Mittwoch, 11. Juli 2018

Von Schlitz nach Spalt

Was im Titel wie eine Gratwanderung in den Felsen klingt, war in Wahrheit eine dreitägige Rundtour durch deutsche Lande. Nicht immer bekleckert man sich bei solchen Touren mit Ruhm, aber immer bereichert es die Erfahrungen. Man lernt eben nie aus, und wirklich "vernünftig" wird man offensichtlich auch nicht in seinem Leben. Irr- und Lehrreise von Süd nach Nord nach Ost nach Süd.

Aufgrund der Wetterlage und weil am Samstag keine tonnenschweren Lastwagen unterwegs sind, beschlossen wir spontan, nach Flensburg zu fahren. Dort haben wir eine kleine Ferienwohnung nahe der Krusau in Kupfermühle, wo mein Vater früher eine Kupfer - und Messingfabrik geleitet hat. Es sind fast 900 Km bis dorthin, die früher immer, etwa zu Weihnachten und an Geburtstagen, problemlos zu bewältigen waren. Hinter Fulda merkten wir, dass es langsam Nachmittag wurde und das Ziel heute eben nicht mehr problemlos zu erreichen sein würde. Zumal in Hamburg eine mehrstündige Sperrung des Elbtunnels geplant war. Mein Partner meinte sich zu erinnern, dass wir schon einmal in Schlitz gewesen seien, einem kleinen Ort auf dem Vogelsberg. Waren wir aber nicht, dafür waren wir beeindruckt von dem mittelalterlichen Erscheinungsbild und dem Schloss.
Marktplatz von Schlitz

Alsfeld
Schlosshotel Schlitz

Im Schlosshotel fand eine geschlossene Gesellschaft statt, trotzdem durften wir einchecken. Das Zimmer wie immer viel zu klein, aber alles edel und neuwertig mit Blick auf den Fluss und das Städtchen. Abends besuchten wir Alsfeld, das wir aus dem hessischen Fernsehen kannten und immer schon mal besuchen wollten. Und waren überwältigt von dem geschlossenen Stadtbild und dem kunstvollen alten Fachwerk überall. Zurück in Schlitz, konnten wir den Abend bei einem Bier und Musik der Bigband von HR3 genießen - die zufällig dort im Schlossgarten spielte. Am Rande gestand uns ein Althippie, der zu den Roadies gehörte, dass er eigentlich auch lieber Rockmusik hören würde. Oben im Schlosshotel ging das Fest der Gesellschaft eben seinem Höhepunkt entgegen. Ein Graf aus einem Hochadelsgeschlecht lade hier alljährlich zum Familientreffen, erklärte uns die freundliche Bedienung. Nachher würden sie alle zum Kaffee auf die Terrasse hinauskommen, aber wir könnten uns gern auf die Bank an der Seite setzen und etwas trinken. Derweil sie drinnen auf ihr Dessert warteten, fragte mein Partner die Bedienung ganz frech, ob sie nicht ein paar von den Krebsen übrig hätten. Die wir dann auch formvollendet serviert bekamen. Ist ja nicht viel dran an den Dingern, und die Finger riechen danach stundenlang, aber es war ein großartiges Erlebnis. Später kamen die Herrschaften, um sich dem legeren Teil des Abends zu widmen. Die Kaffeetassen blieben unangerührt, und man hörte schon mal ein "Hau weg!" Alles in allem waren wir aber sehr positiv vom Verhalten dieser Menschen eingenommen, keine Pöbelei, kein Streit, kein lautes Wort. Ein lustiger Abend bis spät in die Nacht, unvergesslich.

Am zweiten Tag fuhren wir schon um 8 Uhr los. Wieder ein heißer Tag. Die Auswirkungen der Dürre machten sich immer mehr bemerkbar. Wochenlang hatte es hier nicht geregnet, oft sah man die Leute zum Himmel schauen und klagen. Der Ort Fritzlar (auch ein "Sehnsuchtsort") empfing uns eher enttäuschend, der Dom war geschlossen, und auch sonst war nicht viel los. Bei Hannover ereilte uns dann der Super-Gau. Ewig lange Baustellen und Staus nervten solange, bis wir beschlossen, unser ursprüngliches Ziel aufzugeben. Stattdessen wandten wir uns gen Osten. Erinnerungen an Weimar und Goethes Gartenhäuschen, an die Wartburg, Gotha, Erfurt und das Bachstädtchen amen auf. Quedlinburg, voller Kulturtouristen, war sehr schön und beeindruckend. Der Dom thront ganz oben mit Weitblicken in die verdorrte Landschaft. Die Quedlinger Bratwurst mit Schalenkartoffeln war auch nicht zu verachten.
Dom von Quedlinburg

Gasse in Quedlinburg
Die Weiterfahrt dann aber schon. Wir greifen uns jetzt noch an den Kopf, dass wir nicht gleich wieder nach Hause gefahren sind. Quer durch den Harz, mit schönen Wäldern und Flüssen, aber umständlich zu fahrenden Straßen, wenig Infastruktur und vielen aufgemotzten Sehenswürdigkeiten. Fast jedes Dorf hat sein Schloss, aber als einziger von der Schlossverwalterin empfohlene Übernachtungsmöglichkeit erwies sich ein Campingplatz ohne versprochenen See und ausgebucht. So landeten wir nach vielem Hin und Her in Melsungen, einem ebenfalls sehr schönen Städtchen, das wir von der Durchreise her schon kannten.

Gleich hinter dem Eulenturm am Stadteingang landeten wir im Hof einer Pension. deren Besitzer empfing uns schon auf dem Parkplatz, erklärte, dass der Eulenturm früher Gefängnis und das Fremdenzimmer in der Pension jüdischer Betsaal gewesen sei. Gefiel mir ganz gut, mit schwarzem Gebälk, etwas geräumiger als das im Schlosshotel und preiswert. Die Stadt Melsungen ist wunderschön, doch die Gastlichkeit lässt ein wenig zu wünschen übrig. Die empfohlenen Gaststätten waren schon um 19.00 geschlossen, das von einem Wirt empfohlene hatte edle und teure Speisen auf der Karte, die aber unserem Empfinden nach aus Aldi-Zutaten hergestellt waren. Auch der abendliche Ausklang beim Bier erwies sich als kontraindiziert. Es gab nur eine einzige Kneipe, die offen hatte, dort wurde man mit de Hitparade der Volksmusik und Mallorca-Gedöns unterhalten. Also blieb nur der frühe Gang ins Bett.

Kirche St. Emmeran in Spalt
Gegen Mittag des dritten Tages wurden wir dann endlich fündig. Im Fränkischen Seenland. Nicht weit von Gunzenhausen und dem Brombachsee liegt der ursprüngliche, unverdorbene Ort SPALT, den mein Partner im Auge gehabt hatte. Hie gibt es mehrere Kirchen, sehr katholisch, sehr barock, dazu ein uraltes Brauhaus und den besten Schweinbraten an der Seite eines Wirtshauses, den wir seit langem zu uns genommen hatten. Die Sauce besteht aus reinem Fleischsaft, die Knödel habe ich beide verdrückt, obwohl ich sie früher nie gemocht habe.


 Rund um den Großen und den Kleinen Brombachsee ist eine künstliche Ferienlandschaft entstanden, die leider nicht besonders attraktiv wirkt. Durch Stauung der Altmühl hatte man sich ein gutes Urlaubsgeschäft versprochen, was wohl auch funktioniert. Aber es gibt nichts Gewachsenes, zu allen Plätzen am See führen extra angelegte Stra0en hinunter. Einzig der Natursee bei Merkendorf ist zwar verändert worden, dort gibt es jetzt alle Schwimmbadutensilien mit Café und Kindergeschrei, aber er ist noch in seinen Grundzügen zu erkennen. Auch die Wiese, auf der wir ml eine Nacht mit jungen Leuten am Lagerfeuer verbracht hatten, gibt es noch. Und das schöne Wolframs-Eschenbach, Heimatort des Wolfram von Eschenbach. Die Ferienwohnung von damals gab es nicht mehr, das Café hatte zu, und zum Übernachten gab es schon gar nichts. Inzwischen bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es nicht nur die ehemaligen Orte der DDR sind, in denen nichts geboten wird, die tot wirken und wo abends um sieben die Stühle hochgeklappt werden. Wie sehr genossen wir es, in Backnang wenigstens noch - an diesem warmen Sonntagabend - in der Flaniermeile sitzen zu können und ein gutes Thai-Gericht zu verzehren! Von der vielen, teils wirklich überflüssigen Fahrerei nach einem Ferienort taten uns alle Knochen weh. Ich glaube aber, dass wir doch etwas aus der Reise gelernt haben. Man musste sich schon früher in der Kutschenzeit sehr anstrengen, wenn man reisen wollte, nur ging es da viel langsamer.