktiven Fallout zu wissen. In der Folge durfte man nur noch Gemüse und Salat aus Gewächshäusern essen. Einige werden diese Zeit noch kennen. Sie war nicht so einschneidend wie die jetzige Krise und auch nicht so sehr wie Fukushima.
Wenn man dem geteerten Weg weiter folgt, vorbei an einem christlichen Freizeitheim, über die Kreuzung hinweg, läuft man auf Walddorf zu. Rechts zwischen den mächtigen Kiefern stand diesmal ein geschmückter Weihnachtsbaum, Gruß eines lieben Menschen.
Walddorf liegt hübsch eingebettet inmitten von Obstwiesen. Vor Corona gab es meiner Erinnerung jedes Jahr Apfel- und Mostfeste.
Man kann, bei trockenem Wetter, einem Weg quer über die Felder bis zum Waldrand folgen. Dort beginnt neben einer Bank der Weg in den Wald. Wir sind weiter geradeaus gelaufen, links abgebogen und haben eine Abkürzung über die Wiese genommen, wo wir auf denselben Weg trafen. Kurzes Stück nach rechts, dann führt ein schmaler Pfad nach unten.
Beim Austritt aus dem Wald steht man oberhalb einer Heide und hat einen herrlichen Bick auf den Ort Egenhausen und die Ausläufer des Schwarzwalds. Beim Hinabgehen sieht man kleine Wacholderbüsche am Waldrand, die schon fast von den Bäumen erstickt worden sind. Bekanntlich halten Schafe die Heiden frei von der Baumvegetation, und wir haben auch schon oft Schafherden auf dem Kapf gesehen.
Unten geht es immer panoramamäßig auf Halbhöhe entlang, bis man nach insgesamt ca. zwei Stunden den Ausgangsparkpatz erreicht. Es war für uns nicht nur eine Wanderung mit Sonne und ein wenig Schnee inmitten regen-und matschreicher Tage, sondern auch eine zwischen den Zeiten.
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